Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
theils wegen eben dieser unbedingten Totalität, worauf auch der Begriff des Weltganzen beruht, der selbst nur eine Idee ist, theils weil sie lediglich auf die Synthesis der Erscheinungen, mithin die empirische gehen, dahin- gegen die absolute Totalität, in der Synthesis der Bedin- gungen aller möglichen Dinge überhaupt, ein Ideal der reinen Vernunft veranlassen wird, welches von dem Welt- begriffe gänzlich unterschieden ist, ob es gleich darauf in Beziehung steht. Daher, so wie die Paralogismen der reinen Vernunft den Grund zu einer dialectischen Psycho- logie legten, so wird die Antinomie der reinen Vernunft die transscendentale Grundsätze einer vermeinten reinen (rationalen) Cosmologie vor Augen stellen, nicht, um sie gültig zu finden und sich zuzueignen, sondern, wie es auch schon die Benennung von einem Widerstreit der Vernunft anzeigt, um sie als eine Idee, die sich mit Erscheinungen nicht vereinbaren läßt, in ihrem blendenden aber falschen Scheine darzustellen.
Der Antinomie der reinen Vernunft Erster Abschnitt. System der cosmologischen Ideen.
Um nun diese Ideen nach einem Princip mit systemati- scher Präcision aufzehlen zu können, müssen wir Erstlich bemerken: daß nur der Verstand es seyn, aus welchem reine und transscendentale Begriffe entspringen
kön-
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
theils wegen eben dieſer unbedingten Totalitaͤt, worauf auch der Begriff des Weltganzen beruht, der ſelbſt nur eine Idee iſt, theils weil ſie lediglich auf die Syntheſis der Erſcheinungen, mithin die empiriſche gehen, dahin- gegen die abſolute Totalitaͤt, in der Syntheſis der Bedin- gungen aller moͤglichen Dinge uͤberhaupt, ein Ideal der reinen Vernunft veranlaſſen wird, welches von dem Welt- begriffe gaͤnzlich unterſchieden iſt, ob es gleich darauf in Beziehung ſteht. Daher, ſo wie die Paralogismen der reinen Vernunft den Grund zu einer dialectiſchen Pſycho- logie legten, ſo wird die Antinomie der reinen Vernunft die transſcendentale Grundſaͤtze einer vermeinten reinen (rationalen) Cosmologie vor Augen ſtellen, nicht, um ſie guͤltig zu finden und ſich zuzueignen, ſondern, wie es auch ſchon die Benennung von einem Widerſtreit der Vernunft anzeigt, um ſie als eine Idee, die ſich mit Erſcheinungen nicht vereinbaren laͤßt, in ihrem blendenden aber falſchen Scheine darzuſtellen.
Der Antinomie der reinen Vernunft Erſter Abſchnitt. Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
Um nun dieſe Ideen nach einem Princip mit ſyſtemati- ſcher Praͤciſion aufzehlen zu koͤnnen, muͤſſen wir Erſtlich bemerken: daß nur der Verſtand es ſeyn, aus welchem reine und transſcendentale Begriffe entſpringen
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
theils wegen eben dieſer unbedingten Totalitaͤt, worauf
auch der Begriff des Weltganzen beruht, der ſelbſt nur
eine Idee iſt, theils weil ſie lediglich auf die Syntheſis
der Erſcheinungen, mithin die empiriſche gehen, dahin-
gegen die abſolute Totalitaͤt, in der Syntheſis der Bedin-
gungen aller moͤglichen Dinge uͤberhaupt, ein Ideal der
reinen Vernunft veranlaſſen wird, welches von dem Welt-
begriffe gaͤnzlich unterſchieden iſt, ob es gleich darauf in
Beziehung ſteht. Daher, ſo wie die Paralogismen der
reinen Vernunft den Grund zu einer dialectiſchen Pſycho-
logie legten, ſo wird die Antinomie der reinen Vernunft
die transſcendentale Grundſaͤtze einer vermeinten reinen
(rationalen) Cosmologie vor Augen ſtellen, nicht, um ſie
guͤltig zu finden und ſich zuzueignen, ſondern, wie es auch
ſchon die Benennung von einem Widerſtreit der Vernunft
anzeigt, um ſie als eine Idee, die ſich mit Erſcheinungen
nicht vereinbaren laͤßt, in ihrem blendenden aber falſchen
Scheine darzuſtellen.
Der
Antinomie der reinen Vernunft
Erſter Abſchnitt.
Syſtem der cosmologiſchen Ideen.
Um nun dieſe Ideen nach einem Princip mit ſyſtemati-
ſcher Praͤciſion aufzehlen zu koͤnnen, muͤſſen wir
Erſtlich bemerken: daß nur der Verſtand es ſeyn, aus
welchem reine und transſcendentale Begriffe entſpringen
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/438>, abgerufen am 21.11.2024.
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