3. Ein drittes mit weiterer Räumlichkeit ausgestattetes Bildniss besitzt die Ermitage (419; 2,01 x 1,2), welches zusammen mit dem Bildniss des Olivares (davon später) für 38,815 Gulden auf der Ver- steigerung Wilhelms von Holland erstanden wurde. Ein feiner Beurtheiler, der es 1839 im Haag sah, schrieb darüber: "Ich habe zu Brüssel in der Bilderhalle des Prinzen von Oranien dieselben Porträts Philipp IV und des Herzogs Olivares gesehen, welche neben den zwei schönsten Porträts von van Dyck hingen, und ich gestehe unverholen, dass mich der reiche und fein berechnende Pinsel des Rubens'schen Schülers weniger anzog, als die freie und kräftige Manier des spanischen Malers; ich blieb wie an- gewurzelt vor diesen beiden Figuren stehen, welche gleichsam von der Lein- wand abgehoben schienen, und fragte mich im Stillen, welche Kunst es geko- stet haben müsse, um die Täuschung in solchem Grade zu verbergen"1).
Die Figur steht hier mitten vor dem Tisch, der von dem breiten Mantel fast verdeckt ist; hinter ihr der dunkelrote Vorhang; zur Rech- ten ein grosses Balkonfenster. Balustrade, Ferne, Himmel sind in schmut- zigem Hellgrau decorativ abgethan. Die an der Degenkoppel ruhende Linke hält den Handschuh der Rechten, und diese mit Eleganz die Depesche. Es war eine vornehme Hand, in der breiten Art des mitt- leren Stils, sie ist stark mitgenommen. Waagen2) fand das Bild "in einem feinen, das blonde Colorit jenes Herrn vortrefflich wiedergebenden Silber- ton ... breit und sicher hingeschrieben".
Dass diess Stück für Velazquez etwas flau gearbeitet ist, fällt auf, wenn man das bis in unbedeutende Einzelheiten übereinstimmende Kniestück im Belvedere zu Wien (Nr. 611; 1,26 x 0,84) damit ver- gleicht. Hier klingt noch die frühere, feste Zeichnung und Plastik nach, mit den schmalen, dunklen Schatten. Aehnlich wie in der National- galerie ist ein dunkles Rot auf dem Vorhang nur um den Kopf herum angelegt, dessen weisslicher Teint dadurch die perlgraue Kontrastfarbe bekommt. Der Eindruck ist männlicher, aufgeweckter als sonst.
Man sieht aus solchen Beispielen, dass seine Mittel, selbst theilweise untergeordneten Händen überlassen, nicht versagten, ja weit durchge- bildeteren Arbeiten grosser Kollegen nachtheilig wurden.
Das Reiterbild des Prinzen
hat von allen Werken dieser Klasse von jeher die meisten Freunde gefunden, und mit Recht. Was nur an einer Schöpfung der Far- benkunst entzücken kann: Leben und Bewegung, allwaltendes
1) Kunstblatt 1839. S. 158 f.
2) Waagen, die Gemäldesammlung in der kais. Ermitage. 1864. S. 106.
Das Reiterbild des Prinzen.
3. Ein drittes mit weiterer Räumlichkeit ausgestattetes Bildniss besitzt die Ermitage (419; 2,01 × 1,2), welches zusammen mit dem Bildniss des Olivares (davon später) für 38,815 Gulden auf der Ver- steigerung Wilhelms von Holland erstanden wurde. Ein feiner Beurtheiler, der es 1839 im Haag sah, schrieb darüber: „Ich habe zu Brüssel in der Bilderhalle des Prinzen von Oranien dieselben Porträts Philipp IV und des Herzogs Olivares gesehen, welche neben den zwei schönsten Porträts von van Dyck hingen, und ich gestehe unverholen, dass mich der reiche und fein berechnende Pinsel des Rubens’schen Schülers weniger anzog, als die freie und kräftige Manier des spanischen Malers; ich blieb wie an- gewurzelt vor diesen beiden Figuren stehen, welche gleichsam von der Lein- wand abgehoben schienen, und fragte mich im Stillen, welche Kunst es geko- stet haben müsse, um die Täuschung in solchem Grade zu verbergen“1).
Die Figur steht hier mitten vor dem Tisch, der von dem breiten Mantel fast verdeckt ist; hinter ihr der dunkelrote Vorhang; zur Rech- ten ein grosses Balkonfenster. Balustrade, Ferne, Himmel sind in schmut- zigem Hellgrau decorativ abgethan. Die an der Degenkoppel ruhende Linke hält den Handschuh der Rechten, und diese mit Eleganz die Depesche. Es war eine vornehme Hand, in der breiten Art des mitt- leren Stils, sie ist stark mitgenommen. Waagen2) fand das Bild „in einem feinen, das blonde Colorit jenes Herrn vortrefflich wiedergebenden Silber- ton … breit und sicher hingeschrieben“.
Dass diess Stück für Velazquez etwas flau gearbeitet ist, fällt auf, wenn man das bis in unbedeutende Einzelheiten übereinstimmende Kniestück im Belvedere zu Wien (Nr. 611; 1,26 × 0,84) damit ver- gleicht. Hier klingt noch die frühere, feste Zeichnung und Plastik nach, mit den schmalen, dunklen Schatten. Aehnlich wie in der National- galerie ist ein dunkles Rot auf dem Vorhang nur um den Kopf herum angelegt, dessen weisslicher Teint dadurch die perlgraue Kontrastfarbe bekommt. Der Eindruck ist männlicher, aufgeweckter als sonst.
Man sieht aus solchen Beispielen, dass seine Mittel, selbst theilweise untergeordneten Händen überlassen, nicht versagten, ja weit durchge- bildeteren Arbeiten grosser Kollegen nachtheilig wurden.
Das Reiterbild des Prinzen
hat von allen Werken dieser Klasse von jeher die meisten Freunde gefunden, und mit Recht. Was nur an einer Schöpfung der Far- benkunst entzücken kann: Leben und Bewegung, allwaltendes
1) Kunstblatt 1839. S. 158 f.
2) Waagen, die Gemäldesammlung in der kais. Ermitage. 1864. S. 106.
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Das Reiterbild des Prinzen.
3. Ein drittes mit weiterer Räumlichkeit ausgestattetes Bildniss
besitzt die Ermitage (419; 2,01 × 1,2), welches zusammen mit dem
Bildniss des Olivares (davon später) für 38,815 Gulden auf der Ver-
steigerung Wilhelms von Holland erstanden wurde. Ein feiner Beurtheiler,
der es 1839 im Haag sah, schrieb darüber: „Ich habe zu Brüssel in der
Bilderhalle des Prinzen von Oranien dieselben Porträts Philipp IV und
des Herzogs Olivares gesehen, welche neben den zwei schönsten Porträts
von van Dyck hingen, und ich gestehe unverholen, dass mich der reiche
und fein berechnende Pinsel des Rubens’schen Schülers weniger anzog,
als die freie und kräftige Manier des spanischen Malers; ich blieb wie an-
gewurzelt vor diesen beiden Figuren stehen, welche gleichsam von der Lein-
wand abgehoben schienen, und fragte mich im Stillen, welche Kunst es geko-
stet haben müsse, um die Täuschung in solchem Grade zu verbergen“ 1).
Die Figur steht hier mitten vor dem Tisch, der von dem breiten
Mantel fast verdeckt ist; hinter ihr der dunkelrote Vorhang; zur Rech-
ten ein grosses Balkonfenster. Balustrade, Ferne, Himmel sind in schmut-
zigem Hellgrau decorativ abgethan. Die an der Degenkoppel ruhende
Linke hält den Handschuh der Rechten, und diese mit Eleganz die
Depesche. Es war eine vornehme Hand, in der breiten Art des mitt-
leren Stils, sie ist stark mitgenommen. Waagen 2) fand das Bild „in einem
feinen, das blonde Colorit jenes Herrn vortrefflich wiedergebenden Silber-
ton … breit und sicher hingeschrieben“.
Dass diess Stück für Velazquez etwas flau gearbeitet ist, fällt
auf, wenn man das bis in unbedeutende Einzelheiten übereinstimmende
Kniestück im Belvedere zu Wien (Nr. 611; 1,26 × 0,84) damit ver-
gleicht. Hier klingt noch die frühere, feste Zeichnung und Plastik nach,
mit den schmalen, dunklen Schatten. Aehnlich wie in der National-
galerie ist ein dunkles Rot auf dem Vorhang nur um den Kopf herum
angelegt, dessen weisslicher Teint dadurch die perlgraue Kontrastfarbe
bekommt. Der Eindruck ist männlicher, aufgeweckter als sonst.
Man sieht aus solchen Beispielen, dass seine Mittel, selbst theilweise
untergeordneten Händen überlassen, nicht versagten, ja weit durchge-
bildeteren Arbeiten grosser Kollegen nachtheilig wurden.
Das Reiterbild des Prinzen
hat von allen Werken dieser Klasse von jeher die meisten Freunde
gefunden, und mit Recht. Was nur an einer Schöpfung der Far-
benkunst entzücken kann: Leben und Bewegung, allwaltendes
1) Kunstblatt 1839. S. 158 f.
2) Waagen, die Gemäldesammlung in der kais. Ermitage. 1864. S. 106.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/127>, abgerufen am 21.11.2024.
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