Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.An einen Ingenieur, Liebhaber der Phyllis. 1766. Du kennst den Grund der Festungswerke. Mit einem Blicke messest du Der Schanzen und der Mauern Stärke; Doch meine Muse ruft dir zu: So wahr, als Friedrich unvergessen Bewundert wird in später Zeit, So wahr ist dies Unmöglichkeit Des Herzens Tiefen auszumessen. Sei klug, bedenke dich so schlau Wie einst Ulysses ist gewesen, Nie wirst du der verschmitzten Frau Verborgenste Gedanken lesen. Sie decket ihre feinste List Mit Blumen zu, bis du gefangen Gleich einem Dohnenvogel bist. Sie schmachtet, seufzt, netzt ihre Wangen Mit Thränen, die sie künftig weint. An einen Ingenieur, Liebhaber der Phyllis. 1766. Du kennſt den Grund der Feſtungswerke. Mit einem Blicke meſſeſt du Der Schanzen und der Mauern Staͤrke; Doch meine Muſe ruft dir zu: So wahr, als Friedrich unvergeſſen Bewundert wird in ſpaͤter Zeit, So wahr iſt dies Unmoͤglichkeit Des Herzens Tiefen auszumeſſen. Sei klug, bedenke dich ſo ſchlau Wie einſt Ulyſſes iſt geweſen, Nie wirſt du der verſchmitzten Frau Verborgenſte Gedanken leſen. Sie decket ihre feinſte Liſt Mit Blumen zu, bis du gefangen Gleich einem Dohnenvogel biſt. Sie ſchmachtet, ſeufzt, netzt ihre Wangen Mit Thraͤnen, die ſie kuͤnftig weint. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0461" n="301"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">An einen Ingenieur</hi>,</hi><lb/> Liebhaber der Phyllis.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <dateline> <hi rendition="#c">1766.</hi> </dateline><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>u kennſt den Grund der Feſtungswerke.</l><lb/> <l>Mit einem Blicke meſſeſt du</l><lb/> <l>Der Schanzen und der Mauern Staͤrke;</l><lb/> <l>Doch meine Muſe ruft dir zu:</l><lb/> <l>So wahr, als Friedrich unvergeſſen</l><lb/> <l>Bewundert wird in ſpaͤter Zeit,</l><lb/> <l>So wahr iſt dies Unmoͤglichkeit</l><lb/> <l>Des Herzens Tiefen auszumeſſen.</l><lb/> <l>Sei klug, bedenke dich ſo ſchlau</l><lb/> <l>Wie einſt Ulyſſes iſt geweſen,</l><lb/> <l>Nie wirſt du der verſchmitzten Frau</l><lb/> <l>Verborgenſte Gedanken leſen.</l><lb/> <l>Sie decket ihre feinſte Liſt</l><lb/> <l>Mit Blumen zu, bis du gefangen</l><lb/> <l>Gleich einem Dohnenvogel biſt.</l><lb/> <l>Sie ſchmachtet, ſeufzt, netzt ihre Wangen</l><lb/> <l>Mit Thraͤnen, die ſie kuͤnftig weint.</l><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [301/0461]
An einen Ingenieur,
Liebhaber der Phyllis.
1766.
Du kennſt den Grund der Feſtungswerke.
Mit einem Blicke meſſeſt du
Der Schanzen und der Mauern Staͤrke;
Doch meine Muſe ruft dir zu:
So wahr, als Friedrich unvergeſſen
Bewundert wird in ſpaͤter Zeit,
So wahr iſt dies Unmoͤglichkeit
Des Herzens Tiefen auszumeſſen.
Sei klug, bedenke dich ſo ſchlau
Wie einſt Ulyſſes iſt geweſen,
Nie wirſt du der verſchmitzten Frau
Verborgenſte Gedanken leſen.
Sie decket ihre feinſte Liſt
Mit Blumen zu, bis du gefangen
Gleich einem Dohnenvogel biſt.
Sie ſchmachtet, ſeufzt, netzt ihre Wangen
Mit Thraͤnen, die ſie kuͤnftig weint.
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Zitationshilfe: | Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/461>, abgerufen am 21.02.2025. |