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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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daß durch die Anwendung der kräftigen und prak¬
tischen Meisterkünste des dicken Herrn Heinrich's
Idee erst schön und wahrhaft idealisirt wurde.
Es zeigte sich, daß das reale technische Wissen
und Empfinden allein die Gedanken gut macht
und noch bessere von sich aus vermittelt und her¬
vorzurufen im Stande ist. Durch das bloße
Besprechen und Durcharbeiten der äußeren tech¬
nischen Seite des Gegenstandes thaten sich meh¬
rere ganz neue und glückliche Motive auf, welche
gewissermaßen in der Natur der Sache lagen und
doch die ursprünglichen Erfindungen des armen
Heinrich, so geistreich dieselben waren, an Wir¬
kung weit hinter sich ließen.

Der Künstler hatte in einer halben Stunde,
immerfort sprechend, auf ein besonderes Blatt
seine Meinung hingezeichnet und so in aller Rasch¬
heit eine treffliche Meisterskizze hergestellt, welche
füglich für eine werthvolle Handzeichnung gelten
konnte und welche Heinrich mit äußerstem Wohl¬
gefallen betrachtete. Als aber die Audienz be¬
endigt war, faltete der Meister ruhig das Blatt
zusammen, steckte es in die Tasche und überließ

daß durch die Anwendung der kraͤftigen und prak¬
tiſchen Meiſterkuͤnſte des dicken Herrn Heinrich's
Idee erſt ſchoͤn und wahrhaft idealiſirt wurde.
Es zeigte ſich, daß das reale techniſche Wiſſen
und Empfinden allein die Gedanken gut macht
und noch beſſere von ſich aus vermittelt und her¬
vorzurufen im Stande iſt. Durch das bloße
Beſprechen und Durcharbeiten der aͤußeren tech¬
niſchen Seite des Gegenſtandes thaten ſich meh¬
rere ganz neue und gluͤckliche Motive auf, welche
gewiſſermaßen in der Natur der Sache lagen und
doch die urſpruͤnglichen Erfindungen des armen
Heinrich, ſo geiſtreich dieſelben waren, an Wir¬
kung weit hinter ſich ließen.

Der Kuͤnſtler hatte in einer halben Stunde,
immerfort ſprechend, auf ein beſonderes Blatt
ſeine Meinung hingezeichnet und ſo in aller Raſch¬
heit eine treffliche Meiſterſkizze hergeſtellt, welche
fuͤglich fuͤr eine werthvolle Handzeichnung gelten
konnte und welche Heinrich mit aͤußerſtem Wohl¬
gefallen betrachtete. Als aber die Audienz be¬
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[127/0137] daß durch die Anwendung der kraͤftigen und prak¬ tiſchen Meiſterkuͤnſte des dicken Herrn Heinrich's Idee erſt ſchoͤn und wahrhaft idealiſirt wurde. Es zeigte ſich, daß das reale techniſche Wiſſen und Empfinden allein die Gedanken gut macht und noch beſſere von ſich aus vermittelt und her¬ vorzurufen im Stande iſt. Durch das bloße Beſprechen und Durcharbeiten der aͤußeren tech¬ niſchen Seite des Gegenſtandes thaten ſich meh¬ rere ganz neue und gluͤckliche Motive auf, welche gewiſſermaßen in der Natur der Sache lagen und doch die urſpruͤnglichen Erfindungen des armen Heinrich, ſo geiſtreich dieſelben waren, an Wir¬ kung weit hinter ſich ließen. Der Kuͤnſtler hatte in einer halben Stunde, immerfort ſprechend, auf ein beſonderes Blatt ſeine Meinung hingezeichnet und ſo in aller Raſch¬ heit eine treffliche Meiſterſkizze hergeſtellt, welche fuͤglich fuͤr eine werthvolle Handzeichnung gelten konnte und welche Heinrich mit aͤußerſtem Wohl¬ gefallen betrachtete. Als aber die Audienz be¬ endigt war, faltete der Meiſter ruhig das Blatt zuſammen, ſteckte es in die Taſche und uͤberließ

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/137>, abgerufen am 27.04.2024.