Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610.Leuten gleichmässige neygung vnd anmuhtung zu seiner Person/ vnd durch sein Thun vnd lassen jhme gleichmässiges Glück vervrsache: dadurch dann (so wol als durch der Mutter Eynbildungen vor der Geburt/ vnd durch die Auffzucht nach der Geburt) ein sehr grosser Vnterscheidt vnter den Leuten gemacht wirdt/ daß einer wacker/ mvnder/ fröhlich/ trauwsam: Der ander schläfferig/ träg/ nachlässig/ liechtscheuh/ vergessentlich/ zag wirdt/ vnd was dergleichen für general Eygenschafften seynd/ die sich den schönen vnd genauwen oder weytschichtigen vnformlichen figurationibus, auch gegen den Farben vnd Bewegungen der Planeten vergleichen. Dieser Character wirdt empfangen nicht in den Leib/ dann dieser ist viel zu vngeschickt hierzu/ sondern in die Natur der Seelen selbsten/ die sich verhält wie ein Punct/ darvmb sie auch in den Puncten deß confluxus radiorum mag transformiert werden/ vnnd die da nicht nur deren Vernunfft theilhafftig ist/ von deren wir Menschen vor andern lebenden Creaturen vernünfftig genennet werden/ sondern sie hat auch ein andere eyngepflantzte Vernunfft die Geometriam so wol in den radiis als in den vocibus, oder in der Musica, ohn langes erlernen/ im ersten Augenblick zu begreiffen. Gleich wie es mit dem Schwimmen/ vnd mit dem aufrecht eynhergehen beschaffen/ das muß der Mensch mit grosser Mühe vnd langer weil lernen: ein Kalb kan es von Natur vngelernet. LXVI. Zum andern vnd ferrners/ gleich wie ein jedes Kraut seine Zeit trifft/ wann es zeitigen oder blühen solle/ Welche Zeit demselben in der Erschaffung vorgeschrieben/ vnd durch eusserliche Wärme vnd andere Mittel zwar etwas erlängert oder verkürtzet/ aber niemalen gar verkehret werden mag: also empfähet auch deß Menschen Natur im eyntritt jhres Lebens nicht nur ein augenblickliches Bilde des Himmels/ sondern auch den Lauff desselbigen/ wie er hienieden auff Erden scheinet/ etliche Tage nacheinander/ vnd gewinnet auß diesem Lauff jhre Art zu gewissen Jahren diesen oder jenen humorem zu Liijv
Leuten gleichmässige neygung vnd anmuhtung zu seiner Person/ vnd durch sein Thun vnd lassen jhme gleichmässiges Glück vervrsache: dadurch dann (so wol als durch der Mutter Eynbildungen vor der Geburt/ vnd durch die Auffzucht nach der Geburt) ein sehr grosser Vnterscheidt vnter den Leuten gemacht wirdt/ daß einer wacker/ mvnder/ fröhlich/ trauwsam: Der ander schläfferig/ träg/ nachlässig/ liechtscheuh/ vergessentlich/ zag wirdt/ vnd was dergleichen für general Eygenschafften seynd/ die sich den schönen vnd genauwen oder weytschichtigen vnformlichen figurationibus, auch gegen den Farben vnd Bewegungen der Planeten vergleichen. Dieser Character wirdt empfangen nicht in den Leib/ dann dieser ist viel zu vngeschickt hierzu/ sondern in die Natur der Seelen selbsten/ die sich verhält wie ein Punct/ darvmb sie auch in den Puncten deß confluxus radiorum mag transformiert werden/ vnnd die da nicht nur deren Vernunfft theilhafftig ist/ von deren wir Menschen vor andern lebenden Creaturen vernünfftig genennet werden/ sondern sie hat auch ein andere eyngepflantzte Vernunfft die Geometriam so wol in den radiis als in den vocibus, oder in der Musica, ohn langes erlernen/ im ersten Augenblick zu begreiffen. Gleich wie es mit dem Schwimmen/ vnd mit dem aufrecht eynhergehen beschaffen/ das muß der Mensch mit grosser Mühe vnd langer weil lernen: ein Kalb kan es von Natur vngelernet. LXVI. Zum andern vnd ferrners/ gleich wie ein jedes Kraut seine Zeit trifft/ wann es zeitigen oder blühen solle/ Welche Zeit demselben in der Erschaffung vorgeschrieben/ vnd durch eusserliche Wärme vnd andere Mittel zwar etwas erlängert oder verkürtzet/ aber niemalen gar verkehret werden mag: also empfähet auch deß Menschen Natur im eyntritt jhres Lebens nicht nur ein augenblickliches Bilde des Himmels/ sondern auch den Lauff desselbigen/ wie er hienieden auff Erden scheinet/ etliche Tage nacheinander/ vnd gewinnet auß diesem Lauff jhre Art zu gewissen Jahren diesen oder jenen humorem zu Liijv
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Leuten gleichmässige neygung vnd anmuhtung zu seiner Person/ vnd durch sein Thun vnd lassen jhme gleichmässiges Glück vervrsache: dadurch dann (so wol als durch der Mutter Eynbildungen vor der Geburt/ vnd durch die Auffzucht nach der Geburt) ein sehr grosser Vnterscheidt vnter den Leuten gemacht wirdt/ daß einer wacker/ mvnder/ fröhlich/ trauwsam: Der ander schläfferig/ träg/ nachlässig/ liechtscheuh/ vergessentlich/ zag wirdt/ vnd was dergleichen für general Eygenschafften seynd/ die sich den schönen vnd genauwen oder weytschichtigen vnformlichen figurationibus, auch gegen den Farben vnd Bewegungen der Planeten vergleichen.
Dieser Character wirdt empfangen nicht in den Leib/ dann dieser ist viel zu vngeschickt hierzu/ sondern in die Natur der Seelen selbsten/ die sich verhält wie ein Punct/ darvmb sie auch in den Puncten deß confluxus radiorum mag transformiert werden/ vnnd die da nicht nur deren Vernunfft theilhafftig ist/ von deren wir Menschen vor andern lebenden Creaturen vernünfftig genennet werden/ sondern sie hat auch ein andere eyngepflantzte Vernunfft die Geometriam so wol in den radiis als in den vocibus, oder in der Musica, ohn langes erlernen/ im ersten Augenblick zu begreiffen.
Gleich wie es mit dem Schwimmen/ vnd mit dem aufrecht eynhergehen beschaffen/ das muß der Mensch mit grosser Mühe vnd langer weil lernen: ein Kalb kan es von Natur vngelernet.
LXVI.
Zum andern vnd ferrners/ gleich wie ein jedes Kraut seine Zeit trifft/ wann es zeitigen oder blühen solle/ Welche Zeit demselben in der Erschaffung vorgeschrieben/ vnd durch eusserliche Wärme vnd andere Mittel zwar etwas erlängert oder verkürtzet/ aber niemalen gar verkehret werden mag: also empfähet auch deß Menschen Natur im eyntritt jhres Lebens nicht nur ein augenblickliches Bilde des Himmels/ sondern auch den Lauff desselbigen/ wie er hienieden auff Erden scheinet/ etliche Tage nacheinander/ vnd gewinnet auß diesem Lauff jhre Art zu gewissen Jahren diesen oder jenen humorem zu
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Zitationshilfe: | Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610, S. [Liijv]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keppler_tertius_1610/103>, abgerufen am 22.07.2024. |