Galen, und nach ihm alle Alten, ja auch viele Neuere waren der Meinung, daß die Luft- röhre einen ganz besondern, und nothwendigen An- theil an der Stimme hat, bis Dodart klar zeigte, (*) daß sie nur in so weit zur Stimme beyträgt, als sie der nothwendige Kanal ist, der die Luft aus der Lunge dem Stimmhäutchen zuführt, daß sie aber zum Zittern der Luft gar nichts wirket, sondern hier nur das ist, was bey der Orgel die Windlade. Auch ich war, als ich schon lange dem Gedanken einer sprechenden Maschine nachhieng, immer auf diesem Jrrwege. Wenn ich unter dem Sprechen den Finger gleich ober dem Brustbein an die Luftröhre hielt, so fühlte ich ihr Zittern offen- bar. Dieß hielt mich immer bey dem Gedanken feste, daß man einen solchen zitternden Schlauch nachahmen müßte, wenn man durch eine Maschine sprechen wollte. Aber da zeigten sich tausend un-
über-
(*)Sur la formation de la voix, par Monsieur Dodart.
E 4
Von den Werkzeugen der Sprache.
§. 36.
Galen, und nach ihm alle Alten, ja auch viele Neuere waren der Meinung, daß die Luft- roͤhre einen ganz beſondern, und nothwendigen An- theil an der Stimme hat, bis Dodart klar zeigte, (*) daß ſie nur in ſo weit zur Stimme beytraͤgt, als ſie der nothwendige Kanal iſt, der die Luft aus der Lunge dem Stimmhaͤutchen zufuͤhrt, daß ſie aber zum Zittern der Luft gar nichts wirket, ſondern hier nur das iſt, was bey der Orgel die Windlade. Auch ich war, als ich ſchon lange dem Gedanken einer ſprechenden Maſchine nachhieng, immer auf dieſem Jrrwege. Wenn ich unter dem Sprechen den Finger gleich ober dem Bruſtbein an die Luftroͤhre hielt, ſo fuͤhlte ich ihr Zittern offen- bar. Dieß hielt mich immer bey dem Gedanken feſte, daß man einen ſolchen zitternden Schlauch nachahmen muͤßte, wenn man durch eine Maſchine ſprechen wollte. Aber da zeigten ſich tauſend un-
uͤber-
(*)Sur la formation de la voix, par Monſieur Dodart.
E 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0099"n="71"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von den Werkzeugen der Sprache</hi>.</fw><lb/><divn="3"><head>§. 36.</head><lb/><p>Galen, und nach ihm alle Alten, ja auch<lb/>
viele Neuere waren der Meinung, daß die Luft-<lb/>
roͤhre einen ganz beſondern, und nothwendigen An-<lb/>
theil an der Stimme hat, bis <hirendition="#aq">Dodart</hi> klar zeigte,<lb/><noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#aq">Sur la formation de la voix, par Monſieur<lb/>
Dodart.</hi></note> daß ſie nur in ſo weit zur Stimme beytraͤgt,<lb/>
als ſie der nothwendige Kanal iſt, der die Luft<lb/>
aus der Lunge dem Stimmhaͤutchen zufuͤhrt, daß<lb/>ſie aber zum Zittern der Luft gar nichts wirket,<lb/>ſondern hier nur das iſt, was bey der Orgel die<lb/>
Windlade. Auch ich war, als ich ſchon lange dem<lb/>
Gedanken einer ſprechenden Maſchine nachhieng,<lb/>
immer auf dieſem Jrrwege. Wenn ich unter dem<lb/>
Sprechen den Finger gleich ober dem Bruſtbein an<lb/>
die Luftroͤhre hielt, ſo fuͤhlte ich ihr Zittern offen-<lb/>
bar. Dieß hielt mich immer bey dem Gedanken<lb/>
feſte, daß man einen ſolchen zitternden Schlauch<lb/>
nachahmen muͤßte, wenn man durch eine Maſchine<lb/>ſprechen wollte. Aber da zeigten ſich tauſend un-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">uͤber-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[71/0099]
Von den Werkzeugen der Sprache.
§. 36.
Galen, und nach ihm alle Alten, ja auch
viele Neuere waren der Meinung, daß die Luft-
roͤhre einen ganz beſondern, und nothwendigen An-
theil an der Stimme hat, bis Dodart klar zeigte,
(*) daß ſie nur in ſo weit zur Stimme beytraͤgt,
als ſie der nothwendige Kanal iſt, der die Luft
aus der Lunge dem Stimmhaͤutchen zufuͤhrt, daß
ſie aber zum Zittern der Luft gar nichts wirket,
ſondern hier nur das iſt, was bey der Orgel die
Windlade. Auch ich war, als ich ſchon lange dem
Gedanken einer ſprechenden Maſchine nachhieng,
immer auf dieſem Jrrwege. Wenn ich unter dem
Sprechen den Finger gleich ober dem Bruſtbein an
die Luftroͤhre hielt, ſo fuͤhlte ich ihr Zittern offen-
bar. Dieß hielt mich immer bey dem Gedanken
feſte, daß man einen ſolchen zitternden Schlauch
nachahmen muͤßte, wenn man durch eine Maſchine
ſprechen wollte. Aber da zeigten ſich tauſend un-
uͤber-
(*) Sur la formation de la voix, par Monſieur
Dodart.
E 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/99>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.