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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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stätigte deren Qualität in der Menschennatur, so¬
wie die ehrwürdige und ursprüngliche Allgemein¬
heit der Wörter für die wichtigsten physischen
Gegenstände mit der inneren Einfachheit und All¬
gemeinheit der Natur selbst zusammentraf, wie
er sie in den betreffenden Betrachtungen und
Studien kennen und ehren gelernt hatte.

So gewann nun Heinrich, durch die unmit¬
telbare Anschauung solcher Dinge, erst eine le¬
bendige Liebe zu der Geschichte, wie überhaupt
die unmittelbare Kenntniß der Faser und der
Textur der Wirklichkeit tiefere, nachhaltigere und
fruchtbarere Begeisterung erweckt in allen Uebun¬
gen, als alles abstracte Phantasiren. Und selbst
diejenigen, welche nur theilweise Kenntniß genom¬
men haben vom Bestehen dieses organisch-noth¬
wendigen Gewebes, dieser Textur der Dinge,
werden dem Ganzen ersprießlicher sein durch die
erworbene Fähigkeit, sich alles gewaltsamen Rai¬
sonnirens zu enthalten und nicht länger eine un¬
gleichmüthige Verwirrung bald feiger, bald über¬
müthiger Stimmungen und Forderungen über
die Dinge auszugießen, die sie nicht begreifen

ſtaͤtigte deren Qualitaͤt in der Menſchennatur, ſo¬
wie die ehrwuͤrdige und urſpruͤngliche Allgemein¬
heit der Woͤrter fuͤr die wichtigſten phyſiſchen
Gegenſtaͤnde mit der inneren Einfachheit und All¬
gemeinheit der Natur ſelbſt zuſammentraf, wie
er ſie in den betreffenden Betrachtungen und
Studien kennen und ehren gelernt hatte.

So gewann nun Heinrich, durch die unmit¬
telbare Anſchauung ſolcher Dinge, erſt eine le¬
bendige Liebe zu der Geſchichte, wie uͤberhaupt
die unmittelbare Kenntniß der Faſer und der
Textur der Wirklichkeit tiefere, nachhaltigere und
fruchtbarere Begeiſterung erweckt in allen Uebun¬
gen, als alles abſtracte Phantaſiren. Und ſelbſt
diejenigen, welche nur theilweiſe Kenntniß genom¬
men haben vom Beſtehen dieſes organiſch-noth¬
wendigen Gewebes, dieſer Textur der Dinge,
werden dem Ganzen erſprießlicher ſein durch die
erworbene Faͤhigkeit, ſich alles gewaltſamen Rai¬
ſonnirens zu enthalten und nicht laͤnger eine un¬
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[88/0098] ſtaͤtigte deren Qualitaͤt in der Menſchennatur, ſo¬ wie die ehrwuͤrdige und urſpruͤngliche Allgemein¬ heit der Woͤrter fuͤr die wichtigſten phyſiſchen Gegenſtaͤnde mit der inneren Einfachheit und All¬ gemeinheit der Natur ſelbſt zuſammentraf, wie er ſie in den betreffenden Betrachtungen und Studien kennen und ehren gelernt hatte. So gewann nun Heinrich, durch die unmit¬ telbare Anſchauung ſolcher Dinge, erſt eine le¬ bendige Liebe zu der Geſchichte, wie uͤberhaupt die unmittelbare Kenntniß der Faſer und der Textur der Wirklichkeit tiefere, nachhaltigere und fruchtbarere Begeiſterung erweckt in allen Uebun¬ gen, als alles abſtracte Phantaſiren. Und ſelbſt diejenigen, welche nur theilweiſe Kenntniß genom¬ men haben vom Beſtehen dieſes organiſch-noth¬ wendigen Gewebes, dieſer Textur der Dinge, werden dem Ganzen erſprießlicher ſein durch die erworbene Faͤhigkeit, ſich alles gewaltſamen Rai¬ ſonnirens zu enthalten und nicht laͤnger eine un¬ gleichmuͤthige Verwirrung bald feiger, bald uͤber¬ muͤthiger Stimmungen und Forderungen uͤber die Dinge auszugießen, die ſie nicht begreifen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/98>, abgerufen am 26.04.2024.