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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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welches einen erbärmlichen Kram von allerlei
Schnickschnack führte und in seinem dunklen Laden
saß und allerhand laborirte. Am Fenster hatte
dieser Mann immer einige vergilbte Zeichnungen
oder Druckblätter hängen ohne Werth, wie sie
der Zufall zusammengeweht, und eben so werth¬
los war eine kleine Bildersammlung im Innern
des armseligen Magazins, das Ganze eine jener
Zufluchtsstätten und Vermittelungsanstalten für
jene gottverlassene Classe von Kunstbeflissenen,
die gänzlich von jeder Weihe, jedem Bewußtsein
und jeder Bildung entfernt ihr Wesen treibt in
seltsamer Industrie und Armuth, ohne Handwerker
zu sein. Hier holten sich die Bierwirthe der
untersten Ordnung oder die Kunstfreunde mit
fünfhundert Gulden Einkommen ihren Bedarf,
um das für wenige Münzen erstandene Meister¬
werk, sobald es in ihrem Besitze war, mit rühren¬
der Bewunderung zu preisen. Heinrich hatte bei
dem Männchen in seinen guten Tagen zuweilen
eine verlorene gute Radirung und dergleichen ge¬
kauft, welche der Seltsame, der sich mit eben der Be¬
fugniß, welche seine Käufer zu Kunstkennern schuf,

welches einen erbaͤrmlichen Kram von allerlei
Schnickſchnack fuͤhrte und in ſeinem dunklen Laden
ſaß und allerhand laborirte. Am Fenſter hatte
dieſer Mann immer einige vergilbte Zeichnungen
oder Druckblaͤtter haͤngen ohne Werth, wie ſie
der Zufall zuſammengeweht, und eben ſo werth¬
los war eine kleine Bilderſammlung im Innern
des armſeligen Magazins, das Ganze eine jener
Zufluchtsſtaͤtten und Vermittelungsanſtalten fuͤr
jene gottverlaſſene Claſſe von Kunſtbefliſſenen,
die gaͤnzlich von jeder Weihe, jedem Bewußtſein
und jeder Bildung entfernt ihr Weſen treibt in
ſeltſamer Induſtrie und Armuth, ohne Handwerker
zu ſein. Hier holten ſich die Bierwirthe der
unterſten Ordnung oder die Kunſtfreunde mit
fuͤnfhundert Gulden Einkommen ihren Bedarf,
um das fuͤr wenige Muͤnzen erſtandene Meiſter¬
werk, ſobald es in ihrem Beſitze war, mit ruͤhren¬
der Bewunderung zu preiſen. Heinrich hatte bei
dem Maͤnnchen in ſeinen guten Tagen zuweilen
eine verlorene gute Radirung und dergleichen ge¬
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[168/0178] welches einen erbaͤrmlichen Kram von allerlei Schnickſchnack fuͤhrte und in ſeinem dunklen Laden ſaß und allerhand laborirte. Am Fenſter hatte dieſer Mann immer einige vergilbte Zeichnungen oder Druckblaͤtter haͤngen ohne Werth, wie ſie der Zufall zuſammengeweht, und eben ſo werth¬ los war eine kleine Bilderſammlung im Innern des armſeligen Magazins, das Ganze eine jener Zufluchtsſtaͤtten und Vermittelungsanſtalten fuͤr jene gottverlaſſene Claſſe von Kunſtbefliſſenen, die gaͤnzlich von jeder Weihe, jedem Bewußtſein und jeder Bildung entfernt ihr Weſen treibt in ſeltſamer Induſtrie und Armuth, ohne Handwerker zu ſein. Hier holten ſich die Bierwirthe der unterſten Ordnung oder die Kunſtfreunde mit fuͤnfhundert Gulden Einkommen ihren Bedarf, um das fuͤr wenige Muͤnzen erſtandene Meiſter¬ werk, ſobald es in ihrem Beſitze war, mit ruͤhren¬ der Bewunderung zu preiſen. Heinrich hatte bei dem Maͤnnchen in ſeinen guten Tagen zuweilen eine verlorene gute Radirung und dergleichen ge¬ kauft, welche der Seltſame, der ſich mit eben der Be¬ fugniß, welche ſeine Kaͤufer zu Kunſtkennern ſchuf,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/178>, abgerufen am 26.04.2024.