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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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II.
Beweis, daß im Japanischen Reiche aus sehr guten
Eründen den Eingebornen der Ausgang, fremden Nationen der Ein-
gang, und alle Gemeinschaft dieses Landes mit der übrigen
Welt untersagt sey
*).


§. 1.

Man kan es vielleicht als ein Laster ansehn, die kleine Welt, welche wir bewohnen,
und als ein recht grobes Verbrechen, die menschliche Geselschaft auf derselben
zu trennen? Der scheint den Urheber der Natur selbst zu tadeln, der die
Scheidung seines Werks predigt. Wir Menschen sehn alle eine Sonne, treten alle eine
Erde, athmen eine Luft; keine Gränzen der Natur, keine Gesetze des Schöpfers trennen
uns von einander. Sollen wir zu einem geringern Glük, als Störche und Schwalben,
geboren seyn? Jst nicht unsre edle Seele ein Theil des Allerhöchsten und freiesten Wesens?
Jst es nicht schändlich, diesen Geist, der schon in einem Körper eingeschlossen und gefangen
ist, auch noch in den Kefig eines Landes beschränken zu wollen. Selbst die durch den wei-
ten Aether zerstreuete Gestirne beweisen dieses. Viele glauben nemlich, daß alle diese
schöne Welten nicht ganz nakt und umsonst, sondern mit mancherlei Arten von lebendigen
Geschöpfen geschmükt sind, welche den ersten Urheber aller Dinge lobten, noch ehe der
Grund unsrer Erde gelegt war, wie Gott selbst sagt, beim Hiob Cap. 38. Jeder, der
sich von den Fesseln der Schule etwas befreiet, zu erhabnen Betrachtungen seinen Geist
aufgeschwungen hat, wird kein Bedenken tragen, sich folgende Vorstellung zum Lobe Got-
tes zu machen. Die großen Weltkörper seyen gleichsam Städte, deren lebende Wesen
durch einen undurchdringlichen Zwischenraum von ganz verschiednen Elementen getrent sind.

Da-
*) Diese Abhaudlung befindet sich in den Amocn. exot. Fasc. II, Rel. 14. p. 478. etc.


II.
Beweis, daß im Japaniſchen Reiche aus ſehr guten
Eruͤnden den Eingebornen der Ausgang, fremden Nationen der Ein-
gang, und alle Gemeinſchaft dieſes Landes mit der uͤbrigen
Welt unterſagt ſey
*).


§. 1.

Man kan es vielleicht als ein Laſter anſehn, die kleine Welt, welche wir bewohnen,
und als ein recht grobes Verbrechen, die menſchliche Geſelſchaft auf derſelben
zu trennen? Der ſcheint den Urheber der Natur ſelbſt zu tadeln, der die
Scheidung ſeines Werks predigt. Wir Menſchen ſehn alle eine Sonne, treten alle eine
Erde, athmen eine Luft; keine Graͤnzen der Natur, keine Geſetze des Schoͤpfers trennen
uns von einander. Sollen wir zu einem geringern Gluͤk, als Stoͤrche und Schwalben,
geboren ſeyn? Jſt nicht unſre edle Seele ein Theil des Allerhoͤchſten und freieſten Weſens?
Jſt es nicht ſchaͤndlich, dieſen Geiſt, der ſchon in einem Koͤrper eingeſchloſſen und gefangen
iſt, auch noch in den Kefig eines Landes beſchraͤnken zu wollen. Selbſt die durch den wei-
ten Aether zerſtreuete Geſtirne beweiſen dieſes. Viele glauben nemlich, daß alle dieſe
ſchoͤne Welten nicht ganz nakt und umſonſt, ſondern mit mancherlei Arten von lebendigen
Geſchoͤpfen geſchmuͤkt ſind, welche den erſten Urheber aller Dinge lobten, noch ehe der
Grund unſrer Erde gelegt war, wie Gott ſelbſt ſagt, beim Hiob Cap. 38. Jeder, der
ſich von den Feſſeln der Schule etwas befreiet, zu erhabnen Betrachtungen ſeinen Geiſt
aufgeſchwungen hat, wird kein Bedenken tragen, ſich folgende Vorſtellung zum Lobe Got-
tes zu machen. Die großen Weltkoͤrper ſeyen gleichſam Staͤdte, deren lebende Weſen
durch einen undurchdringlichen Zwiſchenraum von ganz verſchiednen Elementen getrent ſind.

Da-
*) Dieſe Abhaudlung befindet ſich in den Amocn. exot. Faſc. II, Rel. 14. p. 478. ꝛc.
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[394/0448] II. Beweis, daß im Japaniſchen Reiche aus ſehr guten Eruͤnden den Eingebornen der Ausgang, fremden Nationen der Ein- gang, und alle Gemeinſchaft dieſes Landes mit der uͤbrigen Welt unterſagt ſey *). §. 1. Man kan es vielleicht als ein Laſter anſehn, die kleine Welt, welche wir bewohnen, und als ein recht grobes Verbrechen, die menſchliche Geſelſchaft auf derſelben zu trennen? Der ſcheint den Urheber der Natur ſelbſt zu tadeln, der die Scheidung ſeines Werks predigt. Wir Menſchen ſehn alle eine Sonne, treten alle eine Erde, athmen eine Luft; keine Graͤnzen der Natur, keine Geſetze des Schoͤpfers trennen uns von einander. Sollen wir zu einem geringern Gluͤk, als Stoͤrche und Schwalben, geboren ſeyn? Jſt nicht unſre edle Seele ein Theil des Allerhoͤchſten und freieſten Weſens? Jſt es nicht ſchaͤndlich, dieſen Geiſt, der ſchon in einem Koͤrper eingeſchloſſen und gefangen iſt, auch noch in den Kefig eines Landes beſchraͤnken zu wollen. Selbſt die durch den wei- ten Aether zerſtreuete Geſtirne beweiſen dieſes. Viele glauben nemlich, daß alle dieſe ſchoͤne Welten nicht ganz nakt und umſonſt, ſondern mit mancherlei Arten von lebendigen Geſchoͤpfen geſchmuͤkt ſind, welche den erſten Urheber aller Dinge lobten, noch ehe der Grund unſrer Erde gelegt war, wie Gott ſelbſt ſagt, beim Hiob Cap. 38. Jeder, der ſich von den Feſſeln der Schule etwas befreiet, zu erhabnen Betrachtungen ſeinen Geiſt aufgeſchwungen hat, wird kein Bedenken tragen, ſich folgende Vorſtellung zum Lobe Got- tes zu machen. Die großen Weltkoͤrper ſeyen gleichſam Staͤdte, deren lebende Weſen durch einen undurchdringlichen Zwiſchenraum von ganz verſchiednen Elementen getrent ſind. Da- *) Dieſe Abhaudlung befindet ſich in den Amocn. exot. Faſc. II, Rel. 14. p. 478. ꝛc.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/448>, abgerufen am 21.11.2024.