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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Gemälde der Familie Philipp IV.
Nach diesen Tagen begannen seine Kräfte zu sinken; in Aranjuez
holte er sich 1659 eine Erkältung, die eine Lähmung im Gefolge
hatte. Die verlornen Schlachten an der Westgrenze waren selbst
seinem Stoicismus zu viel. Tiefe Furchen gruben sich ein, der
Blick wird hohl, der Ausdruck erschöpft und bitter. Die Er-
scheinung dieser letzten Jahre nach Velazquez' Tod ist in der
Figur seines Schwiegersohns aufbehalten (Prado 1117, und in der
Sammlung H. Huth): das Bild eines gebrochnen Mannes. Der
Kopf ist gestochen von demselben Villafranca in Monforte's Be-
schreibung seiner Exequien, wo auch der frühere wiederholt ist 1).

So endigte dieser im Grunde edle, milde, begabte Herrscher,
dem die wichtigste Eigenschaft für seinen Beruf, der Wille fehlte.
"Nun nach dem endlichen Schluss furchtbarer Kriege und be-
festigtem Frieden, erhoffte er noch einen langen Lebensabend
im Genuss der Ruhe, aber gepeinigt von Seitenschmerzen, nieder-
gedrückt von Krankheiten, der Geschäfte müde, unglücklich
durch den jammervollen Zustand der Monarchie, empfing er mit
vollkommener Ergebung den letzten Schlag" (Zorzi).

Das Gemälde der Familie Philipp IV

(Las Meninas 3,18 x 2,76)

von jeher sein gefeiertstes Werk (la mas ilustre obra), und am
schärfsten von allen mit dem Stempel seines Genius bezeichnet,
ist eigentlich ein Bildniss der Infantin Margarita als Mittelpunkt
einer der wiederkehrenden Scenen ihres Palastlebens. Die
Figur stimmt ganz mit der Wiener (619), sie ist noch feurig
rascher gemalt; das Blond wirkt vortheilhafter in der mit viel
Dunkelblau ausgestatteten Umgebung. Aehnlich war ihr vor
zehn Jahren verstorbener Stiefbruder als Schüler der Reitbahn
porträtirt worden; da nun solche Scenen, einst als Andenken
für glückliche Eltern festgehalten, später traurige Empfindun-
gen weckten, so freute man sich, Dank dem neuen emporblü-
henden Geschlecht Ersatz schaffen zu können.

Freilich bot das Leben einer Infantin keine so dankbaren
Scenen wie das jenes Elementarschülers der gineta und der Jagd-
gründe. Ihr Dasein spielte sich ab in unzugänglichen Ge-

1) Quirini Relazione di 1661 schildert den 57jährigen: Sottoposto ad una
caduta di paralisia che gli leva la grazia del movimento di tutta la parte diritta,
essendo la sua carne come livida a macchie nere.

Das Gemälde der Familie Philipp IV.
Nach diesen Tagen begannen seine Kräfte zu sinken; in Aranjuez
holte er sich 1659 eine Erkältung, die eine Lähmung im Gefolge
hatte. Die verlornen Schlachten an der Westgrenze waren selbst
seinem Stoicismus zu viel. Tiefe Furchen gruben sich ein, der
Blick wird hohl, der Ausdruck erschöpft und bitter. Die Er-
scheinung dieser letzten Jahre nach Velazquez’ Tod ist in der
Figur seines Schwiegersohns aufbehalten (Prado 1117, und in der
Sammlung H. Huth): das Bild eines gebrochnen Mannes. Der
Kopf ist gestochen von demselben Villafranca in Monforte’s Be-
schreibung seiner Exequien, wo auch der frühere wiederholt ist 1).

So endigte dieser im Grunde edle, milde, begabte Herrscher,
dem die wichtigste Eigenschaft für seinen Beruf, der Wille fehlte.
„Nun nach dem endlichen Schluss furchtbarer Kriege und be-
festigtem Frieden, erhoffte er noch einen langen Lebensabend
im Genuss der Ruhe, aber gepeinigt von Seitenschmerzen, nieder-
gedrückt von Krankheiten, der Geschäfte müde, unglücklich
durch den jammervollen Zustand der Monarchie, empfing er mit
vollkommener Ergebung den letzten Schlag“ (Zorzi).

Das Gemälde der Familie Philipp IV

(Las Meninas 3,18 × 2,76)

von jeher sein gefeiertstes Werk (la mas ilustre obra), und am
schärfsten von allen mit dem Stempel seines Genius bezeichnet,
ist eigentlich ein Bildniss der Infantin Margarita als Mittelpunkt
einer der wiederkehrenden Scenen ihres Palastlebens. Die
Figur stimmt ganz mit der Wiener (619), sie ist noch feurig
rascher gemalt; das Blond wirkt vortheilhafter in der mit viel
Dunkelblau ausgestatteten Umgebung. Aehnlich war ihr vor
zehn Jahren verstorbener Stiefbruder als Schüler der Reitbahn
porträtirt worden; da nun solche Scenen, einst als Andenken
für glückliche Eltern festgehalten, später traurige Empfindun-
gen weckten, so freute man sich, Dank dem neuen emporblü-
henden Geschlecht Ersatz schaffen zu können.

Freilich bot das Leben einer Infantin keine so dankbaren
Scenen wie das jenes Elementarschülers der gineta und der Jagd-
gründe. Ihr Dasein spielte sich ab in unzugänglichen Ge-

1) Quirini Relazione di 1661 schildert den 57jährigen: Sottoposto ad una
caduta di paralisia che gli leva la grazia del movimento di tutta la parte diritta,
essendo la sua carne come livida a macchie nere.
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[311/0331] Das Gemälde der Familie Philipp IV. Nach diesen Tagen begannen seine Kräfte zu sinken; in Aranjuez holte er sich 1659 eine Erkältung, die eine Lähmung im Gefolge hatte. Die verlornen Schlachten an der Westgrenze waren selbst seinem Stoicismus zu viel. Tiefe Furchen gruben sich ein, der Blick wird hohl, der Ausdruck erschöpft und bitter. Die Er- scheinung dieser letzten Jahre nach Velazquez’ Tod ist in der Figur seines Schwiegersohns aufbehalten (Prado 1117, und in der Sammlung H. Huth): das Bild eines gebrochnen Mannes. Der Kopf ist gestochen von demselben Villafranca in Monforte’s Be- schreibung seiner Exequien, wo auch der frühere wiederholt ist 1). So endigte dieser im Grunde edle, milde, begabte Herrscher, dem die wichtigste Eigenschaft für seinen Beruf, der Wille fehlte. „Nun nach dem endlichen Schluss furchtbarer Kriege und be- festigtem Frieden, erhoffte er noch einen langen Lebensabend im Genuss der Ruhe, aber gepeinigt von Seitenschmerzen, nieder- gedrückt von Krankheiten, der Geschäfte müde, unglücklich durch den jammervollen Zustand der Monarchie, empfing er mit vollkommener Ergebung den letzten Schlag“ (Zorzi). Das Gemälde der Familie Philipp IV (Las Meninas 3,18 × 2,76) von jeher sein gefeiertstes Werk (la mas ilustre obra), und am schärfsten von allen mit dem Stempel seines Genius bezeichnet, ist eigentlich ein Bildniss der Infantin Margarita als Mittelpunkt einer der wiederkehrenden Scenen ihres Palastlebens. Die Figur stimmt ganz mit der Wiener (619), sie ist noch feurig rascher gemalt; das Blond wirkt vortheilhafter in der mit viel Dunkelblau ausgestatteten Umgebung. Aehnlich war ihr vor zehn Jahren verstorbener Stiefbruder als Schüler der Reitbahn porträtirt worden; da nun solche Scenen, einst als Andenken für glückliche Eltern festgehalten, später traurige Empfindun- gen weckten, so freute man sich, Dank dem neuen emporblü- henden Geschlecht Ersatz schaffen zu können. Freilich bot das Leben einer Infantin keine so dankbaren Scenen wie das jenes Elementarschülers der gineta und der Jagd- gründe. Ihr Dasein spielte sich ab in unzugänglichen Ge- 1) Quirini Relazione di 1661 schildert den 57jährigen: Sottoposto ad una caduta di paralisia che gli leva la grazia del movimento di tutta la parte diritta, essendo la sua carne come livida a macchie nere.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/331>, abgerufen am 21.11.2024.