Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Heinrich ihm den Rücken streichelte, und als sie
mit ihrer Hand achtlos der seinigen zu begegnen
Gefahr lief, wich er ihr aus, wofür sie ihn, ir¬
gend eine gleichgültige Frage benutzend, um so
freundlicher ansah.

Am offenen Fenster blühte ein Apfelbaum und
weiße Schmetterlinge flogen in die Stube, und
als es nun gar so lieblich war da zu sitzen der
Lieblichen gegenüber, konnte Heinrich nicht anders,
als er mußte sich den Pfarrer noch hinweg den¬
ken, die Stube zu seiner eigenen machen und sich
vorstellen, als wäre Dortchen seine junge Frau
und säße an einem solchen Mainachmittage am
weiß gedeckten Tische herzensallein ihm gegenüber
Heiß werdend und verlegen streichelte er wieder
den Hund, und nun fiel ihm plötzlich ein, wie er
vor Jahren mit dem ganz jungen Mädchen ja
schon einmal gemeinschaftlich einen Hund gelieb¬
kost habe, ohne zu ahnen, daß es je wieder be¬
gegnen würde. "Nun ist sie groß und schön ge¬
worden," dachte er, was er freilich schon am er¬
sten Tage Gelegenheit hatte zu bemerken, "und
wenn abermals eine Reihe von Jahren dahin ist,

Heinrich ihm den Ruͤcken ſtreichelte, und als ſie
mit ihrer Hand achtlos der ſeinigen zu begegnen
Gefahr lief, wich er ihr aus, wofuͤr ſie ihn, ir¬
gend eine gleichguͤltige Frage benutzend, um ſo
freundlicher anſah.

Am offenen Fenſter bluͤhte ein Apfelbaum und
weiße Schmetterlinge flogen in die Stube, und
als es nun gar ſo lieblich war da zu ſitzen der
Lieblichen gegenuͤber, konnte Heinrich nicht anders,
als er mußte ſich den Pfarrer noch hinweg den¬
ken, die Stube zu ſeiner eigenen machen und ſich
vorſtellen, als waͤre Dortchen ſeine junge Frau
und ſaͤße an einem ſolchen Mainachmittage am
weiß gedeckten Tiſche herzensallein ihm gegenuͤber
Heiß werdend und verlegen ſtreichelte er wieder
den Hund, und nun fiel ihm ploͤtzlich ein, wie er
vor Jahren mit dem ganz jungen Maͤdchen ja
ſchon einmal gemeinſchaftlich einen Hund gelieb¬
koſt habe, ohne zu ahnen, daß es je wieder be¬
gegnen wuͤrde. »Nun iſt ſie groß und ſchoͤn ge¬
worden,« dachte er, was er freilich ſchon am er¬
ſten Tage Gelegenheit hatte zu bemerken, »und
wenn abermals eine Reihe von Jahren dahin iſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0436" n="426"/>
Heinrich ihm den Ru&#x0364;cken &#x017F;treichelte, und als &#x017F;ie<lb/>
mit ihrer Hand achtlos der &#x017F;einigen zu begegnen<lb/>
Gefahr lief, wich er ihr aus, wofu&#x0364;r &#x017F;ie ihn, ir¬<lb/>
gend eine gleichgu&#x0364;ltige Frage benutzend, um &#x017F;o<lb/>
freundlicher an&#x017F;ah.</p><lb/>
        <p>Am offenen Fen&#x017F;ter blu&#x0364;hte ein Apfelbaum und<lb/>
weiße Schmetterlinge flogen in die Stube, und<lb/>
als es nun gar &#x017F;o lieblich war da zu &#x017F;itzen der<lb/>
Lieblichen gegenu&#x0364;ber, konnte Heinrich nicht anders,<lb/>
als er mußte &#x017F;ich den Pfarrer noch hinweg den¬<lb/>
ken, die Stube zu &#x017F;einer eigenen machen und &#x017F;ich<lb/>
vor&#x017F;tellen, als wa&#x0364;re Dortchen &#x017F;eine junge Frau<lb/>
und &#x017F;a&#x0364;ße an einem &#x017F;olchen Mainachmittage am<lb/>
weiß gedeckten Ti&#x017F;che herzensallein ihm gegenu&#x0364;ber<lb/>
Heiß werdend und verlegen &#x017F;treichelte er wieder<lb/>
den Hund, und nun fiel ihm plo&#x0364;tzlich ein, wie er<lb/>
vor Jahren mit dem ganz jungen Ma&#x0364;dchen ja<lb/>
&#x017F;chon einmal gemein&#x017F;chaftlich einen Hund gelieb¬<lb/>
ko&#x017F;t habe, ohne zu ahnen, daß es je wieder be¬<lb/>
gegnen wu&#x0364;rde. »Nun i&#x017F;t &#x017F;ie groß und &#x017F;cho&#x0364;n ge¬<lb/>
worden,« dachte er, was er freilich &#x017F;chon am er¬<lb/>
&#x017F;ten Tage Gelegenheit hatte zu bemerken, »und<lb/>
wenn abermals eine Reihe von Jahren dahin i&#x017F;t,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0436] Heinrich ihm den Ruͤcken ſtreichelte, und als ſie mit ihrer Hand achtlos der ſeinigen zu begegnen Gefahr lief, wich er ihr aus, wofuͤr ſie ihn, ir¬ gend eine gleichguͤltige Frage benutzend, um ſo freundlicher anſah. Am offenen Fenſter bluͤhte ein Apfelbaum und weiße Schmetterlinge flogen in die Stube, und als es nun gar ſo lieblich war da zu ſitzen der Lieblichen gegenuͤber, konnte Heinrich nicht anders, als er mußte ſich den Pfarrer noch hinweg den¬ ken, die Stube zu ſeiner eigenen machen und ſich vorſtellen, als waͤre Dortchen ſeine junge Frau und ſaͤße an einem ſolchen Mainachmittage am weiß gedeckten Tiſche herzensallein ihm gegenuͤber Heiß werdend und verlegen ſtreichelte er wieder den Hund, und nun fiel ihm ploͤtzlich ein, wie er vor Jahren mit dem ganz jungen Maͤdchen ja ſchon einmal gemeinſchaftlich einen Hund gelieb¬ koſt habe, ohne zu ahnen, daß es je wieder be¬ gegnen wuͤrde. »Nun iſt ſie groß und ſchoͤn ge¬ worden,« dachte er, was er freilich ſchon am er¬ ſten Tage Gelegenheit hatte zu bemerken, »und wenn abermals eine Reihe von Jahren dahin iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/436
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/436>, abgerufen am 27.04.2024.