Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Sprache überhaupt.
tzig, daß unsere Pantomime eine halbe Stunde dau-
erte. Sie erzählte mir ihre Herkunft, ihren bishe-
rigen Lebenslauf -- daß sie schon seit einigen Jah-
ren zu dem Abbe käme, daß sie nun schon ausgeler-
net hätte, daß sie vor dem Kaiser (der vor einiger
Zeit in Paris war) geprüft worden wäre, daß er sie
beschenkt hätte, daß sie dieses Geschenk, wie einen
Schatz in einem kleinen Kästchen verschlossen halte,
und daß sie es bis an ihr Ende als ein theures An-
gedenken aufbewahren würde. -- Hierzu war gewiß
die allgemeine Natursprache nicht hinlänglich, sie
mußte schon weit ausgebildet seyn, um alle diese
Begriffe auszudrücken.

§. 11.

Nebst dieser ausgebildeten Natursprache haben
diese Lepeischen und Storchischen Schüler auch noch
eine andere methodisch erlernte, und eine, wenn ich
sie so nennen darf, gelehrte Sprache, von der ich,
wenn sie untereinander sprachen, kein Wort verstand.
Sie besteht aus verabredten Handzeichen, die de
L'epee
zwar aus der Natur der Sache hergeholt zu

seyn
B 2

Von der Sprache uͤberhaupt.
tzig, daß unſere Pantomime eine halbe Stunde dau-
erte. Sie erzaͤhlte mir ihre Herkunft, ihren bishe-
rigen Lebenslauf — daß ſie ſchon ſeit einigen Jah-
ren zu dem Abbé kaͤme, daß ſie nun ſchon ausgeler-
net haͤtte, daß ſie vor dem Kaiſer (der vor einiger
Zeit in Paris war) gepruͤft worden waͤre, daß er ſie
beſchenkt haͤtte, daß ſie dieſes Geſchenk, wie einen
Schatz in einem kleinen Kaͤſtchen verſchloſſen halte,
und daß ſie es bis an ihr Ende als ein theures An-
gedenken aufbewahren wuͤrde. — Hierzu war gewiß
die allgemeine Naturſprache nicht hinlaͤnglich, ſie
mußte ſchon weit ausgebildet ſeyn, um alle dieſe
Begriffe auszudruͤcken.

§. 11.

Nebſt dieſer ausgebildeten Naturſprache haben
dieſe Lepeiſchen und Storchiſchen Schuͤler auch noch
eine andere methodiſch erlernte, und eine, wenn ich
ſie ſo nennen darf, gelehrte Sprache, von der ich,
wenn ſie untereinander ſprachen, kein Wort verſtand.
Sie beſteht aus verabredten Handzeichen, die de
L'épée
zwar aus der Natur der Sache hergeholt zu

ſeyn
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="19"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Sprache u&#x0364;berhaupt</hi>.</fw><lb/>
tzig, daß un&#x017F;ere Pantomime eine halbe Stunde dau-<lb/>
erte. Sie erza&#x0364;hlte mir ihre Herkunft, ihren bishe-<lb/>
rigen Lebenslauf &#x2014; daß &#x017F;ie &#x017F;chon &#x017F;eit einigen Jah-<lb/>
ren zu dem <hi rendition="#aq">Abbé</hi> ka&#x0364;me, daß &#x017F;ie nun &#x017F;chon ausgeler-<lb/>
net ha&#x0364;tte, daß &#x017F;ie vor dem Kai&#x017F;er (der vor einiger<lb/>
Zeit in Paris war) gepru&#x0364;ft worden wa&#x0364;re, daß er &#x017F;ie<lb/>
be&#x017F;chenkt ha&#x0364;tte, daß &#x017F;ie die&#x017F;es Ge&#x017F;chenk, wie einen<lb/>
Schatz in einem kleinen Ka&#x0364;&#x017F;tchen ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en halte,<lb/>
und daß &#x017F;ie es bis an ihr Ende als ein theures An-<lb/>
gedenken aufbewahren wu&#x0364;rde. &#x2014; Hierzu war gewiß<lb/>
die allgemeine Natur&#x017F;prache nicht hinla&#x0364;nglich, &#x017F;ie<lb/>
mußte &#x017F;chon weit ausgebildet &#x017F;eyn, um alle die&#x017F;e<lb/>
Begriffe auszudru&#x0364;cken.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 11.</head><lb/>
          <p>Neb&#x017F;t die&#x017F;er ausgebildeten Natur&#x017F;prache haben<lb/>
die&#x017F;e Lepei&#x017F;chen und Storchi&#x017F;chen Schu&#x0364;ler auch noch<lb/>
eine andere methodi&#x017F;ch erlernte, und eine, wenn ich<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o nennen darf, gelehrte Sprache, von der ich,<lb/>
wenn &#x017F;ie untereinander &#x017F;prachen, kein Wort ver&#x017F;tand.<lb/>
Sie be&#x017F;teht aus verabredten Handzeichen, die <hi rendition="#aq">de<lb/>
L'épée</hi> zwar aus der Natur der Sache hergeholt zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eyn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0047] Von der Sprache uͤberhaupt. tzig, daß unſere Pantomime eine halbe Stunde dau- erte. Sie erzaͤhlte mir ihre Herkunft, ihren bishe- rigen Lebenslauf — daß ſie ſchon ſeit einigen Jah- ren zu dem Abbé kaͤme, daß ſie nun ſchon ausgeler- net haͤtte, daß ſie vor dem Kaiſer (der vor einiger Zeit in Paris war) gepruͤft worden waͤre, daß er ſie beſchenkt haͤtte, daß ſie dieſes Geſchenk, wie einen Schatz in einem kleinen Kaͤſtchen verſchloſſen halte, und daß ſie es bis an ihr Ende als ein theures An- gedenken aufbewahren wuͤrde. — Hierzu war gewiß die allgemeine Naturſprache nicht hinlaͤnglich, ſie mußte ſchon weit ausgebildet ſeyn, um alle dieſe Begriffe auszudruͤcken. §. 11. Nebſt dieſer ausgebildeten Naturſprache haben dieſe Lepeiſchen und Storchiſchen Schuͤler auch noch eine andere methodiſch erlernte, und eine, wenn ich ſie ſo nennen darf, gelehrte Sprache, von der ich, wenn ſie untereinander ſprachen, kein Wort verſtand. Sie beſteht aus verabredten Handzeichen, die de L'épée zwar aus der Natur der Sache hergeholt zu ſeyn B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/47
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/47>, abgerufen am 21.11.2024.