einer Zeichnung Raphaels in Ekstase versetzte, der ihn "einen Engel, keinen Menschen" nannte und seine spätere Unthätigkeit durch die "Furcht" vor ihm begründete.
Der Sklave Pareja.
Als Seine Heiligkeit sich dahin erklärt hatte, dem Spanier eine Sitzung gewähren zu wollen, empfand dieser das Bedürfniss, sich etwas vorzubereiten (prevenirse, sagt Palomino), seine Finger wieder gelenk zu machen. Wahrscheinlich hatte er seit Madrid den Pinsel nicht angerührt. Sein Leben war zerstreuter als im Jahr 1630; wie viel war mit Gemäldebesitzern und Maklern, Prinzen und Custoden, Gypsgiessern und Bildhauern zu verhan- deln, er konnte sich der Gesellschaft weniger entziehen als das erstemal. Nichts ist dem Schaffen nachtheiliger, als das viele Sehen und Sprechen über Kunst. Kurz er wollte ein Experiment vorher machen, und das Corpus dazu fand er bei der Hand, in seinem Diener und Farbenreiber, dem Mauren Juan de Pareja. Ein Experiment vielleicht auch besonders dafür, wie der Maler einem hässlichen Kopf gegenüber sich zu verhalten hat. Die Italiener bezeichnen sogar die Farbe des Pabstes und die jenes Bildnisses mit demselben Wort: olivastro1).
Er liess letzteres einigen Freunden durch das Original selbst bringen, um ihre Meinung zu hören. "Mit Staunen betrachteten sie Urbild und Abbild, zweifelnd welches von beiden sie anreden sollten, welches ihnen antworten würde." Der Maler Andreas Schmidt, der damals in Rom war, erzählte später in Madrid: Da es üblich (estilo) war, dass man am S. Josephstag (19. März 1650) den Kreuzgang der Rotunde mit vortrefflichen alten und neuen Gemälden schmückte: so stellte man das Bildniss an diesem Orte aus, mit so allgemeinem Beifall, dass nach dem Urtheil aller Maler verschiedener Nationen, alles andere Malerei schien, diess allein Wahrheit. In Anerkennung dessen wurde Velazquez im Jahre 1650 römischer Akademiker."
Solche Ausstellungen (mostra ed apparato di quadri) fanden bei Gelegenheit von Festen ausser im Pantheon auch im Chiostro von S. Giovanni decollato, und im Cortile von S. Bartolomeo dei
1) Il ritratto di questo pittore [Gian di Pareia], ch'era di una carnazione olivastra, l'aveva di mano del Velazquez l'emin. Traiano d'Acquaviva. Brief Preciado's an G. B. Ponfredi 20. Okt. 1765 in Bottari's Raccolta VI, 230.
Sechstes Buch.
einer Zeichnung Raphaels in Ekstase versetzte, der ihn „einen Engel, keinen Menschen“ nannte und seine spätere Unthätigkeit durch die „Furcht“ vor ihm begründete.
Der Sklave Pareja.
Als Seine Heiligkeit sich dahin erklärt hatte, dem Spanier eine Sitzung gewähren zu wollen, empfand dieser das Bedürfniss, sich etwas vorzubereiten (prevenirse, sagt Palomino), seine Finger wieder gelenk zu machen. Wahrscheinlich hatte er seit Madrid den Pinsel nicht angerührt. Sein Leben war zerstreuter als im Jahr 1630; wie viel war mit Gemäldebesitzern und Maklern, Prinzen und Custoden, Gypsgiessern und Bildhauern zu verhan- deln, er konnte sich der Gesellschaft weniger entziehen als das erstemal. Nichts ist dem Schaffen nachtheiliger, als das viele Sehen und Sprechen über Kunst. Kurz er wollte ein Experiment vorher machen, und das Corpus dazu fand er bei der Hand, in seinem Diener und Farbenreiber, dem Mauren Juan de Pareja. Ein Experiment vielleicht auch besonders dafür, wie der Maler einem hässlichen Kopf gegenüber sich zu verhalten hat. Die Italiener bezeichnen sogar die Farbe des Pabstes und die jenes Bildnisses mit demselben Wort: olivastro1).
Er liess letzteres einigen Freunden durch das Original selbst bringen, um ihre Meinung zu hören. „Mit Staunen betrachteten sie Urbild und Abbild, zweifelnd welches von beiden sie anreden sollten, welches ihnen antworten würde.“ Der Maler Andreas Schmidt, der damals in Rom war, erzählte später in Madrid: Da es üblich (estilo) war, dass man am S. Josephstag (19. März 1650) den Kreuzgang der Rotunde mit vortrefflichen alten und neuen Gemälden schmückte: so stellte man das Bildniss an diesem Orte aus, mit so allgemeinem Beifall, dass nach dem Urtheil aller Maler verschiedener Nationen, alles andere Malerei schien, diess allein Wahrheit. In Anerkennung dessen wurde Velazquez im Jahre 1650 römischer Akademiker.“
Solche Ausstellungen (mostra ed apparato di quadri) fanden bei Gelegenheit von Festen ausser im Pantheon auch im Chiostro von S. Giovanni decollato, und im Cortile von S. Bartolomeo dei
1) Il ritratto di questo pittore [Gian di Pareia], ch’era di una carnazione olivastra, l’aveva di mano del Velazquez l’emin. Traiano d’Acquaviva. Brief Preciado’s an G. B. Ponfredi 20. Okt. 1765 in Bottari’s Raccolta VI, 230.
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Sechstes Buch.
einer Zeichnung Raphaels in Ekstase versetzte, der ihn „einen
Engel, keinen Menschen“ nannte und seine spätere Unthätigkeit
durch die „Furcht“ vor ihm begründete.
Der Sklave Pareja.
Als Seine Heiligkeit sich dahin erklärt hatte, dem Spanier
eine Sitzung gewähren zu wollen, empfand dieser das Bedürfniss,
sich etwas vorzubereiten (prevenirse, sagt Palomino), seine Finger
wieder gelenk zu machen. Wahrscheinlich hatte er seit Madrid
den Pinsel nicht angerührt. Sein Leben war zerstreuter als im
Jahr 1630; wie viel war mit Gemäldebesitzern und Maklern,
Prinzen und Custoden, Gypsgiessern und Bildhauern zu verhan-
deln, er konnte sich der Gesellschaft weniger entziehen als das
erstemal. Nichts ist dem Schaffen nachtheiliger, als das viele
Sehen und Sprechen über Kunst. Kurz er wollte ein Experiment
vorher machen, und das Corpus dazu fand er bei der Hand, in
seinem Diener und Farbenreiber, dem Mauren Juan de Pareja.
Ein Experiment vielleicht auch besonders dafür, wie der Maler
einem hässlichen Kopf gegenüber sich zu verhalten hat. Die
Italiener bezeichnen sogar die Farbe des Pabstes und die jenes
Bildnisses mit demselben Wort: olivastro 1).
Er liess letzteres einigen Freunden durch das Original selbst
bringen, um ihre Meinung zu hören. „Mit Staunen betrachteten
sie Urbild und Abbild, zweifelnd welches von beiden sie anreden
sollten, welches ihnen antworten würde.“ Der Maler Andreas
Schmidt, der damals in Rom war, erzählte später in Madrid:
Da es üblich (estilo) war, dass man am S. Josephstag (19. März 1650)
den Kreuzgang der Rotunde mit vortrefflichen alten und neuen
Gemälden schmückte: so stellte man das Bildniss an diesem Orte
aus, mit so allgemeinem Beifall, dass nach dem Urtheil aller
Maler verschiedener Nationen, alles andere Malerei schien, diess
allein Wahrheit. In Anerkennung dessen wurde Velazquez im
Jahre 1650 römischer Akademiker.“
Solche Ausstellungen (mostra ed apparato di quadri) fanden
bei Gelegenheit von Festen ausser im Pantheon auch im Chiostro
von S. Giovanni decollato, und im Cortile von S. Bartolomeo dei
1) Il ritratto di questo pittore [Gian di Pareia], ch’era di una carnazione
olivastra, l’aveva di mano del Velazquez l’emin. Traiano d’Acquaviva. Brief Preciado’s
an G. B. Ponfredi 20. Okt. 1765 in Bottari’s Raccolta VI, 230.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/198>, abgerufen am 03.03.2025.
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