a) Der Raum stellet gar keine Eigenschaft irgend einiger Dinge an sich, oder sie in ihrem Verhältniß auf einander [vo]r, d. i. keine Bestimmung derselben, die an Ge- genständen selbst haftete, und welche bliebe, wenn man auch von allen subiectiven Bedingungen der Anschauung abstrahirte. Denn weder absolute, noch relative Bestim- mungen können vor dem Daseyn der Dinge, welchen sie zukommen, mithin nicht a priori angeschaut werden.
b) Der Raum ist nichts anders, als nur die Form aller Erscheinungen äusserer Sinne, d. i. die subiective Be- dingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns äussere An- schauung möglich ist. Weil nun die Receptivität des Sub- iects, von Gegenständen afficirt zu werden, nothwendi- ger Weise vor allen Anschauungen dieser Obiecte vorhergeht, [ - 2 Zeichen fehlen] läßt sich verstehen, wie die Form aller Erscheinungen [vor] allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemüthe gegeben seyn könne, und wie sie als eine reine Anschauung, in der alle Gegenstände bestimmt werden müssen, Principien der Verhältnisse derselben vor aller Erfahrung enthalten könne.
Wir können demnach nur aus dem Standpuncte eines Menschen vom Raum von ausgedehnten Wesen etc. reden. Gehen wir von der subiectiven Bedingung ab, unter wel- cher wir allein äussere Anschauung bekommen können, so wie wir nemlich von den Gegenständen afficirt werden mögen, so bedeutet die Vorstellung vom Raume gar nichts.
Dieses
Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
Schluͤſſe aus obigen Begriffen.
a) Der Raum ſtellet gar keine Eigenſchaft irgend einiger Dinge an ſich, oder ſie in ihrem Verhaͤltniß auf einander [vo]r, d. i. keine Beſtimmung derſelben, die an Ge- genſtaͤnden ſelbſt haftete, und welche bliebe, wenn man auch von allen ſubiectiven Bedingungen der Anſchauung abſtrahirte. Denn weder abſolute, noch relative Beſtim- mungen koͤnnen vor dem Daſeyn der Dinge, welchen ſie zukommen, mithin nicht a priori angeſchaut werden.
b) Der Raum iſt nichts anders, als nur die Form aller Erſcheinungen aͤuſſerer Sinne, d. i. die ſubiective Be- dingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns aͤuſſere An- ſchauung moͤglich iſt. Weil nun die Receptivitaͤt des Sub- iects, von Gegenſtaͤnden afficirt zu werden, nothwendi- ger Weiſe vor allen Anſchauungen dieſer Obiecte vorhergeht, [ – 2 Zeichen fehlen] laͤßt ſich verſtehen, wie die Form aller Erſcheinungen [vor] allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori im Gemuͤthe gegeben ſeyn koͤnne, und wie ſie als eine reine Anſchauung, in der alle Gegenſtaͤnde beſtimmt werden muͤſſen, Principien der Verhaͤltniſſe derſelben vor aller Erfahrung enthalten koͤnne.
Wir koͤnnen demnach nur aus dem Standpuncte eines Menſchen vom Raum von ausgedehnten Weſen ꝛc. reden. Gehen wir von der ſubiectiven Bedingung ab, unter wel- cher wir allein aͤuſſere Anſchauung bekommen koͤnnen, ſo wie wir nemlich von den Gegenſtaͤnden afficirt werden moͤgen, ſo bedeutet die Vorſtellung vom Raume gar nichts.
Dieſes
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Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
Schluͤſſe aus obigen Begriffen.
a) Der Raum ſtellet gar keine Eigenſchaft irgend
einiger Dinge an ſich, oder ſie in ihrem Verhaͤltniß auf
einander vor, d. i. keine Beſtimmung derſelben, die an Ge-
genſtaͤnden ſelbſt haftete, und welche bliebe, wenn man
auch von allen ſubiectiven Bedingungen der Anſchauung
abſtrahirte. Denn weder abſolute, noch relative Beſtim-
mungen koͤnnen vor dem Daſeyn der Dinge, welchen ſie
zukommen, mithin nicht a priori angeſchaut werden.
b) Der Raum iſt nichts anders, als nur die Form
aller Erſcheinungen aͤuſſerer Sinne, d. i. die ſubiective Be-
dingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns aͤuſſere An-
ſchauung moͤglich iſt. Weil nun die Receptivitaͤt des Sub-
iects, von Gegenſtaͤnden afficirt zu werden, nothwendi-
ger Weiſe vor allen Anſchauungen dieſer Obiecte vorhergeht,
__ laͤßt ſich verſtehen, wie die Form aller Erſcheinungen
vor allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori im
Gemuͤthe gegeben ſeyn koͤnne, und wie ſie als eine reine
Anſchauung, in der alle Gegenſtaͤnde beſtimmt werden
muͤſſen, Principien der Verhaͤltniſſe derſelben vor aller
Erfahrung enthalten koͤnne.
Wir koͤnnen demnach nur aus dem Standpuncte eines
Menſchen vom Raum von ausgedehnten Weſen ꝛc. reden.
Gehen wir von der ſubiectiven Bedingung ab, unter wel-
cher wir allein aͤuſſere Anſchauung bekommen koͤnnen, ſo
wie wir nemlich von den Gegenſtaͤnden afficirt werden
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/56>, abgerufen am 21.12.2024.
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