Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610.Erdenkugel stecket ein Geistische Natur/ der Geometria fähig/ welche sich ab den Geometrischen vnd Harmonischen Verbindungen der himmlischen Liechtstraalen ex instinctu creatoris, sine ratiocinatione erquicket/ vnnd zum Gebrauch jhrer Kräfften selbst auffmundert vnd antreibt. Ob alle Kräutter vnd Thier diese Facultet so wol als die Erdtkugel in jhnen haben/ kan ich nicht sagen. Kein vngläublich ding ist es nicht/ dann sie haben zum wenigsten dergleichen andere Faculteten: Als daß die Form in einem jeden Kraut jhre Zierdt weiß zu bestellen/ der Blumen jhre Farb gibt/ nicht materialiter, sondern gar formaliter, auch jhre gewisse Zahl von Blättern hat: Daß die Mutter Matrix, vnnd der Saame so dreyn fället/ eine solche wunderbarliche Krafft hat alle Glieder in gebührender zu zubereytten/ da dann der Esel dem Menschen nichts bevor gibt/ sondern es ist vberall der instinctus diuinus, rationis particeps vnd gar nicht deß Menschens eygne Witz. Daß aber auch der Mensch mit seiner Seel vnnd deroselben nideren Kräfften ein solche Verwandtnuß mit dem Himmel habe wie der Erdtboden/ mag in viel wege probiert vnnd erwiesen werden: deren ein jedweder ein Edels Perl auß der Astrologia ist/ keines wegs mit der Astrologia zu verwerffen/ sondern fleissig auffzubehalten vnd zu erklären. LXV. Dann erstlich mag ich mich dieser Experientz mit Warheit rühmen/ daß der Mensch in der ersten Entzündung seines Lebens/ wann er nun für sich selbst lebt/ vnnd nicht mehr in Mutterleib bleiben kan/ einen Characterem vnd Abbildung empfahe totius constellationis coelestis, seu formae confluxus radiorum in terra, vnd denselben biß in sein Grube hieneyn behalte: Der sich hernach in formierung deß Angesichts vnd der vbrigen Leibsgestallt/ so wol in deß Menschen Handel vnd Wandel/ Sitten vnd Geberden mercklich spüren lasse/ also daß er auch durch die Gestallt deß Leibs bey andern Lijr
Erdenkugel stecket ein Geistische Natur/ der Geometria fähig/ welche sich ab den Geometrischen vnd Harmonischen Verbindungen der himmlischen Liechtstraalen ex instinctu creatoris, sine ratiocinatione erquicket/ vnnd zum Gebrauch jhrer Kräfften selbst auffmundert vnd antreibt. Ob alle Kräutter vnd Thier diese Facultet so wol als die Erdtkugel in jhnen haben/ kan ich nicht sagen. Kein vngläublich ding ist es nicht/ dann sie haben zum wenigsten dergleichen andere Faculteten: Als daß die Form in einem jeden Kraut jhre Zierdt weiß zu bestellen/ der Blumen jhre Farb gibt/ nicht materialiter, sondern gar formaliter, auch jhre gewisse Zahl von Blättern hat: Daß die Mutter Matrix, vnnd der Saame so dreyn fället/ eine solche wunderbarliche Krafft hat alle Glieder in gebührender zu zubereytten/ da dann der Esel dem Menschen nichts bevor gibt/ sondern es ist vberall der instinctus diuinus, rationis particeps vnd gar nicht deß Menschens eygne Witz. Daß aber auch der Mensch mit seiner Seel vnnd deroselben nideren Kräfften ein solche Verwandtnuß mit dem Himmel habe wie der Erdtboden/ mag in viel wege probiert vnnd erwiesen werden: deren ein jedweder ein Edels Perl auß der Astrologia ist/ keines wegs mit der Astrologia zu verwerffen/ sondern fleissig auffzubehalten vnd zu erklären. LXV. Dann erstlich mag ich mich dieser Experientz mit Warheit rühmen/ daß der Mensch in der ersten Entzündung seines Lebens/ wann er nun für sich selbst lebt/ vnnd nicht mehr in Mutterleib bleiben kan/ einen Characterem vnd Abbildung empfahe totius constellationis coelestis, seu formae confluxus radiorum in terra, vnd denselben biß in sein Grube hieneyn behalte: Der sich hernach in formierung deß Angesichts vnd der vbrigen Leibsgestallt/ so wol in deß Menschen Handel vnd Wandel/ Sitten vnd Geberden mercklich spüren lasse/ also daß er auch durch die Gestallt deß Leibs bey andern Lijr
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Erdenkugel stecket ein Geistische Natur/ der Geometria fähig/ welche sich ab den Geometrischen vnd Harmonischen Verbindungen der himmlischen Liechtstraalen ex instinctu creatoris, sine ratiocinatione erquicket/ vnnd zum Gebrauch jhrer Kräfften selbst auffmundert vnd antreibt.
Ob alle Kräutter vnd Thier diese Facultet so wol als die Erdtkugel in jhnen haben/ kan ich nicht sagen. Kein vngläublich ding ist es nicht/ dann sie haben zum wenigsten dergleichen andere Faculteten: Als daß die Form in einem jeden Kraut jhre Zierdt weiß zu bestellen/ der Blumen jhre Farb gibt/ nicht materialiter, sondern gar formaliter, auch jhre gewisse Zahl von Blättern hat: Daß die Mutter Matrix, vnnd der Saame so dreyn fället/ eine solche wunderbarliche Krafft hat alle Glieder in gebührender zu zubereytten/ da dann der Esel dem Menschen nichts bevor gibt/ sondern es ist vberall der instinctus diuinus, rationis particeps vnd gar nicht deß Menschens eygne Witz.
Daß aber auch der Mensch mit seiner Seel vnnd deroselben nideren Kräfften ein solche Verwandtnuß mit dem Himmel habe wie der Erdtboden/ mag in viel wege probiert vnnd erwiesen werden: deren ein jedweder ein Edels Perl auß der Astrologia ist/ keines wegs mit der Astrologia zu verwerffen/ sondern fleissig auffzubehalten vnd zu erklären.
LXV.
Dann erstlich mag ich mich dieser Experientz mit Warheit rühmen/ daß der Mensch in der ersten Entzündung seines Lebens/ wann er nun für sich selbst lebt/ vnnd nicht mehr in Mutterleib bleiben kan/ einen Characterem vnd Abbildung empfahe totius constellationis coelestis, seu formae confluxus radiorum in terra, vnd denselben biß in sein Grube hieneyn behalte: Der sich hernach in formierung deß Angesichts vnd der vbrigen Leibsgestallt/ so wol in deß Menschen Handel vnd Wandel/ Sitten vnd Geberden mercklich spüren lasse/ also daß er auch durch die Gestallt deß Leibs bey andern
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Zitationshilfe: | Kepler, Johannes: Tertius interveniens. Franckfurt am Mäyn, 1610, S. [Lijr]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keppler_tertius_1610/102>, abgerufen am 22.07.2024. |