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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Reiterbildniss Philipp IV.
mit Olivares als Pendant. Sie ist in satten, dem Meister eigen-
thümlichen Farben, in dünnem Auftrag, und nach der Sicherheit
und Einfachheit der Mache, von sehr geübter Hand gemalt, doch
ist der Ton schwerer ohne den Schimmer und die Durchsichtig-
keit. Aehnlich aber flüchtiger ist das Exemplar in San Telmo
zu Sevilla, welches aus der Salamancagalerie stammt und ein Ge-
schenk der Königin Isabella II an ihre Schwester war (46" x 39").
Die übrigen sind weit geringer, in Farbe und Führung der Schule
fremd. Das Thomas Baring'sche (23" x 17"), aus der Sammlung
des Dichters S. Rogers, jetzt bei Lord Northbrook, ist ein düsteres,
unruhiges Machwerk mit dicker Paste, wildem Strich und grellen
Glanzlichtern. Noch ungetreuer war das ehemals in Leigh Court
befindliche (18" x 6"). Der König hat hier den drohenden Blick
eines Bramarbas, seine Physiognomie ist entstellt (z. B. die rund-
lich vordringende Nasenspitze), die Malerei flüchtig und doch
hart1). Das rohste Machwerk ist das in der Akademie zu Wien
(513), mit Braun und einem dunkelgrün gewordenen Blau von irgend
einem Faustmaler zusammengebraut.

Hier ist der Ort, das lebensgrosse Reiterbild in der Galerie
der Uffizien zu erwähnen, das von vermeintlichen Autoritäten,
und selbst noch von dem scharfsichtigen Mr. Curtis für das nach
Florenz geschickte Musterbild erklärt worden ist.

Der König erscheint hier umschwebt von allegorischen Flü-
gelwesen, einer blitzschleudernden Kriegsgöttin und einer Fides,
welche das Kreuz auf den Erdglobus pflanzt, ein Mohr eilt mit
dem Helm hinter ihm her. Da diess Rubens'sche, aus andern
Gemälden und Stichen bekannte Figuren sind (bei seiner Thron-
besteigung widmete ihm Lucas Vorsterman einen blitzschleudern-
den heil. Michael nach Rubens), so haben besser unterrichtete
Kenner das Gemälde für die Kopie eines Rubensschülers nach
Velazquez erklärt, andere für eine Arbeit Gaspar de Crayer's,
von dem bekannt ist, dass er in Madrid war. Der Antwerpener
Maler ist dem Cardinalinfanten in dessen letzten Lebensjahren
nahegetreten; sein Bildniss von 1639 hatte bei Hof so gefallen,
dass der König einmal abgehn wollte von dem Vorsatz, nur Ve-
lazquez zu sitzen. Indess wird seine Autorschaft ausgeschlossen
durch das Alter des Königs, der mindestens hoch in den Vierzigen

1) "Ein kleines Bild von sehr vorzüglicher Art, in dem nur ihm eigenen,
hellen, klaren und doch satten Ton, weich und zugleich frei mit flüssigem Pinsel
vorgetragen". Waagen, Künstler und Kunstwerke, II, 357.
II. 7

Das Reiterbildniss Philipp IV.
mit Olivares als Pendant. Sie ist in satten, dem Meister eigen-
thümlichen Farben, in dünnem Auftrag, und nach der Sicherheit
und Einfachheit der Mache, von sehr geübter Hand gemalt, doch
ist der Ton schwerer ohne den Schimmer und die Durchsichtig-
keit. Aehnlich aber flüchtiger ist das Exemplar in San Telmo
zu Sevilla, welches aus der Salamancagalerie stammt und ein Ge-
schenk der Königin Isabella II an ihre Schwester war (46″ × 39″).
Die übrigen sind weit geringer, in Farbe und Führung der Schule
fremd. Das Thomas Baring’sche (23″ × 17″), aus der Sammlung
des Dichters S. Rogers, jetzt bei Lord Northbrook, ist ein düsteres,
unruhiges Machwerk mit dicker Paste, wildem Strich und grellen
Glanzlichtern. Noch ungetreuer war das ehemals in Leigh Court
befindliche (18″ × 6″). Der König hat hier den drohenden Blick
eines Bramarbas, seine Physiognomie ist entstellt (z. B. die rund-
lich vordringende Nasenspitze), die Malerei flüchtig und doch
hart1). Das rohste Machwerk ist das in der Akademie zu Wien
(513), mit Braun und einem dunkelgrün gewordenen Blau von irgend
einem Faustmaler zusammengebraut.

Hier ist der Ort, das lebensgrosse Reiterbild in der Galerie
der Uffizien zu erwähnen, das von vermeintlichen Autoritäten,
und selbst noch von dem scharfsichtigen Mr. Curtis für das nach
Florenz geschickte Musterbild erklärt worden ist.

Der König erscheint hier umschwebt von allegorischen Flü-
gelwesen, einer blitzschleudernden Kriegsgöttin und einer Fides,
welche das Kreuz auf den Erdglobus pflanzt, ein Mohr eilt mit
dem Helm hinter ihm her. Da diess Rubens’sche, aus andern
Gemälden und Stichen bekannte Figuren sind (bei seiner Thron-
besteigung widmete ihm Lucas Vorsterman einen blitzschleudern-
den heil. Michael nach Rubens), so haben besser unterrichtete
Kenner das Gemälde für die Kopie eines Rubensschülers nach
Velazquez erklärt, andere für eine Arbeit Gaspar de Crayer’s,
von dem bekannt ist, dass er in Madrid war. Der Antwerpener
Maler ist dem Cardinalinfanten in dessen letzten Lebensjahren
nahegetreten; sein Bildniss von 1639 hatte bei Hof so gefallen,
dass der König einmal abgehn wollte von dem Vorsatz, nur Ve-
lazquez zu sitzen. Indess wird seine Autorschaft ausgeschlossen
durch das Alter des Königs, der mindestens hoch in den Vierzigen

1) „Ein kleines Bild von sehr vorzüglicher Art, in dem nur ihm eigenen,
hellen, klaren und doch satten Ton, weich und zugleich frei mit flüssigem Pinsel
vorgetragen“. Waagen, Künstler und Kunstwerke, II, 357.
II. 7
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[97/0117] Das Reiterbildniss Philipp IV. mit Olivares als Pendant. Sie ist in satten, dem Meister eigen- thümlichen Farben, in dünnem Auftrag, und nach der Sicherheit und Einfachheit der Mache, von sehr geübter Hand gemalt, doch ist der Ton schwerer ohne den Schimmer und die Durchsichtig- keit. Aehnlich aber flüchtiger ist das Exemplar in San Telmo zu Sevilla, welches aus der Salamancagalerie stammt und ein Ge- schenk der Königin Isabella II an ihre Schwester war (46″ × 39″). Die übrigen sind weit geringer, in Farbe und Führung der Schule fremd. Das Thomas Baring’sche (23″ × 17″), aus der Sammlung des Dichters S. Rogers, jetzt bei Lord Northbrook, ist ein düsteres, unruhiges Machwerk mit dicker Paste, wildem Strich und grellen Glanzlichtern. Noch ungetreuer war das ehemals in Leigh Court befindliche (18″ × 6″). Der König hat hier den drohenden Blick eines Bramarbas, seine Physiognomie ist entstellt (z. B. die rund- lich vordringende Nasenspitze), die Malerei flüchtig und doch hart 1). Das rohste Machwerk ist das in der Akademie zu Wien (513), mit Braun und einem dunkelgrün gewordenen Blau von irgend einem Faustmaler zusammengebraut. Hier ist der Ort, das lebensgrosse Reiterbild in der Galerie der Uffizien zu erwähnen, das von vermeintlichen Autoritäten, und selbst noch von dem scharfsichtigen Mr. Curtis für das nach Florenz geschickte Musterbild erklärt worden ist. Der König erscheint hier umschwebt von allegorischen Flü- gelwesen, einer blitzschleudernden Kriegsgöttin und einer Fides, welche das Kreuz auf den Erdglobus pflanzt, ein Mohr eilt mit dem Helm hinter ihm her. Da diess Rubens’sche, aus andern Gemälden und Stichen bekannte Figuren sind (bei seiner Thron- besteigung widmete ihm Lucas Vorsterman einen blitzschleudern- den heil. Michael nach Rubens), so haben besser unterrichtete Kenner das Gemälde für die Kopie eines Rubensschülers nach Velazquez erklärt, andere für eine Arbeit Gaspar de Crayer’s, von dem bekannt ist, dass er in Madrid war. Der Antwerpener Maler ist dem Cardinalinfanten in dessen letzten Lebensjahren nahegetreten; sein Bildniss von 1639 hatte bei Hof so gefallen, dass der König einmal abgehn wollte von dem Vorsatz, nur Ve- lazquez zu sitzen. Indess wird seine Autorschaft ausgeschlossen durch das Alter des Königs, der mindestens hoch in den Vierzigen 1) „Ein kleines Bild von sehr vorzüglicher Art, in dem nur ihm eigenen, hellen, klaren und doch satten Ton, weich und zugleich frei mit flüssigem Pinsel vorgetragen“. Waagen, Künstler und Kunstwerke, II, 357. II. 7

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/117>, abgerufen am 27.04.2024.