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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.

Der amerikanische Katalog kennt sechszehn solcher Kopien
und Repliken, die alle für Originalwiederholungen oder Skiz-
zen ausgegeben worden sind. Aber schon die Auktionspreise
lassen erkennen, dass der Glaube an ihre Echtheit von jeher
schwach gewesen ist. Der frühste Velazquez, dem Curtis in
Versteigerungskatalogen begegnet ist, war ein solcher Innocenz
(London 1725).

An sich ist indess nicht unwahrscheinlich, dass der Maler
das Bildniss wenigstens für seinen König wiederholt, und eine
Studie zu solchem Zweck aufbewahrt hat. In der That erzählt
Palomino, dass er eine (eigenhändige) Kopie nach Spanien mit-
gebracht. Eine Halbfigur von drei Fuss Höhe kommt in den
Inventaren des neuen Bourbonenpalasts vor, wo sie Cean Ber-
mudez (Diccion. V, 179) sah 1). Sie ist wahrscheinlich in den
Kriegszeiten verschwunden. Das grosse Gemälde im königlichen
Palast von S. Lorenzo ist von andrer Hand, obwol die Gestalt
völlig mit dem Doriabild stimmt. Der Pabst, hier in ganzer
Figur, bis auf die rothen Pantoffeln, sitzt in seinem Arbeits-
cabinet, neben ihm steht ein alter Prälat mit grämlich strengem
Blick, kahler Stirn und starkgebogner Nase. An der Wand sieht
man einen Schrank von Ebenholz mit sechs Schiebfächern, darauf
eine goldne Standuhr unter Glasglocke; darüber hängt das Bild
eines Mönchs mit krummem Rücken, Rosenkranz und Kreuz in
der Hand, der heil. Felix? Es wird dort Peter Berettini zuge-
schrieben 2).

Die einzige unter den mir bekannten Wiederholungen,
welche sicher vom Meister selbst herrührt, ist jenes Brustbild
in Apsley House. Da auch die Maasse ungeführ stimmen, so
könnte man es für die von Palomino erwähnte Selbstcopie
halten, obwol es vielmehr eine ausgeführte Studie scheint. Allein
die Genealogie spricht dagegen. Es stimmt nämlich ganz über-
ein mit dem von Le Brun in seinem Recueil mitgetheilten Umriss-

pronounced the finest picture in Rome. This and the St. Michael of Guido was,
they say, the only ones he condescended to copy. Diary of Th. Moore, ed. by
Lord John Russell. London 1853. III, 62.
1) Un retrato del Papa Innocencio 10. de medio cuerpo, de vara de alto y
poco menos de ancho, original de Velazquez. Inventar von 1792. In dem von
1789 hängt es in der Pieza del Oratorio.
2) Im Escorialkatalog von Polero (Nr. 542 7' 7" 7''' x 6') Urban VIII ge-
nannt. Auf dem Brief steht wie in der Bute'schen Copie Alla Sta di No. Signore |
Por | Pietro Martire Neri.
Sechstes Buch.

Der amerikanische Katalog kennt sechszehn solcher Kopien
und Repliken, die alle für Originalwiederholungen oder Skiz-
zen ausgegeben worden sind. Aber schon die Auktionspreise
lassen erkennen, dass der Glaube an ihre Echtheit von jeher
schwach gewesen ist. Der frühste Velazquez, dem Curtis in
Versteigerungskatalogen begegnet ist, war ein solcher Innocenz
(London 1725).

An sich ist indess nicht unwahrscheinlich, dass der Maler
das Bildniss wenigstens für seinen König wiederholt, und eine
Studie zu solchem Zweck aufbewahrt hat. In der That erzählt
Palomino, dass er eine (eigenhändige) Kopie nach Spanien mit-
gebracht. Eine Halbfigur von drei Fuss Höhe kommt in den
Inventaren des neuen Bourbonenpalasts vor, wo sie Cean Ber-
mudez (Diccion. V, 179) sah 1). Sie ist wahrscheinlich in den
Kriegszeiten verschwunden. Das grosse Gemälde im königlichen
Palast von S. Lorenzo ist von andrer Hand, obwol die Gestalt
völlig mit dem Doriabild stimmt. Der Pabst, hier in ganzer
Figur, bis auf die rothen Pantoffeln, sitzt in seinem Arbeits-
cabinet, neben ihm steht ein alter Prälat mit grämlich strengem
Blick, kahler Stirn und starkgebogner Nase. An der Wand sieht
man einen Schrank von Ebenholz mit sechs Schiebfächern, darauf
eine goldne Standuhr unter Glasglocke; darüber hängt das Bild
eines Mönchs mit krummem Rücken, Rosenkranz und Kreuz in
der Hand, der heil. Felix? Es wird dort Peter Berettini zuge-
schrieben 2).

Die einzige unter den mir bekannten Wiederholungen,
welche sicher vom Meister selbst herrührt, ist jenes Brustbild
in Apsley House. Da auch die Maasse ungeführ stimmen, so
könnte man es für die von Palomino erwähnte Selbstcopie
halten, obwol es vielmehr eine ausgeführte Studie scheint. Allein
die Genealogie spricht dagegen. Es stimmt nämlich ganz über-
ein mit dem von Le Brun in seinem Recueil mitgetheilten Umriss-

pronounced the finest picture in Rome. This and the St. Michael of Guido was,
they say, the only ones he condescended to copy. Diary of Th. Moore, ed. by
Lord John Russell. London 1853. III, 62.
1) Un retrato del Papa Innocencio 10. de medio cuerpo, de vara de alto y
poco menos de ancho, original de Velazquez. Inventar von 1792. In dem von
1789 hängt es in der Pieza del Oratorio.
2) Im Escorialkatalog von Poleró (Nr. 542 7' 7″ 7‴ × 6') Urban VIII ge-
nannt. Auf dem Brief steht wie in der Bute’schen Copie Alla S di No. Signore |
Por | Pietro Martire Neri.
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[190/0210] Sechstes Buch. Der amerikanische Katalog kennt sechszehn solcher Kopien und Repliken, die alle für Originalwiederholungen oder Skiz- zen ausgegeben worden sind. Aber schon die Auktionspreise lassen erkennen, dass der Glaube an ihre Echtheit von jeher schwach gewesen ist. Der frühste Velazquez, dem Curtis in Versteigerungskatalogen begegnet ist, war ein solcher Innocenz (London 1725). An sich ist indess nicht unwahrscheinlich, dass der Maler das Bildniss wenigstens für seinen König wiederholt, und eine Studie zu solchem Zweck aufbewahrt hat. In der That erzählt Palomino, dass er eine (eigenhändige) Kopie nach Spanien mit- gebracht. Eine Halbfigur von drei Fuss Höhe kommt in den Inventaren des neuen Bourbonenpalasts vor, wo sie Cean Ber- mudez (Diccion. V, 179) sah 1). Sie ist wahrscheinlich in den Kriegszeiten verschwunden. Das grosse Gemälde im königlichen Palast von S. Lorenzo ist von andrer Hand, obwol die Gestalt völlig mit dem Doriabild stimmt. Der Pabst, hier in ganzer Figur, bis auf die rothen Pantoffeln, sitzt in seinem Arbeits- cabinet, neben ihm steht ein alter Prälat mit grämlich strengem Blick, kahler Stirn und starkgebogner Nase. An der Wand sieht man einen Schrank von Ebenholz mit sechs Schiebfächern, darauf eine goldne Standuhr unter Glasglocke; darüber hängt das Bild eines Mönchs mit krummem Rücken, Rosenkranz und Kreuz in der Hand, der heil. Felix? Es wird dort Peter Berettini zuge- schrieben 2). Die einzige unter den mir bekannten Wiederholungen, welche sicher vom Meister selbst herrührt, ist jenes Brustbild in Apsley House. Da auch die Maasse ungeführ stimmen, so könnte man es für die von Palomino erwähnte Selbstcopie halten, obwol es vielmehr eine ausgeführte Studie scheint. Allein die Genealogie spricht dagegen. Es stimmt nämlich ganz über- ein mit dem von Le Brun in seinem Recueil mitgetheilten Umriss- 6) 1) Un retrato del Papa Innocencio 10. de medio cuerpo, de vara de alto y poco menos de ancho, original de Velazquez. Inventar von 1792. In dem von 1789 hängt es in der Pieza del Oratorio. 2) Im Escorialkatalog von Poleró (Nr. 542 7' 7″ 7‴ × 6') Urban VIII ge- nannt. Auf dem Brief steht wie in der Bute’schen Copie Alla Stà di No. Signore | Por | Pietro Martire Neri. 6) pronounced the finest picture in Rome. This and the St. Michael of Guido was, they say, the only ones he condescended to copy. Diary of Th. Moore, ed. by Lord John Russell. London 1853. III, 62.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/210>, abgerufen am 26.04.2024.