Er verschwieg dies sorgsam vor seiner Mutter, schrieb ihr aber auch nicht, daß er etwas erwerbe, da es ihm nicht einfiel, sie anzulügen, und da es ihm in der That bei seiner Sorglosigkeit und seinem sicheren Gefühl, daß er schon etwas wer¬ den müsse und würde, ganz gut erging, so berich¬ tete er der Mutter in jedem Briefe, es ginge ihm gut, und erzählte ihr weitläufig allerlei lustige Dinge, die ihm begegneten oder welche er in dem fremden Lande beobachtete. Die Mutter hingegen glaubte ächt frauenhaft, wenn man von einem Uebel nicht spreche, so bleibe es ungeschehen, und hütete sich, ihn nach etwaigen Schulden zu befragen, in der Meinung, daß wenn solche noch nicht vor¬ handen wären, so würden sie durch diese Erkun¬
Fünftes Kapitel.
Er verſchwieg dies ſorgſam vor ſeiner Mutter, ſchrieb ihr aber auch nicht, daß er etwas erwerbe, da es ihm nicht einfiel, ſie anzuluͤgen, und da es ihm in der That bei ſeiner Sorgloſigkeit und ſeinem ſicheren Gefuͤhl, daß er ſchon etwas wer¬ den muͤſſe und wuͤrde, ganz gut erging, ſo berich¬ tete er der Mutter in jedem Briefe, es ginge ihm gut, und erzaͤhlte ihr weitlaͤufig allerlei luſtige Dinge, die ihm begegneten oder welche er in dem fremden Lande beobachtete. Die Mutter hingegen glaubte aͤcht frauenhaft, wenn man von einem Uebel nicht ſpreche, ſo bleibe es ungeſchehen, und huͤtete ſich, ihn nach etwaigen Schulden zu befragen, in der Meinung, daß wenn ſolche noch nicht vor¬ handen waͤren, ſo wuͤrden ſie durch dieſe Erkun¬
<TEI><text><body><pbfacs="#f0150"/><divn="1"><head><hirendition="#b #g">Fünftes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Er verſchwieg dies ſorgſam vor ſeiner Mutter,<lb/>ſchrieb ihr aber auch nicht, daß er etwas erwerbe,<lb/>
da es ihm nicht einfiel, ſie anzuluͤgen, und da es<lb/>
ihm in der That bei ſeiner Sorgloſigkeit und<lb/>ſeinem ſicheren Gefuͤhl, daß er ſchon etwas wer¬<lb/>
den muͤſſe und wuͤrde, ganz gut erging, ſo berich¬<lb/>
tete er der Mutter in jedem Briefe, es ginge ihm<lb/>
gut, und erzaͤhlte ihr weitlaͤufig allerlei luſtige<lb/>
Dinge, die ihm begegneten oder welche er in dem<lb/>
fremden Lande beobachtete. Die Mutter hingegen<lb/>
glaubte aͤcht frauenhaft, wenn man von einem Uebel<lb/>
nicht ſpreche, ſo bleibe es ungeſchehen, und huͤtete<lb/>ſich, ihn nach etwaigen Schulden zu befragen,<lb/>
in der Meinung, daß wenn ſolche noch nicht vor¬<lb/>
handen waͤren, ſo wuͤrden ſie durch dieſe Erkun¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[0150]
Fünftes Kapitel.
Er verſchwieg dies ſorgſam vor ſeiner Mutter,
ſchrieb ihr aber auch nicht, daß er etwas erwerbe,
da es ihm nicht einfiel, ſie anzuluͤgen, und da es
ihm in der That bei ſeiner Sorgloſigkeit und
ſeinem ſicheren Gefuͤhl, daß er ſchon etwas wer¬
den muͤſſe und wuͤrde, ganz gut erging, ſo berich¬
tete er der Mutter in jedem Briefe, es ginge ihm
gut, und erzaͤhlte ihr weitlaͤufig allerlei luſtige
Dinge, die ihm begegneten oder welche er in dem
fremden Lande beobachtete. Die Mutter hingegen
glaubte aͤcht frauenhaft, wenn man von einem Uebel
nicht ſpreche, ſo bleibe es ungeſchehen, und huͤtete
ſich, ihn nach etwaigen Schulden zu befragen,
in der Meinung, daß wenn ſolche noch nicht vor¬
handen waͤren, ſo wuͤrden ſie durch dieſe Erkun¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/150>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.