Von der Endabsicht der natürlichen Dialectik der menschlichen Vernunft.
Die Ideen der reinen Vernunft können nimmermehr an sich selbst dialectisch seyn, sondern ihr blosser Mißbrauch muß es allein machen, daß uns von ihnen ein trüglicher Schein entspringt; denn sie sind uns durch die Natur un- serer Vernunft aufgegeben und dieser oberste Gerichtshof aller Rechte und Ansprüche unserer Speculation kan un- möglich selbst ursprüngliche Täuschungen und Blendwerke enthalten. Vermuthlich werden sie also ihre gute und zweckmässige Bestimmung in der Naturanlage unserer Ver- nunft haben. Der Pöbel der Vernünftler schreit aber, wie gewöhnlich, über Ungereimtheit und Widersprüche und schmähet auf die Regierung, in deren innerste Plane er nicht zu dringen vermag, deren wohlthätigen Einflüssen er auch selbst seine Erhaltung und so gar die Cultur ver- danken solte, die ihn in den Stand sezt, sie zu tadeln und zu verurtheilen.
Man kan sich eines Begriffs a priori mit keiner Sicherheit bedienen, ohne seine transscendentale Deduction zu Stande gebracht zu haben. Die Ideen der reinen Vernunft verstatten zwar keine Deduction von der Art, als die Ca- tegorien; sollen sie aber im mindesten einige, wenn auch nur unbestimte, obiective Gültigkeit haben und nicht blos leere Gedankendinge (entia rationis ratiocinanus) vorstellen,
so
VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
Von der Endabſicht der natuͤrlichen Dialectik der menſchlichen Vernunft.
Die Ideen der reinen Vernunft koͤnnen nimmermehr an ſich ſelbſt dialectiſch ſeyn, ſondern ihr bloſſer Mißbrauch muß es allein machen, daß uns von ihnen ein truͤglicher Schein entſpringt; denn ſie ſind uns durch die Natur un- ſerer Vernunft aufgegeben und dieſer oberſte Gerichtshof aller Rechte und Anſpruͤche unſerer Speculation kan un- moͤglich ſelbſt urſpruͤngliche Taͤuſchungen und Blendwerke enthalten. Vermuthlich werden ſie alſo ihre gute und zweckmaͤſſige Beſtimmung in der Naturanlage unſerer Ver- nunft haben. Der Poͤbel der Vernuͤnftler ſchreit aber, wie gewoͤhnlich, uͤber Ungereimtheit und Widerſpruͤche und ſchmaͤhet auf die Regierung, in deren innerſte Plane er nicht zu dringen vermag, deren wohlthaͤtigen Einfluͤſſen er auch ſelbſt ſeine Erhaltung und ſo gar die Cultur ver- danken ſolte, die ihn in den Stand ſezt, ſie zu tadeln und zu verurtheilen.
Man kan ſich eines Begriffs a priori mit keiner Sicherheit bedienen, ohne ſeine transſcendentale Deduction zu Stande gebracht zu haben. Die Ideen der reinen Vernunft verſtatten zwar keine Deduction von der Art, als die Ca- tegorien; ſollen ſie aber im mindeſten einige, wenn auch nur unbeſtimte, obiective Guͤltigkeit haben und nicht blos leere Gedankendinge (entia rationis ratiocinanus) vorſtellen,
ſo
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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
Von der
Endabſicht der natuͤrlichen Dialectik der
menſchlichen Vernunft.
Die Ideen der reinen Vernunft koͤnnen nimmermehr
an ſich ſelbſt dialectiſch ſeyn, ſondern ihr bloſſer Mißbrauch
muß es allein machen, daß uns von ihnen ein truͤglicher
Schein entſpringt; denn ſie ſind uns durch die Natur un-
ſerer Vernunft aufgegeben und dieſer oberſte Gerichtshof
aller Rechte und Anſpruͤche unſerer Speculation kan un-
moͤglich ſelbſt urſpruͤngliche Taͤuſchungen und Blendwerke
enthalten. Vermuthlich werden ſie alſo ihre gute und
zweckmaͤſſige Beſtimmung in der Naturanlage unſerer Ver-
nunft haben. Der Poͤbel der Vernuͤnftler ſchreit aber,
wie gewoͤhnlich, uͤber Ungereimtheit und Widerſpruͤche und
ſchmaͤhet auf die Regierung, in deren innerſte Plane er
nicht zu dringen vermag, deren wohlthaͤtigen Einfluͤſſen
er auch ſelbſt ſeine Erhaltung und ſo gar die Cultur ver-
danken ſolte, die ihn in den Stand ſezt, ſie zu tadeln und
zu verurtheilen.
Man kan ſich eines Begriffs a priori mit keiner
Sicherheit bedienen, ohne ſeine transſcendentale Deduction
zu Stande gebracht zu haben. Die Ideen der reinen Vernunft
verſtatten zwar keine Deduction von der Art, als die Ca-
tegorien; ſollen ſie aber im mindeſten einige, wenn auch nur
unbeſtimte, obiective Guͤltigkeit haben und nicht blos leere
Gedankendinge (entia rationis ratiocinanus) vorſtellen,
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/699>, abgerufen am 21.11.2024.
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