genommen haben, wo das längst verstorbene Mädchen ganz un- bekannt war. Dieses Aergerniss erklärt sich nur, wenn den Nonnen der Ursprung der Excelentisima Sennora in den Descalzas reales verrathen, wenn ihre Aehnlichkeit mit diesem Marienbilde bemerkt worden war, zu der Maria Rosa gesessen hatte.
Rom im Jahre 1650.
Velazquez traf in der ewigen Stadt ein am Vorabend des grossen Jubiläums, das in Folge der endlich zu Stande gebrach- ten Auslöschung des Kriegsbrands ungewöhnlich zahlreich be- sucht wurde. Wir wissen nicht, ob diese Pilgerschaaren es als ein Friedensfest empfunden haben; der Pabst hatte den Welt- friedensschluss mit der Bulle vom 23. November 1648, der Decla- ratio nullitatis beantwortet. Aber von allen Ländern waren die Bruderschaften herbeigeströmt; auch die Prinzen Leopold und Matthias von Toscana, Marie von Savoyen, Tochter der Catha- rina von Oesterreich, waren erschienen. Neben ihnen bemerkte man viele finstre Gestalten aus dem südlichen Reiche, die nach der Niederwerfung des Aufruhrs in den Kirchenstaat überge- treten waren, und zuweilen Raubeinfälle ins Neapolitanische ver- anstalteten. Im Colosseum hauste längere Zeit eine Bande. In Rom fanden sie Schutz im Palast des französischen Gesandten; denn diese Herren dehnten ihr Asylrecht auch auf die Nachbar- häuser, ja auf die ganze Strasseninsel aus. Dort standen solche "Masanielli", wie man sie nannte, zu hunderten. Der Cardinal Barberini, der 1648 die erste französische Perrücke nach Rom brachte, hiess nun il prencipe di Casa Masaniello. Den Zorn des römischen Volkes entfachten die spanischen Werber, welche mit Erlaubniss der Regierung auf gewaltthätige Weise ihr Geschäft betrieben. Sie vergriffen sich sogar an den Pilgern; allein die Bauern, mit ihren silberbeschlagenen Stöcken, waren handfeste Leute, und als einmal ein Trupp dieser Frommen mitten auf dem Petersplatz angegriffen wurde, überwältigten sie mit Hülfe von Volkshaufen des Borgo die Werbeoffiziere und schleppten sie ins Gefängniss. Pasquin drohte: Auch in Rom werden Masanielli geboren. -- Kurz, das heilige Rom war ein klassischer Platz für Studien von Soldatenstücken. Die Katastrophe von Neapel hatte überhaupt das italienische Nationalgefühl tief aufgeregt. Die Stellung der Spanier in Rom war nicht angenehm. Der Pabst
Rom im Jahre 1650.
genommen haben, wo das längst verstorbene Mädchen ganz un- bekannt war. Dieses Aergerniss erklärt sich nur, wenn den Nonnen der Ursprung der Excelentisima Señora in den Descalzas reales verrathen, wenn ihre Aehnlichkeit mit diesem Marienbilde bemerkt worden war, zu der Maria Rosa gesessen hatte.
Rom im Jahre 1650.
Velazquez traf in der ewigen Stadt ein am Vorabend des grossen Jubiläums, das in Folge der endlich zu Stande gebrach- ten Auslöschung des Kriegsbrands ungewöhnlich zahlreich be- sucht wurde. Wir wissen nicht, ob diese Pilgerschaaren es als ein Friedensfest empfunden haben; der Pabst hatte den Welt- friedensschluss mit der Bulle vom 23. November 1648, der Decla- ratio nullitatis beantwortet. Aber von allen Ländern waren die Bruderschaften herbeigeströmt; auch die Prinzen Leopold und Matthias von Toscana, Marie von Savoyen, Tochter der Catha- rina von Oesterreich, waren erschienen. Neben ihnen bemerkte man viele finstre Gestalten aus dem südlichen Reiche, die nach der Niederwerfung des Aufruhrs in den Kirchenstaat überge- treten waren, und zuweilen Raubeinfälle ins Neapolitanische ver- anstalteten. Im Colosseum hauste längere Zeit eine Bande. In Rom fanden sie Schutz im Palast des französischen Gesandten; denn diese Herren dehnten ihr Asylrecht auch auf die Nachbar- häuser, ja auf die ganze Strasseninsel aus. Dort standen solche „Masanielli“, wie man sie nannte, zu hunderten. Der Cardinal Barberini, der 1648 die erste französische Perrücke nach Rom brachte, hiess nun il prencipe di Casa Masaniello. Den Zorn des römischen Volkes entfachten die spanischen Werber, welche mit Erlaubniss der Regierung auf gewaltthätige Weise ihr Geschäft betrieben. Sie vergriffen sich sogar an den Pilgern; allein die Bauern, mit ihren silberbeschlagenen Stöcken, waren handfeste Leute, und als einmal ein Trupp dieser Frommen mitten auf dem Petersplatz angegriffen wurde, überwältigten sie mit Hülfe von Volkshaufen des Borgo die Werbeoffiziere und schleppten sie ins Gefängniss. Pasquin drohte: Auch in Rom werden Masanielli geboren. — Kurz, das heilige Rom war ein klassischer Platz für Studien von Soldatenstücken. Die Katastrophe von Neapel hatte überhaupt das italienische Nationalgefühl tief aufgeregt. Die Stellung der Spanier in Rom war nicht angenehm. Der Pabst
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0185"n="165"/><fwplace="top"type="header">Rom im Jahre 1650.</fw><lb/>
genommen haben, wo das längst verstorbene Mädchen ganz un-<lb/>
bekannt war. Dieses Aergerniss erklärt sich nur, wenn den<lb/>
Nonnen der Ursprung der Excelentisima Señora in den Descalzas<lb/>
reales verrathen, wenn ihre Aehnlichkeit mit diesem Marienbilde<lb/>
bemerkt worden war, zu der Maria Rosa gesessen hatte.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Rom im Jahre 1650.</hi></head><lb/><p>Velazquez traf in der ewigen Stadt ein am Vorabend des<lb/>
grossen Jubiläums, das in Folge der endlich zu Stande gebrach-<lb/>
ten Auslöschung des Kriegsbrands ungewöhnlich zahlreich be-<lb/>
sucht wurde. Wir wissen nicht, ob diese Pilgerschaaren es als<lb/>
ein Friedensfest empfunden haben; der Pabst hatte den Welt-<lb/>
friedensschluss mit der Bulle vom 23. November 1648, der <hirendition="#i">Decla-<lb/>
ratio nullitatis</hi> beantwortet. Aber von allen Ländern waren die<lb/>
Bruderschaften herbeigeströmt; auch die Prinzen Leopold und<lb/>
Matthias von Toscana, Marie von Savoyen, Tochter der Catha-<lb/>
rina von Oesterreich, waren erschienen. Neben ihnen bemerkte<lb/>
man viele finstre Gestalten aus dem südlichen Reiche, die nach<lb/>
der Niederwerfung des Aufruhrs in den Kirchenstaat überge-<lb/>
treten waren, und zuweilen Raubeinfälle ins Neapolitanische ver-<lb/>
anstalteten. Im Colosseum hauste längere Zeit eine Bande. In<lb/>
Rom fanden sie Schutz im Palast des französischen Gesandten;<lb/>
denn diese Herren dehnten ihr Asylrecht auch auf die Nachbar-<lb/>
häuser, ja auf die ganze Strasseninsel aus. Dort standen solche<lb/>„<hirendition="#i">Masanielli</hi>“, wie man sie nannte, zu hunderten. Der Cardinal<lb/>
Barberini, der 1648 die erste französische Perrücke nach Rom<lb/>
brachte, hiess nun <hirendition="#i">il prencipe di Casa Masaniello</hi>. Den Zorn des<lb/>
römischen Volkes entfachten die spanischen Werber, welche mit<lb/>
Erlaubniss der Regierung auf gewaltthätige Weise ihr Geschäft<lb/>
betrieben. Sie vergriffen sich sogar an den Pilgern; allein die<lb/>
Bauern, mit ihren silberbeschlagenen Stöcken, waren handfeste<lb/>
Leute, und als einmal ein Trupp dieser Frommen mitten auf dem<lb/>
Petersplatz angegriffen wurde, überwältigten sie mit Hülfe von<lb/>
Volkshaufen des Borgo die Werbeoffiziere und schleppten sie<lb/>
ins Gefängniss. Pasquin drohte: Auch in Rom werden Masanielli<lb/>
geboren. — Kurz, das heilige Rom war ein klassischer Platz für<lb/>
Studien von Soldatenstücken. Die Katastrophe von Neapel hatte<lb/>
überhaupt das italienische Nationalgefühl tief aufgeregt. Die<lb/>
Stellung der Spanier in Rom war nicht angenehm. Der Pabst<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[165/0185]
Rom im Jahre 1650.
genommen haben, wo das längst verstorbene Mädchen ganz un-
bekannt war. Dieses Aergerniss erklärt sich nur, wenn den
Nonnen der Ursprung der Excelentisima Señora in den Descalzas
reales verrathen, wenn ihre Aehnlichkeit mit diesem Marienbilde
bemerkt worden war, zu der Maria Rosa gesessen hatte.
Rom im Jahre 1650.
Velazquez traf in der ewigen Stadt ein am Vorabend des
grossen Jubiläums, das in Folge der endlich zu Stande gebrach-
ten Auslöschung des Kriegsbrands ungewöhnlich zahlreich be-
sucht wurde. Wir wissen nicht, ob diese Pilgerschaaren es als
ein Friedensfest empfunden haben; der Pabst hatte den Welt-
friedensschluss mit der Bulle vom 23. November 1648, der Decla-
ratio nullitatis beantwortet. Aber von allen Ländern waren die
Bruderschaften herbeigeströmt; auch die Prinzen Leopold und
Matthias von Toscana, Marie von Savoyen, Tochter der Catha-
rina von Oesterreich, waren erschienen. Neben ihnen bemerkte
man viele finstre Gestalten aus dem südlichen Reiche, die nach
der Niederwerfung des Aufruhrs in den Kirchenstaat überge-
treten waren, und zuweilen Raubeinfälle ins Neapolitanische ver-
anstalteten. Im Colosseum hauste längere Zeit eine Bande. In
Rom fanden sie Schutz im Palast des französischen Gesandten;
denn diese Herren dehnten ihr Asylrecht auch auf die Nachbar-
häuser, ja auf die ganze Strasseninsel aus. Dort standen solche
„Masanielli“, wie man sie nannte, zu hunderten. Der Cardinal
Barberini, der 1648 die erste französische Perrücke nach Rom
brachte, hiess nun il prencipe di Casa Masaniello. Den Zorn des
römischen Volkes entfachten die spanischen Werber, welche mit
Erlaubniss der Regierung auf gewaltthätige Weise ihr Geschäft
betrieben. Sie vergriffen sich sogar an den Pilgern; allein die
Bauern, mit ihren silberbeschlagenen Stöcken, waren handfeste
Leute, und als einmal ein Trupp dieser Frommen mitten auf dem
Petersplatz angegriffen wurde, überwältigten sie mit Hülfe von
Volkshaufen des Borgo die Werbeoffiziere und schleppten sie
ins Gefängniss. Pasquin drohte: Auch in Rom werden Masanielli
geboren. — Kurz, das heilige Rom war ein klassischer Platz für
Studien von Soldatenstücken. Die Katastrophe von Neapel hatte
überhaupt das italienische Nationalgefühl tief aufgeregt. Die
Stellung der Spanier in Rom war nicht angenehm. Der Pabst
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/185>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.