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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
auf einen tiefen Schläfer. Seit Carl V hatte kein feindliches
Heer von Belang den spanischen Boden betreten. "Im ganzen
Umkreis Spaniens hörte und sah man nichts als Lärm von Kriegs-
instrumenten, Rekruten einstellen, Compagnien formen, Auf-
sitzen, Märsche von einer Provinz zur andern, alles aber für die
Provinz Guipuzcoa. Die Stadt Madrid war in einen grossen
Werbe- und Waffenplatz verwandelt, täglich passirten glänzende,
wolausgerüstete Truppen, ausgehoben von Herren und Städten" 1).

Der Ausgang der Belagerung von Fuenterrabia, die von Land
und See her, durch Conde und den Erzbischof Sourdis von Bor-
deaux in Scene gesetzt worden war, schien kaum zweifelhaft. Die
Festung war unvorbereitet überfallen worden. Der Admiral von
Castilien musste erst einige hundert Mann hineinwerfen, um die
Besatzung vertheidigungsfähig zu machen. Schwere Schläge,
z. B. die Verbrennung ihrer Flotte, trafen die Spanier. Der Kom-
mandant Miguel Perez fiel auf der Mauer; durch Sprengung einer
Bastion wurde der Sturm an zwei Punkten ermöglicht. Aber
man liess den Belagerten Zeit sich in der Bresche zu verschan-
zen; und das Zerwürfniss zwischen Conde und dem Erzbischof
machte dem Admiral die Bahn frei für einen Angriff auf das
französische Lager, der eine völlige Auflösung bewirkte. Conde
selbst rettete sich watend nach einem Boote.

Dieser grosse Tag des 7. Septembers rief in Madrid uner-
messlichen Jubel hervor und wurde durch grosse, mit dem Besuch
des Herzogs von Modena zusammenfallende Feste gefeiert.

Besonders hatte sich ein Hauptmann in allen kritischen
Augenblicken hervorgethan: Don Adrian Pulido. Er war ein
Sohn von Madrid und man kann sich vorstellen, wie bei jenen
Festen aller Augen auf ihn gerichtet waren, als Spiegel kasti-
lischen Heldenthums. Als Miguel de Ubilla mit Nachrichten und
Entsatz vom Admiral von Castilien an den Gouverneur gesandt
wurde, schlossen sich ihm Pulido und Martin de Sepulveda an,
die nach Auszeichnung trachteten; es gelang ihnen in der That
in die Festung einzudringen und das Vertrauen ihrer Insassen
aufzurichten. Bei dem Ausfall vom 8. August, wo der Comman-
dant fiel, wurde er verwundet. Als die "Bastei der Königin"
(1. September) in die Luft flog, vertheidigte er sechs Stunden

1654, traduc. 1763, Pamplona. S. 76. 186. 190. 193. Sitio y socorro de Fuen-
terrabia por D. J. Palafox y Mendoza, Madrid 1639 und oft.
1) Novoa, Historia de Felipe IV. Docum. ined. 79, 549.

Fünftes Buch.
auf einen tiefen Schläfer. Seit Carl V hatte kein feindliches
Heer von Belang den spanischen Boden betreten. „Im ganzen
Umkreis Spaniens hörte und sah man nichts als Lärm von Kriegs-
instrumenten, Rekruten einstellen, Compagnien formen, Auf-
sitzen, Märsche von einer Provinz zur andern, alles aber für die
Provinz Guipuzcoa. Die Stadt Madrid war in einen grossen
Werbe- und Waffenplatz verwandelt, täglich passirten glänzende,
wolausgerüstete Truppen, ausgehoben von Herren und Städten“ 1).

Der Ausgang der Belagerung von Fuenterrabia, die von Land
und See her, durch Condé und den Erzbischof Sourdis von Bor-
deaux in Scene gesetzt worden war, schien kaum zweifelhaft. Die
Festung war unvorbereitet überfallen worden. Der Admiral von
Castilien musste erst einige hundert Mann hineinwerfen, um die
Besatzung vertheidigungsfähig zu machen. Schwere Schläge,
z. B. die Verbrennung ihrer Flotte, trafen die Spanier. Der Kom-
mandant Miguel Perez fiel auf der Mauer; durch Sprengung einer
Bastion wurde der Sturm an zwei Punkten ermöglicht. Aber
man liess den Belagerten Zeit sich in der Bresche zu verschan-
zen; und das Zerwürfniss zwischen Condé und dem Erzbischof
machte dem Admiral die Bahn frei für einen Angriff auf das
französische Lager, der eine völlige Auflösung bewirkte. Condé
selbst rettete sich watend nach einem Boote.

Dieser grosse Tag des 7. Septembers rief in Madrid uner-
messlichen Jubel hervor und wurde durch grosse, mit dem Besuch
des Herzogs von Modena zusammenfallende Feste gefeiert.

Besonders hatte sich ein Hauptmann in allen kritischen
Augenblicken hervorgethan: Don Adrian Pulido. Er war ein
Sohn von Madrid und man kann sich vorstellen, wie bei jenen
Festen aller Augen auf ihn gerichtet waren, als Spiegel kasti-
lischen Heldenthums. Als Miguel de Ubilla mit Nachrichten und
Entsatz vom Admiral von Castilien an den Gouverneur gesandt
wurde, schlossen sich ihm Pulido und Martin de Sepúlveda an,
die nach Auszeichnung trachteten; es gelang ihnen in der That
in die Festung einzudringen und das Vertrauen ihrer Insassen
aufzurichten. Bei dem Ausfall vom 8. August, wo der Comman-
dant fiel, wurde er verwundet. Als die „Bastei der Königin“
(1. September) in die Luft flog, vertheidigte er sechs Stunden

1654, traduc. 1763, Pamplona. S. 76. 186. 190. 193. Sitio y socorro de Fuen-
terrabía por D. J. Palafox y Mendoza, Madrid 1639 und oft.
1) Novoa, Historia de Felipe IV. Docum. inéd. 79, 549.
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[70/0090] Fünftes Buch. auf einen tiefen Schläfer. Seit Carl V hatte kein feindliches Heer von Belang den spanischen Boden betreten. „Im ganzen Umkreis Spaniens hörte und sah man nichts als Lärm von Kriegs- instrumenten, Rekruten einstellen, Compagnien formen, Auf- sitzen, Märsche von einer Provinz zur andern, alles aber für die Provinz Guipuzcoa. Die Stadt Madrid war in einen grossen Werbe- und Waffenplatz verwandelt, täglich passirten glänzende, wolausgerüstete Truppen, ausgehoben von Herren und Städten“ 1). Der Ausgang der Belagerung von Fuenterrabia, die von Land und See her, durch Condé und den Erzbischof Sourdis von Bor- deaux in Scene gesetzt worden war, schien kaum zweifelhaft. Die Festung war unvorbereitet überfallen worden. Der Admiral von Castilien musste erst einige hundert Mann hineinwerfen, um die Besatzung vertheidigungsfähig zu machen. Schwere Schläge, z. B. die Verbrennung ihrer Flotte, trafen die Spanier. Der Kom- mandant Miguel Perez fiel auf der Mauer; durch Sprengung einer Bastion wurde der Sturm an zwei Punkten ermöglicht. Aber man liess den Belagerten Zeit sich in der Bresche zu verschan- zen; und das Zerwürfniss zwischen Condé und dem Erzbischof machte dem Admiral die Bahn frei für einen Angriff auf das französische Lager, der eine völlige Auflösung bewirkte. Condé selbst rettete sich watend nach einem Boote. Dieser grosse Tag des 7. Septembers rief in Madrid uner- messlichen Jubel hervor und wurde durch grosse, mit dem Besuch des Herzogs von Modena zusammenfallende Feste gefeiert. Besonders hatte sich ein Hauptmann in allen kritischen Augenblicken hervorgethan: Don Adrian Pulido. Er war ein Sohn von Madrid und man kann sich vorstellen, wie bei jenen Festen aller Augen auf ihn gerichtet waren, als Spiegel kasti- lischen Heldenthums. Als Miguel de Ubilla mit Nachrichten und Entsatz vom Admiral von Castilien an den Gouverneur gesandt wurde, schlossen sich ihm Pulido und Martin de Sepúlveda an, die nach Auszeichnung trachteten; es gelang ihnen in der That in die Festung einzudringen und das Vertrauen ihrer Insassen aufzurichten. Bei dem Ausfall vom 8. August, wo der Comman- dant fiel, wurde er verwundet. Als die „Bastei der Königin“ (1. September) in die Luft flog, vertheidigte er sechs Stunden 2) 1) Novoa, Historia de Felipe IV. Docum. inéd. 79, 549. 2) 1654, traduc. 1763, Pamplona. S. 76. 186. 190. 193. Sitio y socorro de Fuen- terrabía por D. J. Palafox y Mendoza, Madrid 1639 und oft.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/90>, abgerufen am 27.04.2024.