Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt ge- schieht lediglich nach Gesetzen der Natur:
Beweis.
Setzet: es gebe eine Freiheit im transscendentalen Verstande, als eine besondere Art von Caussalität, nach welcher die Begebenheiten der Welt erfolgen könten, nem- lich ein Vermögen einen Zustand, mithin, auch eine Reihe von Folgen desselben schlechthin anzufangen, so wird nicht allein eine Reihe durch diese Spontaneität, sondern die Bestimmung dieser Spontaneität selbst zur Hervorbrin- nung der Reihe, d. i. die Caussalität wird schlechthin an- fangen, so daß nichts vorhergeht, wodurch diese gesche- hende Handlung nach beständigen Gesetzen bestimt sey. Es sezt aber ein ieder Anfang zu handeln einen Zustand der noch nicht handelnden Ursache voraus, und ein dynamisch erster Anfang der Handlung, einen Zustand, der mit dem vorhergehenden eben derselben Ursache gar keinen Zusam- menhang der Caussalität hat, d. i. auf keine Weise dar- aus erfolgt. Also ist die transscendentale Freiheit dem Caussalgesetze entgegen und eine solche Verbindung der suc-
cessiven
der reinen Vernunft
der transſcendentalen Ideen.
Antitheſis.
Es iſt keine Freiheit, ſondern alles in der Welt ge- ſchieht lediglich nach Geſetzen der Natur:
Beweis.
Setzet: es gebe eine Freiheit im transſcendentalen Verſtande, als eine beſondere Art von Cauſſalitaͤt, nach welcher die Begebenheiten der Welt erfolgen koͤnten, nem- lich ein Vermoͤgen einen Zuſtand, mithin, auch eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen, ſo wird nicht allein eine Reihe durch dieſe Spontaneitaͤt, ſondern die Beſtimmung dieſer Spontaneitaͤt ſelbſt zur Hervorbrin- nung der Reihe, d. i. die Cauſſalitaͤt wird ſchlechthin an- fangen, ſo daß nichts vorhergeht, wodurch dieſe geſche- hende Handlung nach beſtaͤndigen Geſetzen beſtimt ſey. Es ſezt aber ein ieder Anfang zu handeln einen Zuſtand der noch nicht handelnden Urſache voraus, und ein dynamiſch erſter Anfang der Handlung, einen Zuſtand, der mit dem vorhergehenden eben derſelben Urſache gar keinen Zuſam- menhang der Cauſſalitaͤt hat, d. i. auf keine Weiſe dar- aus erfolgt. Alſo iſt die transſcendentale Freiheit dem Cauſſalgeſetze entgegen und eine ſolche Verbindung der ſuc-
ceſſiven
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0475"n="[445]"/><divnext="#f0477"xml:id="f0475"prev="#f0473"n="8"><divn="9"><headprev="#f0474h">der reinen Vernunft</head><lb/><divn="10"><headprev="#f04742h">der transſcendentalen Ideen.</head><lb/><divn="11"><head><hirendition="#b">Antitheſis.</hi></head><lb/><p>Es iſt keine Freiheit, ſondern alles in der Welt ge-<lb/>ſchieht lediglich nach Geſetzen der Natur:</p></div><lb/><divn="11"><head><hirendition="#b">Beweis.</hi></head><lb/><pxml:id="f0475p">Setzet: es gebe eine Freiheit im transſcendentalen<lb/>
Verſtande, als eine beſondere Art von Cauſſalitaͤt, nach<lb/>
welcher die Begebenheiten der Welt erfolgen koͤnten, nem-<lb/>
lich ein Vermoͤgen einen Zuſtand, mithin, auch eine Reihe<lb/>
von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen, ſo wird nicht<lb/>
allein eine Reihe durch dieſe Spontaneitaͤt, ſondern die<lb/>
Beſtimmung dieſer Spontaneitaͤt ſelbſt zur Hervorbrin-<lb/>
nung der Reihe, d. i. die Cauſſalitaͤt wird ſchlechthin an-<lb/>
fangen, ſo daß nichts vorhergeht, wodurch dieſe geſche-<lb/>
hende Handlung nach beſtaͤndigen Geſetzen beſtimt ſey. Es<lb/>ſezt aber ein ieder Anfang zu handeln einen Zuſtand der<lb/>
noch nicht handelnden Urſache voraus, und ein dynamiſch<lb/>
erſter Anfang der Handlung, einen Zuſtand, der mit dem<lb/>
vorhergehenden eben derſelben Urſache gar keinen Zuſam-<lb/>
menhang der Cauſſalitaͤt hat, d. i. auf keine Weiſe dar-<lb/>
aus erfolgt. Alſo iſt die transſcendentale Freiheit dem<lb/>
Cauſſalgeſetze entgegen und eine ſolche Verbindung der ſuc-<lb/></p></div></div></div></div><fwplace="bottom"type="catch">ceſſiven</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[[445]/0475]
der reinen Vernunft
der transſcendentalen Ideen.
Antitheſis.
Es iſt keine Freiheit, ſondern alles in der Welt ge-
ſchieht lediglich nach Geſetzen der Natur:
Beweis.
Setzet: es gebe eine Freiheit im transſcendentalen
Verſtande, als eine beſondere Art von Cauſſalitaͤt, nach
welcher die Begebenheiten der Welt erfolgen koͤnten, nem-
lich ein Vermoͤgen einen Zuſtand, mithin, auch eine Reihe
von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen, ſo wird nicht
allein eine Reihe durch dieſe Spontaneitaͤt, ſondern die
Beſtimmung dieſer Spontaneitaͤt ſelbſt zur Hervorbrin-
nung der Reihe, d. i. die Cauſſalitaͤt wird ſchlechthin an-
fangen, ſo daß nichts vorhergeht, wodurch dieſe geſche-
hende Handlung nach beſtaͤndigen Geſetzen beſtimt ſey. Es
ſezt aber ein ieder Anfang zu handeln einen Zuſtand der
noch nicht handelnden Urſache voraus, und ein dynamiſch
erſter Anfang der Handlung, einen Zuſtand, der mit dem
vorhergehenden eben derſelben Urſache gar keinen Zuſam-
menhang der Cauſſalitaͤt hat, d. i. auf keine Weiſe dar-
aus erfolgt. Alſo iſt die transſcendentale Freiheit dem
Cauſſalgeſetze entgegen und eine ſolche Verbindung der ſuc-
ceſſiven
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [445]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/475>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.