ne schöne Oekonomie der Natur, die, wie bey ei- ner jeden Gelegenheit, so auch hier die Zeit benützt, in der die Zunge keine Beschäftigung hat, und sie während dessen, daß die Lippen einen dieser Buchsta- ben bilden, dazu anwendet, die Lage des künftigen vorzubereiten; und so ist es auch umgekehrt, wenn die Zunge der Hauptwerkzeug eines Buchstaben ist, so bereiten sich die Lippen, die ohne dieß müßig wären, zu dem folgenden Laut vor. Wenn man z. B. Lüge oder Laster sagt, so haben die Lippen schon während des L die Lage entweder des ü oder des a angenommen. Dieses alles aus einem bloßen Trieb der Natur, und ohne daß vielleicht je ein Mensch sich es vorgenommen, oder nur daran gedacht hat.
§. 204.
Die Lateiner, Franzosen, Jtaliäner, und Un- garn haben diesen Buchstaben nicht. Die Engellän- der haben ihn zwar in ihrer Schrift, aber in der Aussprache lassen sie die Lippen weiter als die Deut- schen von einander abstehen, wodurch der Laut we- niger windbrausend wird, und fast dem Selbstlau-
ter
IV. Abtheilung.
ne ſchoͤne Oekonomie der Natur, die, wie bey ei- ner jeden Gelegenheit, ſo auch hier die Zeit benuͤtzt, in der die Zunge keine Beſchaͤftigung hat, und ſie waͤhrend deſſen, daß die Lippen einen dieſer Buchſta- ben bilden, dazu anwendet, die Lage des kuͤnftigen vorzubereiten; und ſo iſt es auch umgekehrt, wenn die Zunge der Hauptwerkzeug eines Buchſtaben iſt, ſo bereiten ſich die Lippen, die ohne dieß muͤßig waͤren, zu dem folgenden Laut vor. Wenn man z. B. Luͤge oder Laſter ſagt, ſo haben die Lippen ſchon waͤhrend des L die Lage entweder des uͤ oder des a angenommen. Dieſes alles aus einem bloßen Trieb der Natur, und ohne daß vielleicht je ein Menſch ſich es vorgenommen, oder nur daran gedacht hat.
§. 204.
Die Lateiner, Franzoſen, Jtaliaͤner, und Un- garn haben dieſen Buchſtaben nicht. Die Engellaͤn- der haben ihn zwar in ihrer Schrift, aber in der Ausſprache laſſen ſie die Lippen weiter als die Deut- ſchen von einander abſtehen, wodurch der Laut we- niger windbrauſend wird, und faſt dem Selbſtlau-
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IV. Abtheilung.
ne ſchoͤne Oekonomie der Natur, die, wie bey ei-
ner jeden Gelegenheit, ſo auch hier die Zeit benuͤtzt,
in der die Zunge keine Beſchaͤftigung hat, und ſie
waͤhrend deſſen, daß die Lippen einen dieſer Buchſta-
ben bilden, dazu anwendet, die Lage des kuͤnftigen
vorzubereiten; und ſo iſt es auch umgekehrt, wenn
die Zunge der Hauptwerkzeug eines Buchſtaben iſt,
ſo bereiten ſich die Lippen, die ohne dieß muͤßig
waͤren, zu dem folgenden Laut vor. Wenn man z. B.
Luͤge oder Laſter ſagt, ſo haben die Lippen ſchon
waͤhrend des L die Lage entweder des uͤ oder des
a angenommen. Dieſes alles aus einem bloßen Trieb
der Natur, und ohne daß vielleicht je ein Menſch
ſich es vorgenommen, oder nur daran gedacht hat.
§. 204.
Die Lateiner, Franzoſen, Jtaliaͤner, und Un-
garn haben dieſen Buchſtaben nicht. Die Engellaͤn-
der haben ihn zwar in ihrer Schrift, aber in der
Ausſprache laſſen ſie die Lippen weiter als die Deut-
ſchen von einander abſtehen, wodurch der Laut we-
niger windbrauſend wird, und faſt dem Selbſtlau-
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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/426>, abgerufen am 22.02.2025.
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