jemand in einer Gesellschaft tief in Gedanken ver- senkt dasitzt, und unvermuthet angeredet wird, ist seine erste Verrichtung eine starke Portion Luft ein- zuschlucken. Dieses thut er aus zwey Absichten, er- stens die Lebensgeister, die zu einem neuen Gegen- stand aufgefordert werden, mit neuer Kraft zu be- leben, und zweytens die Lunge mit Luft stark zu füllen, um zu der Antwort, die er geben soll, so- gleich bereit zu seyn.
§. 33.
Selbst Veränderungen, die in der Seele vor- gehen, wirken auf das Athemholen. Schröcken, Furcht, Zorn, Mitleid, Freude, Liebe, alles hat seinen Einfluß eben so auf die Lunge, wie auf das Herz, welche beyde überhaupt einander sowohl durch ihre nahe Lage, als andere genaue Verbindungen ohnedieß sehr verwandt sind. Aber nicht nur solche mächtige Gemüthsbewegungen oder Leidenschaften thun das, sondern auch eine jede Kleinigkeit hat da nach Verhältniß seine Wirkung. Wenn der Geist seine Aufmerksamkeit auf den geringsten Gegenstand,
auf
III. Abtheilung.
jemand in einer Geſellſchaft tief in Gedanken ver- ſenkt daſitzt, und unvermuthet angeredet wird, iſt ſeine erſte Verrichtung eine ſtarke Portion Luft ein- zuſchlucken. Dieſes thut er aus zwey Abſichten, er- ſtens die Lebensgeiſter, die zu einem neuen Gegen- ſtand aufgefordert werden, mit neuer Kraft zu be- leben, und zweytens die Lunge mit Luft ſtark zu fuͤllen, um zu der Antwort, die er geben ſoll, ſo- gleich bereit zu ſeyn.
§. 33.
Selbſt Veraͤnderungen, die in der Seele vor- gehen, wirken auf das Athemholen. Schroͤcken, Furcht, Zorn, Mitleid, Freude, Liebe, alles hat ſeinen Einfluß eben ſo auf die Lunge, wie auf das Herz, welche beyde uͤberhaupt einander ſowohl durch ihre nahe Lage, als andere genaue Verbindungen ohnedieß ſehr verwandt ſind. Aber nicht nur ſolche maͤchtige Gemuͤthsbewegungen oder Leidenſchaften thun das, ſondern auch eine jede Kleinigkeit hat da nach Verhaͤltniß ſeine Wirkung. Wenn der Geiſt ſeine Aufmerkſamkeit auf den geringſten Gegenſtand,
auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0094"n="66"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III</hi>. Abtheilung.</hi></fw><lb/>
jemand in einer Geſellſchaft tief in Gedanken ver-<lb/>ſenkt daſitzt, und unvermuthet angeredet wird, iſt<lb/>ſeine erſte Verrichtung eine ſtarke Portion Luft ein-<lb/>
zuſchlucken. Dieſes thut er aus zwey Abſichten, er-<lb/>ſtens die Lebensgeiſter, die zu einem neuen Gegen-<lb/>ſtand aufgefordert werden, mit neuer Kraft zu be-<lb/>
leben, und zweytens die Lunge mit Luft ſtark zu<lb/>
fuͤllen, um zu der Antwort, die er geben ſoll, ſo-<lb/>
gleich bereit zu ſeyn.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 33.</head><lb/><p>Selbſt Veraͤnderungen, die in der Seele vor-<lb/>
gehen, wirken auf das Athemholen. Schroͤcken,<lb/>
Furcht, Zorn, Mitleid, Freude, Liebe, alles hat<lb/>ſeinen Einfluß eben ſo auf die Lunge, wie auf das<lb/>
Herz, welche beyde uͤberhaupt einander ſowohl durch<lb/>
ihre nahe Lage, als andere genaue Verbindungen<lb/>
ohnedieß ſehr verwandt ſind. Aber nicht nur ſolche<lb/>
maͤchtige Gemuͤthsbewegungen oder Leidenſchaften<lb/>
thun das, ſondern auch eine jede Kleinigkeit hat da<lb/>
nach Verhaͤltniß ſeine Wirkung. Wenn der Geiſt<lb/>ſeine Aufmerkſamkeit auf den geringſten Gegenſtand,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auf</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[66/0094]
III. Abtheilung.
jemand in einer Geſellſchaft tief in Gedanken ver-
ſenkt daſitzt, und unvermuthet angeredet wird, iſt
ſeine erſte Verrichtung eine ſtarke Portion Luft ein-
zuſchlucken. Dieſes thut er aus zwey Abſichten, er-
ſtens die Lebensgeiſter, die zu einem neuen Gegen-
ſtand aufgefordert werden, mit neuer Kraft zu be-
leben, und zweytens die Lunge mit Luft ſtark zu
fuͤllen, um zu der Antwort, die er geben ſoll, ſo-
gleich bereit zu ſeyn.
§. 33.
Selbſt Veraͤnderungen, die in der Seele vor-
gehen, wirken auf das Athemholen. Schroͤcken,
Furcht, Zorn, Mitleid, Freude, Liebe, alles hat
ſeinen Einfluß eben ſo auf die Lunge, wie auf das
Herz, welche beyde uͤberhaupt einander ſowohl durch
ihre nahe Lage, als andere genaue Verbindungen
ohnedieß ſehr verwandt ſind. Aber nicht nur ſolche
maͤchtige Gemuͤthsbewegungen oder Leidenſchaften
thun das, ſondern auch eine jede Kleinigkeit hat da
nach Verhaͤltniß ſeine Wirkung. Wenn der Geiſt
ſeine Aufmerkſamkeit auf den geringſten Gegenſtand,
auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/94>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.