Es ist ein engherziger Gedanke, die menschliche Natur für das höchste und vortrefflichste Meisterstück zu halten und dabey die sowohl tiefer als höher liegenden Naturen unberück- sichtigt zu lassen, da uns schon die einfachsten Analogieen aus unsern Ordnungen dahin führen, daß die menschliche Natur nur als Mittelglied zwischen eine Uebernatur und Unnatur gestellt ist.
Es giebt drey große Proportionen, welche der mensch- lichen Natur zugehören, 1) die Proportion von Schwere, Wärme und Licht, welche die physische Ordnung füllen und das Reich der Bewegung darstellen, 2) die Proportion von Reproduction, Irritabilität und Sensibilität, welche die organische Ordnung füllen und das Reich des Lebens darstellen, und 3) die Proportion von Denken, Fühlen und Wollen, welche die moralische Ordnung füllen und das Reich der Handlung oder der Zwecke darstellen.
So lange nun diese Proportionen in den Werthen ihrer Glieder eine gewisse Gränze nicht überschreiten und zur Ein- heit zusammengehalten sind, so lange sehen wir auch einen voll- kommenen Zusammenhang von Gesetzen, Typen und Zwecken in denselben. Im Reiche der Bewegung gibt sich uns ein Zusammenhang von mechanischen und dynamischen Gesetzen, im Reiche des Lebens ein Zusammenhang von organischen und plastischen Gesetzen, und im Reiche der Handlung ein Zusammenhang von logischen und moralischen Gesetzen zu erkennen. Alle aber greifen in einander und darin liegt der allgemeine Zusammenhang von Vernunft- und Natur- gesetzen, wie wir ihn in uns, außer uns und um uns haben. Die physische Proportion gestaltet sich in den veränderlichen Werthen ihrer Glieder zur Dignität unserer Sphärenwelt, die organische Proportion auf gleiche Weise zur Dignität unserer Individualwelt, und eben so die moralische Pro- portion zur Dignität des Reiches der Persönlichkeiten. Alle drey aber konstituiren die menschliche Natur gerade, wie sie uns in ihrer Subjectivität und Objectivität erscheint.
Von der Unnatur uͤberhaupt.
Es iſt ein engherziger Gedanke, die menſchliche Natur für das höchſte und vortrefflichſte Meiſterſtück zu halten und dabey die ſowohl tiefer als höher liegenden Naturen unberück- ſichtigt zu laſſen, da uns ſchon die einfachſten Analogieen aus unſern Ordnungen dahin führen, daß die menſchliche Natur nur als Mittelglied zwiſchen eine Uebernatur und Unnatur geſtellt iſt.
Es giebt drey große Proportionen, welche der menſch- lichen Natur zugehören, 1) die Proportion von Schwere, Wärme und Licht, welche die phyſiſche Ordnung füllen und das Reich der Bewegung darſtellen, 2) die Proportion von Reproduction, Irritabilität und Senſibilität, welche die organiſche Ordnung füllen und das Reich des Lebens darſtellen, und 3) die Proportion von Denken, Fühlen und Wollen, welche die moraliſche Ordnung füllen und das Reich der Handlung oder der Zwecke darſtellen.
So lange nun dieſe Proportionen in den Werthen ihrer Glieder eine gewiſſe Gränze nicht überſchreiten und zur Ein- heit zuſammengehalten ſind, ſo lange ſehen wir auch einen voll- kommenen Zuſammenhang von Geſetzen, Typen und Zwecken in denſelben. Im Reiche der Bewegung gibt ſich uns ein Zuſammenhang von mechaniſchen und dynamiſchen Geſetzen, im Reiche des Lebens ein Zuſammenhang von organiſchen und plaſtiſchen Geſetzen, und im Reiche der Handlung ein Zuſammenhang von logiſchen und moraliſchen Geſetzen zu erkennen. Alle aber greifen in einander und darin liegt der allgemeine Zuſammenhang von Vernunft- und Natur- geſetzen, wie wir ihn in uns, außer uns und um uns haben. Die phyſiſche Proportion geſtaltet ſich in den veränderlichen Werthen ihrer Glieder zur Dignität unſerer Sphärenwelt, die organiſche Proportion auf gleiche Weiſe zur Dignität unſerer Individualwelt, und eben ſo die moraliſche Pro- portion zur Dignität des Reiches der Perſönlichkeiten. Alle drey aber konſtituiren die menſchliche Natur gerade, wie ſie uns in ihrer Subjectivität und Objectivität erſcheint.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0135"n="121"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Von der Unnatur uͤberhaupt</hi>.</head><lb/><p>Es iſt ein engherziger Gedanke, die menſchliche Natur<lb/>
für das höchſte <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> vortrefflichſte Meiſterſtück zu halten und<lb/>
dabey die ſowohl tiefer als höher liegenden Naturen unberück-<lb/>ſichtigt zu laſſen, da uns ſchon die einfachſten Analogieen aus<lb/>
unſern Ordnungen dahin führen, daß die menſchliche Natur<lb/>
nur als Mittelglied zwiſchen eine Uebernatur und Unnatur<lb/>
geſtellt iſt.</p><lb/><p>Es giebt drey große Proportionen, welche der menſch-<lb/>
lichen Natur zugehören, 1) die Proportion von Schwere,<lb/>
Wärme und Licht, welche die phyſiſche Ordnung füllen<lb/>
und das Reich der Bewegung darſtellen, 2) die Proportion<lb/>
von Reproduction, Irritabilität und Senſibilität, welche<lb/>
die organiſche Ordnung füllen und das Reich des Lebens<lb/>
darſtellen, und 3) die Proportion von Denken, Fühlen<lb/>
und Wollen, welche die moraliſche Ordnung füllen und das<lb/>
Reich der Handlung oder der Zwecke darſtellen.</p><lb/><p>So lange nun dieſe Proportionen in den Werthen ihrer<lb/>
Glieder eine gewiſſe Gränze nicht überſchreiten und zur Ein-<lb/>
heit zuſammengehalten ſind, ſo lange ſehen wir auch einen voll-<lb/>
kommenen Zuſammenhang von Geſetzen, Typen und Zwecken<lb/>
in denſelben. Im Reiche der Bewegung gibt ſich uns ein<lb/>
Zuſammenhang von mechaniſchen und dynamiſchen Geſetzen,<lb/>
im Reiche des Lebens ein Zuſammenhang von organiſchen<lb/>
und plaſtiſchen Geſetzen, und im Reiche der Handlung ein<lb/>
Zuſammenhang von logiſchen und moraliſchen Geſetzen zu<lb/>
erkennen. Alle aber greifen in einander und darin liegt<lb/>
der allgemeine Zuſammenhang von Vernunft- und Natur-<lb/>
geſetzen, wie wir ihn in uns, außer uns und um uns haben.<lb/>
Die phyſiſche Proportion geſtaltet ſich in den veränderlichen<lb/>
Werthen ihrer Glieder zur Dignität unſerer Sphärenwelt,<lb/>
die organiſche Proportion auf gleiche Weiſe zur Dignität<lb/>
unſerer Individualwelt, und eben ſo die moraliſche Pro-<lb/>
portion zur Dignität des Reiches der Perſönlichkeiten. Alle<lb/>
drey aber konſtituiren die menſchliche Natur gerade, wie<lb/>ſie uns in ihrer Subjectivität und Objectivität erſcheint.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[121/0135]
Von der Unnatur uͤberhaupt.
Es iſt ein engherziger Gedanke, die menſchliche Natur
für das höchſte und vortrefflichſte Meiſterſtück zu halten und
dabey die ſowohl tiefer als höher liegenden Naturen unberück-
ſichtigt zu laſſen, da uns ſchon die einfachſten Analogieen aus
unſern Ordnungen dahin führen, daß die menſchliche Natur
nur als Mittelglied zwiſchen eine Uebernatur und Unnatur
geſtellt iſt.
Es giebt drey große Proportionen, welche der menſch-
lichen Natur zugehören, 1) die Proportion von Schwere,
Wärme und Licht, welche die phyſiſche Ordnung füllen
und das Reich der Bewegung darſtellen, 2) die Proportion
von Reproduction, Irritabilität und Senſibilität, welche
die organiſche Ordnung füllen und das Reich des Lebens
darſtellen, und 3) die Proportion von Denken, Fühlen
und Wollen, welche die moraliſche Ordnung füllen und das
Reich der Handlung oder der Zwecke darſtellen.
So lange nun dieſe Proportionen in den Werthen ihrer
Glieder eine gewiſſe Gränze nicht überſchreiten und zur Ein-
heit zuſammengehalten ſind, ſo lange ſehen wir auch einen voll-
kommenen Zuſammenhang von Geſetzen, Typen und Zwecken
in denſelben. Im Reiche der Bewegung gibt ſich uns ein
Zuſammenhang von mechaniſchen und dynamiſchen Geſetzen,
im Reiche des Lebens ein Zuſammenhang von organiſchen
und plaſtiſchen Geſetzen, und im Reiche der Handlung ein
Zuſammenhang von logiſchen und moraliſchen Geſetzen zu
erkennen. Alle aber greifen in einander und darin liegt
der allgemeine Zuſammenhang von Vernunft- und Natur-
geſetzen, wie wir ihn in uns, außer uns und um uns haben.
Die phyſiſche Proportion geſtaltet ſich in den veränderlichen
Werthen ihrer Glieder zur Dignität unſerer Sphärenwelt,
die organiſche Proportion auf gleiche Weiſe zur Dignität
unſerer Individualwelt, und eben ſo die moraliſche Pro-
portion zur Dignität des Reiches der Perſönlichkeiten. Alle
drey aber konſtituiren die menſchliche Natur gerade, wie
ſie uns in ihrer Subjectivität und Objectivität erſcheint.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/135>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.