Einem der zu seinem Nachbarn etwas ins Geheim spricht, an dem Munde ansieht, was er sagt, und das zwar, weil wir gewohnt sind, demjenigen, der zu uns spricht, meist auf den Mund zu sehen so, daß das Auge mit dem Ohre zugleich die Worte auffängt, und was dem letzteren entgangen ist, durch das erstere ergänzt wird. Wir sehen das an denen, die ein schwaches Gehör haben. Sie ver- schaffen sich eine große Hülfe dadurch, daß sie dem sprechenden immer auf den Mund sehen.(*)
§. 14.
Da künftig nur von der menschlichen Stimm- oder Wortsprache die Rede seyn wird, so wollen wir unter dem Worte Sprache immer diese ver-
standen
(*) Einer meiner Freunde ist durch langen Umgang mit den Bewegungen meines Mundes so bekannt gewor- den, daß ich ihm bey einer Tafel, an der wir uns ge- genübersitzen, alles und in verschiedenen Sprachen ver- ständlich sagen kann, ohne daß jemand von den Gästen eine Sylbe oder nur einen Hauch höret. Wir haben die- ses zum Scherz oft versucht.
B 4
Von der Sprache uͤberhaupt.
Einem der zu ſeinem Nachbarn etwas ins Geheim ſpricht, an dem Munde anſieht, was er ſagt, und das zwar, weil wir gewohnt ſind, demjenigen, der zu uns ſpricht, meiſt auf den Mund zu ſehen ſo, daß das Auge mit dem Ohre zugleich die Worte auffaͤngt, und was dem letzteren entgangen iſt, durch das erſtere ergaͤnzt wird. Wir ſehen das an denen, die ein ſchwaches Gehoͤr haben. Sie ver- ſchaffen ſich eine große Huͤlfe dadurch, daß ſie dem ſprechenden immer auf den Mund ſehen.(*)
§. 14.
Da kuͤnftig nur von der menſchlichen Stimm- oder Wortſprache die Rede ſeyn wird, ſo wollen wir unter dem Worte Sprache immer dieſe ver-
ſtanden
(*) Einer meiner Freunde iſt durch langen Umgang mit den Bewegungen meines Mundes ſo bekannt gewor- den, daß ich ihm bey einer Tafel, an der wir uns ge- genuͤberſitzen, alles und in verſchiedenen Sprachen ver- ſtaͤndlich ſagen kann, ohne daß jemand von den Gaͤſten eine Sylbe oder nur einen Hauch hoͤret. Wir haben die- ſes zum Scherz oft verſucht.
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Von der Sprache uͤberhaupt.
Einem der zu ſeinem Nachbarn etwas ins Geheim
ſpricht, an dem Munde anſieht, was er ſagt, und
das zwar, weil wir gewohnt ſind, demjenigen, der
zu uns ſpricht, meiſt auf den Mund zu ſehen ſo,
daß das Auge mit dem Ohre zugleich die Worte
auffaͤngt, und was dem letzteren entgangen iſt,
durch das erſtere ergaͤnzt wird. Wir ſehen das an
denen, die ein ſchwaches Gehoͤr haben. Sie ver-
ſchaffen ſich eine große Huͤlfe dadurch, daß ſie dem
ſprechenden immer auf den Mund ſehen. (*)
§. 14.
Da kuͤnftig nur von der menſchlichen Stimm-
oder Wortſprache die Rede ſeyn wird, ſo wollen
wir unter dem Worte Sprache immer dieſe ver-
ſtanden
(*) Einer meiner Freunde iſt durch langen Umgang
mit den Bewegungen meines Mundes ſo bekannt gewor-
den, daß ich ihm bey einer Tafel, an der wir uns ge-
genuͤberſitzen, alles und in verſchiedenen Sprachen ver-
ſtaͤndlich ſagen kann, ohne daß jemand von den Gaͤſten
eine Sylbe oder nur einen Hauch hoͤret. Wir haben die-
ſes zum Scherz oft verſucht.
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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/51>, abgerufen am 22.02.2025.
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