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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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und Kraft, mit welcher er das Leben zu empfin¬
den fähig wurde in diesem Hause, und nur wer
den heißen Sonnenschein, die leuchtende Trocken¬
heit des Glückes recht voll und anhaltend zu er¬
tragen berufen ist, wird solcher Schwäche theil¬
haftig, wenn die Sonne sich verhüllt. So saß
er eine gute halbe Stunde und es war ihm so
elend zu Muthe, wie noch gar nie in seinem Le¬
ben. Denn Alles ging ihm durch den Sinn, was
er wollte und hoffte, und formte sich sämmtlich in
das Bild des einzigen Dortchens, dem zu Ehren
und zu Lieb' er allein Alles thun und erleben
mochte, was ihm irgend beschieden war.

Die Sakristei war der älteste Theil der ziem¬
lich ansehnlichen Kirche und bestand aus einer ur¬
alten Kapelle, die zuerst auf diesem Platze gestan¬
den. Es war ein dunkles romanisches Gewölbe,
dessen Fenster zum großen Theil vermauert waren,
und man hatte hier viele Gegenstände hingebracht
und aufgestapelt, welche im Laufe der Zeit den
Raum in der eigentlichen Kirche beengt.

Vorzüglich aber ragte ein großes Grabmal
hervor von schwarzem Marmor, auf welchem, aus

und Kraft, mit welcher er das Leben zu empfin¬
den faͤhig wurde in dieſem Hauſe, und nur wer
den heißen Sonnenſchein, die leuchtende Trocken¬
heit des Gluͤckes recht voll und anhaltend zu er¬
tragen berufen iſt, wird ſolcher Schwaͤche theil¬
haftig, wenn die Sonne ſich verhuͤllt. So ſaß
er eine gute halbe Stunde und es war ihm ſo
elend zu Muthe, wie noch gar nie in ſeinem Le¬
ben. Denn Alles ging ihm durch den Sinn, was
er wollte und hoffte, und formte ſich ſaͤmmtlich in
das Bild des einzigen Dortchens, dem zu Ehren
und zu Lieb' er allein Alles thun und erleben
mochte, was ihm irgend beſchieden war.

Die Sakriſtei war der aͤlteſte Theil der ziem¬
lich anſehnlichen Kirche und beſtand aus einer ur¬
alten Kapelle, die zuerſt auf dieſem Platze geſtan¬
den. Es war ein dunkles romaniſches Gewoͤlbe,
deſſen Fenſter zum großen Theil vermauert waren,
und man hatte hier viele Gegenſtaͤnde hingebracht
und aufgeſtapelt, welche im Laufe der Zeit den
Raum in der eigentlichen Kirche beengt.

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[428/0438] und Kraft, mit welcher er das Leben zu empfin¬ den faͤhig wurde in dieſem Hauſe, und nur wer den heißen Sonnenſchein, die leuchtende Trocken¬ heit des Gluͤckes recht voll und anhaltend zu er¬ tragen berufen iſt, wird ſolcher Schwaͤche theil¬ haftig, wenn die Sonne ſich verhuͤllt. So ſaß er eine gute halbe Stunde und es war ihm ſo elend zu Muthe, wie noch gar nie in ſeinem Le¬ ben. Denn Alles ging ihm durch den Sinn, was er wollte und hoffte, und formte ſich ſaͤmmtlich in das Bild des einzigen Dortchens, dem zu Ehren und zu Lieb' er allein Alles thun und erleben mochte, was ihm irgend beſchieden war. Die Sakriſtei war der aͤlteſte Theil der ziem¬ lich anſehnlichen Kirche und beſtand aus einer ur¬ alten Kapelle, die zuerſt auf dieſem Platze geſtan¬ den. Es war ein dunkles romaniſches Gewoͤlbe, deſſen Fenſter zum großen Theil vermauert waren, und man hatte hier viele Gegenſtaͤnde hingebracht und aufgeſtapelt, welche im Laufe der Zeit den Raum in der eigentlichen Kirche beengt. Vorzuͤglich aber ragte ein großes Grabmal hervor von ſchwarzem Marmor, auf welchem, aus

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/438>, abgerufen am 26.04.2024.