da mit dem Begehrungsvermögen nothwendig Lust oder Unlust verbunden ist (es sey daß sie wie beym unteren, vor dem Princip desselben vorhergehe oder wie beym obe- ren, nur aus der Bestimmung desselben durchs morali- sche Gesetz folge), eben so wohl einen Uebergang von reinen Erkenntnisvermögen, d. i. vom Gebiete der Na- turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken werde, als sie im logischen Gebrauche den Uebergang vom Verstande zur Vernunft möglich macht.
Wenn also gleich die Philosophie nur in zwey Haupt- theile, die theoretische und practische eingetheilt werden kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin- cipien der Urtheilskraft zu sagen haben möchten, in ihr zum theoretischen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis nach Naturbegriffen, gezählt werden müßte: so besteht doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieses vor der Unternehmung jenes Systems, zum Behuf der Mög- lichkeit desselben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der Critik des reinen Verstandes, der reinen Urtheilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermögen darum rein genannt werden, weil sie a priori gesetzgebend sind.
IV. Von der Urtheilskraft, als einem a priori gesetzgebenden Vermögen.
Urtheilskraft überhaupt ist das Vermögen das Be- sondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.
b 4
Einleitung.
da mit dem Begehrungsvermoͤgen nothwendig Luſt oder Unluſt verbunden iſt (es ſey daß ſie wie beym unteren, vor dem Princip deſſelben vorhergehe oder wie beym obe- ren, nur aus der Beſtimmung deſſelben durchs morali- ſche Geſetz folge), eben ſo wohl einen Uebergang von reinen Erkenntnisvermoͤgen, d. i. vom Gebiete der Na- turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken werde, als ſie im logiſchen Gebrauche den Uebergang vom Verſtande zur Vernunft moͤglich macht.
Wenn alſo gleich die Philoſophie nur in zwey Haupt- theile, die theoretiſche und practiſche eingetheilt werden kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin- cipien der Urtheilskraft zu ſagen haben moͤchten, in ihr zum theoretiſchen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis nach Naturbegriffen, gezaͤhlt werden muͤßte: ſo beſteht doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieſes vor der Unternehmung jenes Syſtems, zum Behuf der Moͤg- lichkeit deſſelben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der Critik des reinen Verſtandes, der reinen Urtheilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermoͤgen darum rein genannt werden, weil ſie a priori geſetzgebend ſind.
IV. Von der Urtheilskraft, als einem a priori geſetzgebenden Vermoͤgen.
Urtheilskraft uͤberhaupt iſt das Vermoͤgen das Be- ſondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.
b 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0029"n="XXIII"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung.</hi></fw><lb/>
da mit dem Begehrungsvermoͤgen nothwendig Luſt oder<lb/>
Unluſt verbunden iſt (es ſey daß ſie wie beym unteren,<lb/>
vor dem Princip deſſelben vorhergehe oder wie beym obe-<lb/>
ren, nur aus der Beſtimmung deſſelben durchs morali-<lb/>ſche Geſetz folge), eben ſo wohl einen Uebergang von<lb/>
reinen Erkenntnisvermoͤgen, d. i. vom Gebiete der Na-<lb/>
turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken<lb/>
werde, als ſie im logiſchen Gebrauche den Uebergang<lb/>
vom Verſtande zur Vernunft moͤglich macht.</p><lb/><p>Wenn alſo gleich die Philoſophie nur in zwey Haupt-<lb/>
theile, die theoretiſche und practiſche eingetheilt werden<lb/>
kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin-<lb/>
cipien der Urtheilskraft zu ſagen haben moͤchten, in ihr<lb/>
zum theoretiſchen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis<lb/>
nach Naturbegriffen, gezaͤhlt werden muͤßte: ſo beſteht<lb/>
doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieſes vor<lb/>
der Unternehmung jenes Syſtems, zum Behuf der Moͤg-<lb/>
lichkeit deſſelben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der<lb/>
Critik des reinen Verſtandes, der reinen Urtheilskraft<lb/>
und der reinen Vernunft, welche Vermoͤgen darum rein<lb/>
genannt werden, weil ſie <hirendition="#aq">a priori</hi> geſetzgebend ſind.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Von der Urtheilskraft, als einem <hirendition="#aq">a priori</hi><lb/>
geſetzgebenden Vermoͤgen.</hi></head><lb/><p>Urtheilskraft uͤberhaupt iſt das Vermoͤgen das Be-<lb/>ſondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">b 4</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[XXIII/0029]
Einleitung.
da mit dem Begehrungsvermoͤgen nothwendig Luſt oder
Unluſt verbunden iſt (es ſey daß ſie wie beym unteren,
vor dem Princip deſſelben vorhergehe oder wie beym obe-
ren, nur aus der Beſtimmung deſſelben durchs morali-
ſche Geſetz folge), eben ſo wohl einen Uebergang von
reinen Erkenntnisvermoͤgen, d. i. vom Gebiete der Na-
turbegriffe zum Gebiete des Freyheitsbegrifs bewirken
werde, als ſie im logiſchen Gebrauche den Uebergang
vom Verſtande zur Vernunft moͤglich macht.
Wenn alſo gleich die Philoſophie nur in zwey Haupt-
theile, die theoretiſche und practiſche eingetheilt werden
kann, wenn gleich alles, was wir von den eignen Prin-
cipien der Urtheilskraft zu ſagen haben moͤchten, in ihr
zum theoretiſchen Theile, d. i. dem Vernunfterkenntnis
nach Naturbegriffen, gezaͤhlt werden muͤßte: ſo beſteht
doch die Critik der reinen Vernunft, die alles dieſes vor
der Unternehmung jenes Syſtems, zum Behuf der Moͤg-
lichkeit deſſelben, ausmachen muß, aus drey Theilen: der
Critik des reinen Verſtandes, der reinen Urtheilskraft
und der reinen Vernunft, welche Vermoͤgen darum rein
genannt werden, weil ſie a priori geſetzgebend ſind.
IV.
Von der Urtheilskraft, als einem a priori
geſetzgebenden Vermoͤgen.
Urtheilskraft uͤberhaupt iſt das Vermoͤgen das Be-
ſondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.
b 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/29>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.