Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Methodenlehre I. Hauptst. II. Absch.
(subiectiv) ist selbst ein System, aber in ihrem reinen Ge-
brauche, vermittelst blosser Begriffe, nur ein System der
Nachforschung nach Grundsätzen der Einheit, zu welcher
Erfahrung allein den Stoff hergeben kan. Von der ei-
genthümlichen Methode einer Transscendentalphilosophie
läßt sich aber hier nichts sagen, da wir es nur mit einer
Critik unserer Vermögensumstände zu thun haben, ob wir
überall bauen und wie hoch wir wol unser Gebäude, aus
dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori),
aufführen können.

Des ersten Hauptstücks
Zweiter Abschnitt.
Die
Disciplin der reinen Vernunft in Ansehung

ihres polemischen Gebrauchs.

Die Vernunft muß sich in allen ihren Unternehmungen
der Critik unterwerfen und kan der Freiheit dersel-
ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne sich selbst zu
schaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf sich zu
ziehen. Da ist nun nichts so wichtig, in Ansehung des
Nutzens, nichts so heilig, daß sich dieser prüfenden und
musternden Durchsuchung, die kein Ansehen der Person
kent, entziehen dürfte. Auf dieser Freiheit beruht so gar
die Existenz der Vernunft, die kein dictatorisches Ansehen
hat, sondern deren Ausspruch iederzeit nichts als die Ein-
stimmung freier Bürger ist, deren ieglicher seine Bedenk-

lich

Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch.
(ſubiectiv) iſt ſelbſt ein Syſtem, aber in ihrem reinen Ge-
brauche, vermittelſt bloſſer Begriffe, nur ein Syſtem der
Nachforſchung nach Grundſaͤtzen der Einheit, zu welcher
Erfahrung allein den Stoff hergeben kan. Von der ei-
genthuͤmlichen Methode einer Transſcendentalphiloſophie
laͤßt ſich aber hier nichts ſagen, da wir es nur mit einer
Critik unſerer Vermoͤgensumſtaͤnde zu thun haben, ob wir
uͤberall bauen und wie hoch wir wol unſer Gebaͤude, aus
dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori),
auffuͤhren koͤnnen.

Des erſten Hauptſtuͤcks
Zweiter Abſchnitt.
Die
Diſciplin der reinen Vernunft in Anſehung

ihres polemiſchen Gebrauchs.

Die Vernunft muß ſich in allen ihren Unternehmungen
der Critik unterwerfen und kan der Freiheit derſel-
ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne ſich ſelbſt zu
ſchaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf ſich zu
ziehen. Da iſt nun nichts ſo wichtig, in Anſehung des
Nutzens, nichts ſo heilig, daß ſich dieſer pruͤfenden und
muſternden Durchſuchung, die kein Anſehen der Perſon
kent, entziehen duͤrfte. Auf dieſer Freiheit beruht ſo gar
die Exiſtenz der Vernunft, die kein dictatoriſches Anſehen
hat, ſondern deren Ausſpruch iederzeit nichts als die Ein-
ſtimmung freier Buͤrger iſt, deren ieglicher ſeine Bedenk-

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0768" n="738"/><fw place="top" type="header">Methodenlehre <hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;t. <hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;ch.</fw><lb/>
(&#x017F;ubiectiv) i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t ein Sy&#x017F;tem, aber in ihrem reinen Ge-<lb/>
brauche, vermittel&#x017F;t blo&#x017F;&#x017F;er Begriffe, nur ein Sy&#x017F;tem der<lb/>
Nachfor&#x017F;chung nach Grund&#x017F;a&#x0364;tzen der Einheit, zu welcher<lb/><hi rendition="#fr">Erfahrung</hi> allein den Stoff hergeben kan. Von der ei-<lb/>
genthu&#x0364;mlichen Methode einer Trans&#x017F;cendentalphilo&#x017F;ophie<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich aber hier nichts &#x017F;agen, da wir es nur mit einer<lb/>
Critik un&#x017F;erer Vermo&#x0364;gensum&#x017F;ta&#x0364;nde zu thun haben, ob wir<lb/>
u&#x0364;berall bauen und wie hoch wir wol un&#x017F;er Geba&#x0364;ude, aus<lb/>
dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen <hi rendition="#aq">a priori)</hi>,<lb/>
auffu&#x0364;hren ko&#x0364;nnen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Des er&#x017F;ten Haupt&#x017F;tu&#x0364;cks</hi><lb/>
Zweiter Ab&#x017F;chnitt.<lb/><hi rendition="#g">Die</hi><lb/>
Di&#x017F;ciplin der reinen Vernunft in An&#x017F;ehung</hi><lb/>
ihres polemi&#x017F;chen Gebrauchs.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Vernunft muß &#x017F;ich in allen ihren Unternehmungen<lb/>
der Critik unterwerfen und kan der Freiheit der&#x017F;el-<lb/>
ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
&#x017F;chaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf &#x017F;ich zu<lb/>
ziehen. Da i&#x017F;t nun nichts &#x017F;o wichtig, in An&#x017F;ehung des<lb/>
Nutzens, nichts &#x017F;o heilig, daß &#x017F;ich die&#x017F;er pru&#x0364;fenden und<lb/>
mu&#x017F;ternden Durch&#x017F;uchung, die kein An&#x017F;ehen der Per&#x017F;on<lb/>
kent, entziehen du&#x0364;rfte. Auf die&#x017F;er Freiheit beruht &#x017F;o gar<lb/>
die Exi&#x017F;tenz der Vernunft, die kein dictatori&#x017F;ches An&#x017F;ehen<lb/>
hat, &#x017F;ondern deren Aus&#x017F;pruch iederzeit nichts als die Ein-<lb/>
&#x017F;timmung freier Bu&#x0364;rger i&#x017F;t, deren ieglicher &#x017F;eine Bedenk-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[738/0768] Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch. (ſubiectiv) iſt ſelbſt ein Syſtem, aber in ihrem reinen Ge- brauche, vermittelſt bloſſer Begriffe, nur ein Syſtem der Nachforſchung nach Grundſaͤtzen der Einheit, zu welcher Erfahrung allein den Stoff hergeben kan. Von der ei- genthuͤmlichen Methode einer Transſcendentalphiloſophie laͤßt ſich aber hier nichts ſagen, da wir es nur mit einer Critik unſerer Vermoͤgensumſtaͤnde zu thun haben, ob wir uͤberall bauen und wie hoch wir wol unſer Gebaͤude, aus dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori), auffuͤhren koͤnnen. Des erſten Hauptſtuͤcks Zweiter Abſchnitt. Die Diſciplin der reinen Vernunft in Anſehung ihres polemiſchen Gebrauchs. Die Vernunft muß ſich in allen ihren Unternehmungen der Critik unterwerfen und kan der Freiheit derſel- ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne ſich ſelbſt zu ſchaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf ſich zu ziehen. Da iſt nun nichts ſo wichtig, in Anſehung des Nutzens, nichts ſo heilig, daß ſich dieſer pruͤfenden und muſternden Durchſuchung, die kein Anſehen der Perſon kent, entziehen duͤrfte. Auf dieſer Freiheit beruht ſo gar die Exiſtenz der Vernunft, die kein dictatoriſches Anſehen hat, ſondern deren Ausſpruch iederzeit nichts als die Ein- ſtimmung freier Buͤrger iſt, deren ieglicher ſeine Bedenk- lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/768
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/768>, abgerufen am 21.11.2024.