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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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murrend zufrieden gab und überdies etwas nach¬
denklich wurde.

Heinrich hatte indessen lange nicht so viel
Geld besessen wie jetzt, und er beschloß, ehe das¬
selbe zu Ende gehe, sich neues zu erwerben und
was im Großen nicht hatte gelingen wollen, all¬
mälig im Kleinen zu versuchen. Da seine guten
Studienblätter alle verschwunden waren, so machte
er sich daran, welche aus dem Stegreif zu schaf¬
fen, und fabricirte in kurzer Zeit eine Anzahl
flüchtiger, aber bunter und kecker Skizzen, ohne
Andacht und Liebe, denen man es auf den ersten
Blick ansah, daß sie nicht im Freien, sondern in
der Stube entstanden. Ueber dieser herzlosen Be¬
schäftigung stand natürlich alles tiefere und in¬
nere Streben und Sein vollends still, wie denn
auch, da kein Buch mehr in seinem Besitze war
und er sich aus den Hörsälen zurückgezogen, seine
Selbstbildung von dieser Seite unterbrochen war,
indessen er sich in einer anderen Schule befand,
wo der Alte Professor war; denn man kann nicht
Alles zumal treiben. Der Alte empfing ihn aber
ganz vergnügt mit den neuen Sachen, die ihm

murrend zufrieden gab und uͤberdies etwas nach¬
denklich wurde.

Heinrich hatte indeſſen lange nicht ſo viel
Geld beſeſſen wie jetzt, und er beſchloß, ehe daſ¬
ſelbe zu Ende gehe, ſich neues zu erwerben und
was im Großen nicht hatte gelingen wollen, all¬
maͤlig im Kleinen zu verſuchen. Da ſeine guten
Studienblaͤtter alle verſchwunden waren, ſo machte
er ſich daran, welche aus dem Stegreif zu ſchaf¬
fen, und fabricirte in kurzer Zeit eine Anzahl
fluͤchtiger, aber bunter und kecker Skizzen, ohne
Andacht und Liebe, denen man es auf den erſten
Blick anſah, daß ſie nicht im Freien, ſondern in
der Stube entſtanden. Ueber dieſer herzloſen Be¬
ſchaͤftigung ſtand natuͤrlich alles tiefere und in¬
nere Streben und Sein vollends ſtill, wie denn
auch, da kein Buch mehr in ſeinem Beſitze war
und er ſich aus den Hoͤrſaͤlen zuruͤckgezogen, ſeine
Selbſtbildung von dieſer Seite unterbrochen war,
indeſſen er ſich in einer anderen Schule befand,
wo der Alte Profeſſor war; denn man kann nicht
Alles zumal treiben. Der Alte empfing ihn aber
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[184/0194] murrend zufrieden gab und uͤberdies etwas nach¬ denklich wurde. Heinrich hatte indeſſen lange nicht ſo viel Geld beſeſſen wie jetzt, und er beſchloß, ehe daſ¬ ſelbe zu Ende gehe, ſich neues zu erwerben und was im Großen nicht hatte gelingen wollen, all¬ maͤlig im Kleinen zu verſuchen. Da ſeine guten Studienblaͤtter alle verſchwunden waren, ſo machte er ſich daran, welche aus dem Stegreif zu ſchaf¬ fen, und fabricirte in kurzer Zeit eine Anzahl fluͤchtiger, aber bunter und kecker Skizzen, ohne Andacht und Liebe, denen man es auf den erſten Blick anſah, daß ſie nicht im Freien, ſondern in der Stube entſtanden. Ueber dieſer herzloſen Be¬ ſchaͤftigung ſtand natuͤrlich alles tiefere und in¬ nere Streben und Sein vollends ſtill, wie denn auch, da kein Buch mehr in ſeinem Beſitze war und er ſich aus den Hoͤrſaͤlen zuruͤckgezogen, ſeine Selbſtbildung von dieſer Seite unterbrochen war, indeſſen er ſich in einer anderen Schule befand, wo der Alte Profeſſor war; denn man kann nicht Alles zumal treiben. Der Alte empfing ihn aber ganz vergnuͤgt mit den neuen Sachen, die ihm

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/194>, abgerufen am 27.04.2024.