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Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907.

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gedrängt, bis das Hallaki ertönt, bis die Beute am Boden liegt. Rasch und
wohlfeil Reichtum erzeugen ist die Losung, billig produzieren, aus dem Arbeiter
für geringsten Lohn möglichst große Leistungen auspressen, ist der Gipfel der
Unternehmerkunst. Ueberarbeit, Unterbezahlung, eine wahre Sintflut von
Leiden, Gewerbekrankheiten, frühes Siechtum, hohe Kindersterblichkeit, niedriges
Sterbealter, ungenügende Ernährung, eine abscheuliche Behausung, Mangel an
Licht und Lust, an Muße und Bildung, an Freiheit der Bewegung sind die
Wirkungen der schrankenlosen Ausnützung. Mit reißender Geschwindigkeit wächst
das Großkapital empor, die Produktionsmittel vereinigen sich in immer weniger
Händen, das Gewicht der Ausbeutung drückt wie ein Alp auf die Arbeiterschaft.
Die Klein- und Mittelbetriebe schwinden dahin, von dem übermächtigen Gegner
schonungslos aufgesaugt, die Aktiengesellschaft tritt an die Stelle des einzelnen
Unternehmers, der bescheiden von seiner Stellung zurücktritt, im satten Genuß
der Dividende, und auf der Bildfläche erscheint in seinen verschiedenen Ab-
stufungen, immer bedeutsamer und furchtbarer sich entfaltend, der wahre König
im sozialen Reich der Unternehmerverband, Höhepunkt der kapitalistischen Ent-
wickelung und schon hinüberweisend in die aufdämmernden Bezirke der gesell-
schaftlichen Produktion.

So wird der Arbeiterschutz politisch und sozial eine unabweisbare Not-
wendigkeit, ein Arbeiterschutz, der nicht bloß auf dem Papier steht, sondern von
Fleisch und Blut ist, durchgreifende Vorkehrungen gegen die zügellose Gewinn-
sucht des volksverwüstenden Geldprotzentums trifft, die leibliche, geistige und
sittliche Wiedergeburt des verelendeten Proletariats herbeiführt, eine Reforma-
tion an Haupt und Gliedern, planvoll, umfaßend, fruchtbringend, die Bürgschaft
für die politische Reste.

Welche sozialpolitischen Forderungen wir an die bürgerliche Gesellschaft
stellen, darüber gibt Aufschluß der zweite Abschnitt des zweiten Teiles des
Programms.

Zweiter Abschnitt.
I.
Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschutzgesetz-
gebung.

Eine Arbeiterschutzgesetzgebung fordern wir, nicht etwa bloß eine Fabrik-
gesetzgebung. So sicher es ist, daß in der Großindustrie die Uebelstände der
Produktionsweise besonders scharf hervortreten, daß die Arbeiter dieser Betriebs-
form in erster Reihe den Kampf um die Befreiung führen und am ehesten die
Aufmerksamkeit der Herrschenden erzwingen, so sicher ist es auch daß die Not,
die Unterdrückung, die zerstörenden Einflüsse des Kapitalismus auf allen Ge-
bieten der Lohnarbeit zutage treten, oft versteckt, vermummt, verzerrt, aber
dadurch nur um so gefährlicher. Hülflos, ohne Selbständigkeit, ohne Zusammen-
halt, verfallen zahlreiche Arbeitergruppen einem Elend, das unbeschreiblich ist.
Der Arbeiterschutz hat nicht nur die Fabrikarbeiter, er hat die Arbeiter im hand-
werksmäßigen Betriebe, in der Hausindustrie zu erfassen. Die im Verkehrs-
wesen, in Handel und Wandel Tätigen, die kaufmännischen Angestellten so gut
wie die in den der Beherbung und Erquickung dienenden Gewerben beschäftigten
Arbeiter bedürfen der staatlichen Fürsorge nicht minder, wie die Millionen,

gedrängt, bis das Hallaki ertönt, bis die Beute am Boden liegt. Rasch und
wohlfeil Reichtum erzeugen ist die Losung, billig produzieren, aus dem Arbeiter
für geringsten Lohn möglichst große Leistungen auspressen, ist der Gipfel der
Unternehmerkunst. Ueberarbeit, Unterbezahlung, eine wahre Sintflut von
Leiden, Gewerbekrankheiten, frühes Siechtum, hohe Kindersterblichkeit, niedriges
Sterbealter, ungenügende Ernährung, eine abscheuliche Behausung, Mangel an
Licht und Lust, an Muße und Bildung, an Freiheit der Bewegung sind die
Wirkungen der schrankenlosen Ausnützung. Mit reißender Geschwindigkeit wächst
das Großkapital empor, die Produktionsmittel vereinigen sich in immer weniger
Händen, das Gewicht der Ausbeutung drückt wie ein Alp auf die Arbeiterschaft.
Die Klein- und Mittelbetriebe schwinden dahin, von dem übermächtigen Gegner
schonungslos aufgesaugt, die Aktiengesellschaft tritt an die Stelle des einzelnen
Unternehmers, der bescheiden von seiner Stellung zurücktritt, im satten Genuß
der Dividende, und auf der Bildfläche erscheint in seinen verschiedenen Ab-
stufungen, immer bedeutsamer und furchtbarer sich entfaltend, der wahre König
im sozialen Reich der Unternehmerverband, Höhepunkt der kapitalistischen Ent-
wickelung und schon hinüberweisend in die aufdämmernden Bezirke der gesell-
schaftlichen Produktion.

So wird der Arbeiterschutz politisch und sozial eine unabweisbare Not-
wendigkeit, ein Arbeiterschutz, der nicht bloß auf dem Papier steht, sondern von
Fleisch und Blut ist, durchgreifende Vorkehrungen gegen die zügellose Gewinn-
sucht des volksverwüstenden Geldprotzentums trifft, die leibliche, geistige und
sittliche Wiedergeburt des verelendeten Proletariats herbeiführt, eine Reforma-
tion an Haupt und Gliedern, planvoll, umfaßend, fruchtbringend, die Bürgschaft
für die politische Reste.

Welche sozialpolitischen Forderungen wir an die bürgerliche Gesellschaft
stellen, darüber gibt Aufschluß der zweite Abschnitt des zweiten Teiles des
Programms.

Zweiter Abschnitt.
I.
Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschutzgesetz-
gebung.

Eine Arbeiterschutzgesetzgebung fordern wir, nicht etwa bloß eine Fabrik-
gesetzgebung. So sicher es ist, daß in der Großindustrie die Uebelstände der
Produktionsweise besonders scharf hervortreten, daß die Arbeiter dieser Betriebs-
form in erster Reihe den Kampf um die Befreiung führen und am ehesten die
Aufmerksamkeit der Herrschenden erzwingen, so sicher ist es auch daß die Not,
die Unterdrückung, die zerstörenden Einflüsse des Kapitalismus auf allen Ge-
bieten der Lohnarbeit zutage treten, oft versteckt, vermummt, verzerrt, aber
dadurch nur um so gefährlicher. Hülflos, ohne Selbständigkeit, ohne Zusammen-
halt, verfallen zahlreiche Arbeitergruppen einem Elend, das unbeschreiblich ist.
Der Arbeiterschutz hat nicht nur die Fabrikarbeiter, er hat die Arbeiter im hand-
werksmäßigen Betriebe, in der Hausindustrie zu erfassen. Die im Verkehrs-
wesen, in Handel und Wandel Tätigen, die kaufmännischen Angestellten so gut
wie die in den der Beherbung und Erquickung dienenden Gewerben beschäftigten
Arbeiter bedürfen der staatlichen Fürsorge nicht minder, wie die Millionen,

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[55/0057] gedrängt, bis das Hallaki ertönt, bis die Beute am Boden liegt. Rasch und wohlfeil Reichtum erzeugen ist die Losung, billig produzieren, aus dem Arbeiter für geringsten Lohn möglichst große Leistungen auspressen, ist der Gipfel der Unternehmerkunst. Ueberarbeit, Unterbezahlung, eine wahre Sintflut von Leiden, Gewerbekrankheiten, frühes Siechtum, hohe Kindersterblichkeit, niedriges Sterbealter, ungenügende Ernährung, eine abscheuliche Behausung, Mangel an Licht und Lust, an Muße und Bildung, an Freiheit der Bewegung sind die Wirkungen der schrankenlosen Ausnützung. Mit reißender Geschwindigkeit wächst das Großkapital empor, die Produktionsmittel vereinigen sich in immer weniger Händen, das Gewicht der Ausbeutung drückt wie ein Alp auf die Arbeiterschaft. Die Klein- und Mittelbetriebe schwinden dahin, von dem übermächtigen Gegner schonungslos aufgesaugt, die Aktiengesellschaft tritt an die Stelle des einzelnen Unternehmers, der bescheiden von seiner Stellung zurücktritt, im satten Genuß der Dividende, und auf der Bildfläche erscheint in seinen verschiedenen Ab- stufungen, immer bedeutsamer und furchtbarer sich entfaltend, der wahre König im sozialen Reich der Unternehmerverband, Höhepunkt der kapitalistischen Ent- wickelung und schon hinüberweisend in die aufdämmernden Bezirke der gesell- schaftlichen Produktion. So wird der Arbeiterschutz politisch und sozial eine unabweisbare Not- wendigkeit, ein Arbeiterschutz, der nicht bloß auf dem Papier steht, sondern von Fleisch und Blut ist, durchgreifende Vorkehrungen gegen die zügellose Gewinn- sucht des volksverwüstenden Geldprotzentums trifft, die leibliche, geistige und sittliche Wiedergeburt des verelendeten Proletariats herbeiführt, eine Reforma- tion an Haupt und Gliedern, planvoll, umfaßend, fruchtbringend, die Bürgschaft für die politische Reste. Welche sozialpolitischen Forderungen wir an die bürgerliche Gesellschaft stellen, darüber gibt Aufschluß der zweite Abschnitt des zweiten Teiles des Programms. Zweiter Abschnitt. I. Eine wirksame nationale und internationale Arbeiterschutzgesetz- gebung. Eine Arbeiterschutzgesetzgebung fordern wir, nicht etwa bloß eine Fabrik- gesetzgebung. So sicher es ist, daß in der Großindustrie die Uebelstände der Produktionsweise besonders scharf hervortreten, daß die Arbeiter dieser Betriebs- form in erster Reihe den Kampf um die Befreiung führen und am ehesten die Aufmerksamkeit der Herrschenden erzwingen, so sicher ist es auch daß die Not, die Unterdrückung, die zerstörenden Einflüsse des Kapitalismus auf allen Ge- bieten der Lohnarbeit zutage treten, oft versteckt, vermummt, verzerrt, aber dadurch nur um so gefährlicher. Hülflos, ohne Selbständigkeit, ohne Zusammen- halt, verfallen zahlreiche Arbeitergruppen einem Elend, das unbeschreiblich ist. Der Arbeiterschutz hat nicht nur die Fabrikarbeiter, er hat die Arbeiter im hand- werksmäßigen Betriebe, in der Hausindustrie zu erfassen. Die im Verkehrs- wesen, in Handel und Wandel Tätigen, die kaufmännischen Angestellten so gut wie die in den der Beherbung und Erquickung dienenden Gewerben beschäftigten Arbeiter bedürfen der staatlichen Fürsorge nicht minder, wie die Millionen,

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Zitationshilfe: Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kautsky_grundsaetze_1907/57>, abgerufen am 21.11.2024.