Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Kapitel

Günther wollte wirtschaften. Er ging auf das Feld hinaus. Es wurde gemäht. Brusttief regten sich die Leute in den Halmen, wie in knisternder, gelber Seide. Ziepe stand dabei und schimpfte: "Du kleines, schwarzes Aas, heißt das Setzen? Du brauchst nur mit deiner Rotznase anzustoßen, dann purzelt die Bude um." Günther war sehr würdig und leutselig. "Hier ist ungleich gemäht," bemerkte er. "Haben die Leute auch zu trinken? Ich will, daß nichts versäumt wird." Er schritt an den Garben entlang, durch die Atmosphäre der heißen Ähren und heißen Menschen. Von einer Garbennehmerin, die hübsche Augen hatte, ließ er sich die Ackerwinden geben, die das Mädchen auf dem Strohhut hatte. Als er jedoch weiter dem Ellernbruch zuging, war er unzufrieden. Das müßte anders sein. Er müßte anders auf seine Leute wirken. Diese gleichgültigen Augen wollte er nicht. Teufel! Wenn man auf seine eigenen Arbeiter nicht wirkt, wo will man denn Effekt machen!

Im Ellernbruch fand Günther eine lange, bunte Gestalt im Grase liegen. Wie kam all das hierher? Der blau und weiß gestreifte Sommerflanell, das blauseidene Hemd, der rot und blau gestreifte Gürtel?

"Hans Berkow," sagte Günther.

"Morjen, Tarniff," meinte Berkow und gähnte. "Wie geht's?"

"Was machst du hier?"

"Siesta. Nimm doch Platz."

Günther setzte sich auf das Moos. Was der Anblick von

Fünftes Kapitel

Günther wollte wirtschaften. Er ging auf das Feld hinaus. Es wurde gemäht. Brusttief regten sich die Leute in den Halmen, wie in knisternder, gelber Seide. Ziepe stand dabei und schimpfte: „Du kleines, schwarzes Aas, heißt das Setzen? Du brauchst nur mit deiner Rotznase anzustoßen, dann purzelt die Bude um.“ Günther war sehr würdig und leutselig. „Hier ist ungleich gemäht,“ bemerkte er. „Haben die Leute auch zu trinken? Ich will, daß nichts versäumt wird.“ Er schritt an den Garben entlang, durch die Atmosphäre der heißen Ähren und heißen Menschen. Von einer Garbennehmerin, die hübsche Augen hatte, ließ er sich die Ackerwinden geben, die das Mädchen auf dem Strohhut hatte. Als er jedoch weiter dem Ellernbruch zuging, war er unzufrieden. Das müßte anders sein. Er müßte anders auf seine Leute wirken. Diese gleichgültigen Augen wollte er nicht. Teufel! Wenn man auf seine eigenen Arbeiter nicht wirkt, wo will man denn Effekt machen!

Im Ellernbruch fand Günther eine lange, bunte Gestalt im Grase liegen. Wie kam all das hierher? Der blau und weiß gestreifte Sommerflanell, das blauseidene Hemd, der rot und blau gestreifte Gürtel?

„Hans Berkow,“ sagte Günther.

„Morjen, Tarniff,“ meinte Berkow und gähnte. „Wie geht’s?“

„Was machst du hier?“

„Siesta. Nimm doch Platz.“

Günther setzte sich auf das Moos. Was der Anblick von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0030" n="28"/>
      <div n="1">
        <head>Fünftes Kapitel</head><lb/>
        <p>Günther wollte wirtschaften. Er ging auf das Feld hinaus. Es wurde gemäht. Brusttief regten sich die Leute in den Halmen, wie in knisternder, gelber Seide. Ziepe stand dabei und schimpfte: &#x201E;Du kleines, schwarzes Aas, heißt das Setzen? Du brauchst nur mit deiner Rotznase anzustoßen, dann purzelt die Bude um.&#x201C; Günther war sehr würdig und leutselig. &#x201E;Hier ist ungleich gemäht,&#x201C; bemerkte er. &#x201E;Haben die Leute auch zu trinken? Ich will, daß nichts versäumt wird.&#x201C; Er schritt an den Garben entlang, durch die Atmosphäre der heißen Ähren und heißen Menschen. Von einer Garbennehmerin, die hübsche Augen hatte, ließ er sich die Ackerwinden geben, die das Mädchen auf dem Strohhut hatte. Als er jedoch weiter dem Ellernbruch zuging, war er unzufrieden. Das müßte anders sein. Er müßte anders auf seine Leute wirken. Diese gleichgültigen Augen wollte er nicht. Teufel! Wenn man auf seine eigenen Arbeiter nicht wirkt, wo will man denn Effekt machen!</p>
        <p>Im Ellernbruch fand Günther eine lange, bunte Gestalt im Grase liegen. Wie kam all das hierher? Der blau und weiß gestreifte Sommerflanell, das blauseidene Hemd, der rot und blau gestreifte Gürtel?</p>
        <p>&#x201E;Hans Berkow,&#x201C; sagte Günther.</p>
        <p>&#x201E;Morjen, Tarniff,&#x201C; meinte Berkow und gähnte. &#x201E;Wie geht&#x2019;s?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Was machst du hier?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Siesta. Nimm doch Platz.&#x201C;</p>
        <p>Günther setzte sich auf das Moos. Was der Anblick von
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0030] Fünftes Kapitel Günther wollte wirtschaften. Er ging auf das Feld hinaus. Es wurde gemäht. Brusttief regten sich die Leute in den Halmen, wie in knisternder, gelber Seide. Ziepe stand dabei und schimpfte: „Du kleines, schwarzes Aas, heißt das Setzen? Du brauchst nur mit deiner Rotznase anzustoßen, dann purzelt die Bude um.“ Günther war sehr würdig und leutselig. „Hier ist ungleich gemäht,“ bemerkte er. „Haben die Leute auch zu trinken? Ich will, daß nichts versäumt wird.“ Er schritt an den Garben entlang, durch die Atmosphäre der heißen Ähren und heißen Menschen. Von einer Garbennehmerin, die hübsche Augen hatte, ließ er sich die Ackerwinden geben, die das Mädchen auf dem Strohhut hatte. Als er jedoch weiter dem Ellernbruch zuging, war er unzufrieden. Das müßte anders sein. Er müßte anders auf seine Leute wirken. Diese gleichgültigen Augen wollte er nicht. Teufel! Wenn man auf seine eigenen Arbeiter nicht wirkt, wo will man denn Effekt machen! Im Ellernbruch fand Günther eine lange, bunte Gestalt im Grase liegen. Wie kam all das hierher? Der blau und weiß gestreifte Sommerflanell, das blauseidene Hemd, der rot und blau gestreifte Gürtel? „Hans Berkow,“ sagte Günther. „Morjen, Tarniff,“ meinte Berkow und gähnte. „Wie geht’s?“ „Was machst du hier?“ „Siesta. Nimm doch Platz.“ Günther setzte sich auf das Moos. Was der Anblick von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/30
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/30>, abgerufen am 22.12.2024.