Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft. Viertes Moment des Geschmacksurtheils nach der Modalität des Wohlgefallens an dem Gegenstande. §. 18. Was die Modalität eines Geschmacks- urtheils sey. Von einer jeden Vorstellung kann ich sagen: wenig- daß man ihre Figur auf irgend eine Absicht und einen be-
stimmten Zweck bezieht. Daher auch gar kein unmittelba- res Wohlgefallen an ihrer Anschauung. Eine Blume aber z. B. eine Tulpe, wird für schön gehalten, weil eine ge- wisse Zweckmäßigkeit, die so, wie wir sie beurtheilen, auf gar keinen Zweck bezogen wird, in ihrer Wahrnehmung an- getroffen wird. I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. Viertes Moment des Geſchmacksurtheils nach der Modalitaͤt des Wohlgefallens an dem Gegenſtande. §. 18. Was die Modalitaͤt eines Geſchmacks- urtheils ſey. Von einer jeden Vorſtellung kann ich ſagen: wenig- daß man ihre Figur auf irgend eine Abſicht und einen be-
ſtimmten Zweck bezieht. Daher auch gar kein unmittelba- res Wohlgefallen an ihrer Anſchauung. Eine Blume aber z. B. eine Tulpe, wird fuͤr ſchoͤn gehalten, weil eine ge- wiſſe Zweckmaͤßigkeit, die ſo, wie wir ſie beurtheilen, auf gar keinen Zweck bezogen wird, in ihrer Wahrnehmung an- getroffen wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0125" n="61"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Viertes Moment</hi><lb/> des Geſchmacksurtheils nach der Modalitaͤt<lb/> des Wohlgefallens an dem Gegenſtande.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b">§. 18.<lb/> Was die Modalitaͤt eines Geſchmacks-<lb/> urtheils ſey.</hi> </head><lb/> <p>Von einer jeden Vorſtellung kann ich ſagen: wenig-<lb/> ſtens es ſey <hi rendition="#fr">moͤglich</hi>, daß ſie (als Erkenntnis) mit ei-<lb/> ner Luſt verbunden ſey. Von dem, was ich <hi rendition="#fr">angenehm</hi><lb/> nenne, ſage ich, daß es in mir <hi rendition="#fr">wirklich</hi> Luſt bewirke.<lb/> Vom <hi rendition="#fr">Schoͤnen</hi> aber denkt man ſich, daß es eine noth-<lb/> wendige Beziehung aufs Wohlgefallen habe. Dieſe<lb/> Nothwendigkeit aber iſt von beſonderer Art, nicht eine<lb/> theoretiſche objective Nothwendigkeit, da <hi rendition="#aq">a priori</hi> erkannt<lb/> werden kann, daß jedermann dieſes Wrhlgefallen an<lb/> dem von mir ſchoͤn genannten Gegenſtande <hi rendition="#fr">fuͤhlen<lb/> werde</hi>, auch nicht eine practiſche, da durch Begriffe<lb/> eines reinen Vernunftwillens, der freyhandelnden Weſen<lb/> zur Regel dient, dieſes Wohlgefallen die nothwendige<lb/><note xml:id="fn125" prev="#fn124" place="foot" n="*)">daß man ihre Figur auf irgend eine Abſicht und einen be-<lb/> ſtimmten Zweck bezieht. Daher auch gar kein unmittelba-<lb/> res Wohlgefallen an ihrer Anſchauung. Eine Blume aber<lb/> z. B. eine Tulpe, wird fuͤr ſchoͤn gehalten, weil eine ge-<lb/> wiſſe Zweckmaͤßigkeit, die ſo, wie wir ſie beurtheilen, auf<lb/> gar keinen Zweck bezogen wird, in ihrer Wahrnehmung an-<lb/> getroffen wird.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0125]
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Viertes Moment
des Geſchmacksurtheils nach der Modalitaͤt
des Wohlgefallens an dem Gegenſtande.
§. 18.
Was die Modalitaͤt eines Geſchmacks-
urtheils ſey.
Von einer jeden Vorſtellung kann ich ſagen: wenig-
ſtens es ſey moͤglich, daß ſie (als Erkenntnis) mit ei-
ner Luſt verbunden ſey. Von dem, was ich angenehm
nenne, ſage ich, daß es in mir wirklich Luſt bewirke.
Vom Schoͤnen aber denkt man ſich, daß es eine noth-
wendige Beziehung aufs Wohlgefallen habe. Dieſe
Nothwendigkeit aber iſt von beſonderer Art, nicht eine
theoretiſche objective Nothwendigkeit, da a priori erkannt
werden kann, daß jedermann dieſes Wrhlgefallen an
dem von mir ſchoͤn genannten Gegenſtande fuͤhlen
werde, auch nicht eine practiſche, da durch Begriffe
eines reinen Vernunftwillens, der freyhandelnden Weſen
zur Regel dient, dieſes Wohlgefallen die nothwendige
*)
*) daß man ihre Figur auf irgend eine Abſicht und einen be-
ſtimmten Zweck bezieht. Daher auch gar kein unmittelba-
res Wohlgefallen an ihrer Anſchauung. Eine Blume aber
z. B. eine Tulpe, wird fuͤr ſchoͤn gehalten, weil eine ge-
wiſſe Zweckmaͤßigkeit, die ſo, wie wir ſie beurtheilen, auf
gar keinen Zweck bezogen wird, in ihrer Wahrnehmung an-
getroffen wird.
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