Wenn ich in der vorhergehenden Abhandlung, durch die Reichhaltigkeit der Mate- rie verleitet, fast die Gränzen eines kleinen Aufsatzes überschritten habe, so werde ich itzt einige Nachrichten von dem kostbarsten und gesuchtestem Harze, dem Ambra, desto kürzer fassen. Der Ocean giebt es dem menschlichen Geschlecht aus seinen innersten Tiefen mit sparsamer Hand. Denn es ist nun einmal so die Weise der Natur, die allere- delsten Dinge am meisten zu verbergen, und am seltensten mitzutheilen.
Die Gelehrten streiten nicht wenig über die Entstehung und Materie des Ambra. Einige halten ihn für ein Harz, andre für eine Erdart; einige für einen Meerschwamm, andre für den Auswurf von gewissen Vögeln oder vom Wallfisch. Und so giebt es der Mei- nungen noch mehr. Nach meinen Erfahrungen ist unter allen keine weniger begründet, als da man neuerlich aus der blossen Aehnlichkeit der Materie oder des Geruchs hat folgern wol- len: "Der Ambra sey eine Vermischung von Honig und Wachs, die an den Meerufern von den Bienen angesezt, von der Sonne ausgekocht, vom Meere aufgenommen, und durch die Bewegung der Wellen und hinzugekommenen Satztheile zu dieser alleredelsten Substanz ausgearbeitet und bereitet werde". Diese Meinung ist behauptet in dem Jour- nal des Scavans de l'An. 1672. Conference seconde, presente par lean. Bab. Denis. Eine in der That höchsteitle Vermuthung, die bloß ihrer Neuheit wegen gefal- len und die von Kennern und genauern Untersuchern gebilligte Meinung verdrängen kann. Nach dieser ist der Ambra eine harzigte Erdart, oder eine |unter der Erde erzeugte fette Materie, die zum Harz ausgekocht, aus den unterirrdischen Gängen und Adern ins Meer gebracht, und nachher durch Salz und Sonnenwirkung verdikt ist. Jch will suchen diesen
neuen
*) Aus dem Amocnit. Exot. Fasc. III. Observ. XIV, p. 632 &c.
Zweiter Band. N n n
VI. Vom Ambra*).
§. 1.
Wenn ich in der vorhergehenden Abhandlung, durch die Reichhaltigkeit der Mate- rie verleitet, faſt die Graͤnzen eines kleinen Aufſatzes uͤberſchritten habe, ſo werde ich itzt einige Nachrichten von dem koſtbarſten und geſuchteſtem Harze, dem Ambra, deſto kuͤrzer faſſen. Der Ocean giebt es dem menſchlichen Geſchlecht aus ſeinen innerſten Tiefen mit ſparſamer Hand. Denn es iſt nun einmal ſo die Weiſe der Natur, die allere- delſten Dinge am meiſten zu verbergen, und am ſeltenſten mitzutheilen.
Die Gelehrten ſtreiten nicht wenig uͤber die Entſtehung und Materie des Ambra. Einige halten ihn fuͤr ein Harz, andre fuͤr eine Erdart; einige fuͤr einen Meerſchwamm, andre fuͤr den Auswurf von gewiſſen Voͤgeln oder vom Wallfiſch. Und ſo giebt es der Mei- nungen noch mehr. Nach meinen Erfahrungen iſt unter allen keine weniger begruͤndet, als da man neuerlich aus der bloſſen Aehnlichkeit der Materie oder des Geruchs hat folgern wol- len: „Der Ambra ſey eine Vermiſchung von Honig und Wachs, die an den Meerufern von den Bienen angeſezt, von der Sonne ausgekocht, vom Meere aufgenommen, und durch die Bewegung der Wellen und hinzugekommenen Satztheile zu dieſer alleredelſten Subſtanz ausgearbeitet und bereitet werde‟. Dieſe Meinung iſt behauptet in dem Jour- nal des Sçavans de l’An. 1672. Conference ſeconde, preſenté par lean. Bab. Denis. Eine in der That hoͤchſteitle Vermuthung, die bloß ihrer Neuheit wegen gefal- len und die von Kennern und genauern Unterſuchern gebilligte Meinung verdraͤngen kann. Nach dieſer iſt der Ambra eine harzigte Erdart, oder eine |unter der Erde erzeugte fette Materie, die zum Harz ausgekocht, aus den unterirrdiſchen Gaͤngen und Adern ins Meer gebracht, und nachher durch Salz und Sonnenwirkung verdikt iſt. Jch will ſuchen dieſen
neuen
*) Aus dem Amocnit. Exot. Faſc. III. Obſerv. XIV, p. 632 &c.
Zweiter Band. N n n
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VI.
Vom Ambra *).
§. 1.
Wenn ich in der vorhergehenden Abhandlung, durch die Reichhaltigkeit der Mate-
rie verleitet, faſt die Graͤnzen eines kleinen Aufſatzes uͤberſchritten habe, ſo werde
ich itzt einige Nachrichten von dem koſtbarſten und geſuchteſtem Harze, dem Ambra,
deſto kuͤrzer faſſen. Der Ocean giebt es dem menſchlichen Geſchlecht aus ſeinen innerſten
Tiefen mit ſparſamer Hand. Denn es iſt nun einmal ſo die Weiſe der Natur, die allere-
delſten Dinge am meiſten zu verbergen, und am ſeltenſten mitzutheilen.
Die Gelehrten ſtreiten nicht wenig uͤber die Entſtehung und Materie des Ambra.
Einige halten ihn fuͤr ein Harz, andre fuͤr eine Erdart; einige fuͤr einen Meerſchwamm,
andre fuͤr den Auswurf von gewiſſen Voͤgeln oder vom Wallfiſch. Und ſo giebt es der Mei-
nungen noch mehr. Nach meinen Erfahrungen iſt unter allen keine weniger begruͤndet, als
da man neuerlich aus der bloſſen Aehnlichkeit der Materie oder des Geruchs hat folgern wol-
len: „Der Ambra ſey eine Vermiſchung von Honig und Wachs, die an den Meerufern
von den Bienen angeſezt, von der Sonne ausgekocht, vom Meere aufgenommen, und
durch die Bewegung der Wellen und hinzugekommenen Satztheile zu dieſer alleredelſten
Subſtanz ausgearbeitet und bereitet werde‟. Dieſe Meinung iſt behauptet in dem Jour-
nal des Sçavans de l’An. 1672. Conference ſeconde, preſenté par lean. Bab.
Denis. Eine in der That hoͤchſteitle Vermuthung, die bloß ihrer Neuheit wegen gefal-
len und die von Kennern und genauern Unterſuchern gebilligte Meinung verdraͤngen kann.
Nach dieſer iſt der Ambra eine harzigte Erdart, oder eine |unter der Erde erzeugte fette
Materie, die zum Harz ausgekocht, aus den unterirrdiſchen Gaͤngen und Adern ins Meer
gebracht, und nachher durch Salz und Sonnenwirkung verdikt iſt. Jch will ſuchen dieſen
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*) Aus dem Amocnit. Exot. Faſc. III. Obſerv. XIV, p. 632 &c.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/529>, abgerufen am 21.11.2024.
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