Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

einen ersten Anfang und also überhaupt keine Vollständigkeit
der Reihe auf der Seite der von einander abstammenden
Ursachen. Nun besteht aber eben darin das Gesetz der Natur:
daß ohne hinreichend a priori bestimte Ursache nichts ge-
schehe. Also widerspricht der Satz, als wenn alle Caus-
salität nur nach Naturgesetzen möglich sey, sich selbst in
seiner unbeschränkten Allgemeinheit, und diese kan also
nicht als die einzige angenommen werden.

Diesemnach muß eine Caussalität angenommen wer-
den, durch welche etwas geschieht, ohne daß die Ursache
davon noch weiter, durch eine andere vorhergehende Ur-
sache, nach nothwendigen Gesetzen bestimt sey, d. i. eine
absolute Spontaneität der Ursachen, eine Reihe von Er-
scheinungen, die nach Naturgesetzen läuft, von selbst an-
zufangen, mithin transscendentale Freiheit, ohne welche
selbst im Laufe der Natur die Reihenfolge der Erscheinun-
gen auf der Seite der Ursachen niemals vollständig ist.

An-

einen erſten Anfang und alſo uͤberhaupt keine Vollſtaͤndigkeit
der Reihe auf der Seite der von einander abſtammenden
Urſachen. Nun beſteht aber eben darin das Geſetz der Natur:
daß ohne hinreichend a priori beſtimte Urſache nichts ge-
ſchehe. Alſo widerſpricht der Satz, als wenn alle Cauſ-
ſalitaͤt nur nach Naturgeſetzen moͤglich ſey, ſich ſelbſt in
ſeiner unbeſchraͤnkten Allgemeinheit, und dieſe kan alſo
nicht als die einzige angenommen werden.

Dieſemnach muß eine Cauſſalitaͤt angenommen wer-
den, durch welche etwas geſchieht, ohne daß die Urſache
davon noch weiter, durch eine andere vorhergehende Ur-
ſache, nach nothwendigen Geſetzen beſtimt ſey, d. i. eine
abſolute Spontaneitaͤt der Urſachen, eine Reihe von Er-
ſcheinungen, die nach Naturgeſetzen laͤuft, von ſelbſt an-
zufangen, mithin transſcendentale Freiheit, ohne welche
ſelbſt im Laufe der Natur die Reihenfolge der Erſcheinun-
gen auf der Seite der Urſachen niemals vollſtaͤndig iſt.

An-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0476" n="[446]"/>
                    <div next="#f0478" xml:id="f0476" prev="#f0474" n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <p prev="#f0474p">einen er&#x017F;ten Anfang und al&#x017F;o u&#x0364;berhaupt keine Voll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit<lb/>
der Reihe auf der Seite der von einander ab&#x017F;tammenden<lb/>
Ur&#x017F;achen. Nun be&#x017F;teht aber eben darin das Ge&#x017F;etz der Natur:<lb/>
daß ohne hinreichend <hi rendition="#aq">a priori</hi> be&#x017F;timte Ur&#x017F;ache nichts ge-<lb/>
&#x017F;chehe. Al&#x017F;o wider&#x017F;pricht der Satz, als wenn alle Cau&#x017F;-<lb/>
&#x017F;alita&#x0364;t nur nach Naturge&#x017F;etzen mo&#x0364;glich &#x017F;ey, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
&#x017F;einer unbe&#x017F;chra&#x0364;nkten Allgemeinheit, und die&#x017F;e kan al&#x017F;o<lb/>
nicht als die einzige angenommen werden.</p><lb/>
                          <p>Die&#x017F;emnach muß eine Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t angenommen wer-<lb/>
den, durch welche etwas ge&#x017F;chieht, ohne daß die Ur&#x017F;ache<lb/>
davon noch weiter, durch eine andere vorhergehende Ur-<lb/>
&#x017F;ache, nach nothwendigen Ge&#x017F;etzen be&#x017F;timt &#x017F;ey, d. i. eine<lb/>
ab&#x017F;olute Spontaneita&#x0364;t der Ur&#x017F;achen, eine Reihe von Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen, die nach Naturge&#x017F;etzen la&#x0364;uft, von &#x017F;elb&#x017F;t an-<lb/>
zufangen, mithin trans&#x017F;cendentale Freiheit, ohne welche<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t im Laufe der Natur die Reihenfolge der Er&#x017F;cheinun-<lb/>
gen auf der Seite der Ur&#x017F;achen niemals voll&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t.</p>
                        </div>
                      </div>
                    </div><lb/>
                    <fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[446]/0476] einen erſten Anfang und alſo uͤberhaupt keine Vollſtaͤndigkeit der Reihe auf der Seite der von einander abſtammenden Urſachen. Nun beſteht aber eben darin das Geſetz der Natur: daß ohne hinreichend a priori beſtimte Urſache nichts ge- ſchehe. Alſo widerſpricht der Satz, als wenn alle Cauſ- ſalitaͤt nur nach Naturgeſetzen moͤglich ſey, ſich ſelbſt in ſeiner unbeſchraͤnkten Allgemeinheit, und dieſe kan alſo nicht als die einzige angenommen werden. Dieſemnach muß eine Cauſſalitaͤt angenommen wer- den, durch welche etwas geſchieht, ohne daß die Urſache davon noch weiter, durch eine andere vorhergehende Ur- ſache, nach nothwendigen Geſetzen beſtimt ſey, d. i. eine abſolute Spontaneitaͤt der Urſachen, eine Reihe von Er- ſcheinungen, die nach Naturgeſetzen laͤuft, von ſelbſt an- zufangen, mithin transſcendentale Freiheit, ohne welche ſelbſt im Laufe der Natur die Reihenfolge der Erſcheinun- gen auf der Seite der Urſachen niemals vollſtaͤndig iſt. An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/476
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [446]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/476>, abgerufen am 23.11.2024.