S. Benito hatte D. Manuel in Rom von Franz du Quesnoy ent- werfen lassen1). Aber die Revolution von 1640 trennte ihn für immer von Vaterland, Nation und Haus der Vorfahren. Diess Schicksal verdüsterte seinen Lebensabend, er sehnte sich nach Ruhe, und hatte schon 1646 den König um seine Zurückbe- rufung gebeten.
Zweifelhafte und falsch benannte Bildnisse.
Wirklich streitige Bildnisse des Velazquez giebt es für Kenner heute nur noch wenige. Die zweifelhaften Fälle betreffen meist Wieder- holungen, wo ein schwer aufzuhellendes Mehr oder Weniger von An- theil des Meisters die Frage verwickelt macht. Ihm ganz fremde Sachen sind, meist im Ausland, oft bona fide auf seinen Namen getauft worden zu einer Zeit, wo die Schätzung seiner Werke sich verbreitete, aber nur Wenige Gelegenheit gehabt hatten, sich eine deutliche Vor- stellung von seiner Malweise zu bilden. Eigentliche Fälschungen sind mir kaum in zwei Fällen begegnet.
Man kann drei Klassen unterscheiden: gute Stücke in seiner Art, die wol seiner würdig wären, wo aber entscheidende Merkmale fehlen und widerstreitendes die Attribution entmuthigt;
Originale der Madrider Schule seiner und der nächst folgenden Zeit;
Endlich Bildnisse fremdländischer Schulen, wo sich die Benennung, falls sie nicht ganz willkürlich ist, auf jene Uebereinstimmung gründete, welche Gemeinsamkeit des Zeitgeschmacks in zahlreichen Punkten mit sich führt. Die im folgenden angeführten Stücke sind alle sehenswerth und mir aus eigener Anschauung bekannt; ich führe sie an nur um andern faux frais zu ersparen. Wiederholungen, fremde Darstellungen der von ihm gemalten Persönlichkeiten sind bei Gelegenheit der betreffenden Originale zur Sprache gekommen.
I. Im Palast des Herzogs von Villahermosa zu Madrid ist das Bildniss des D. Christobal del Corral (Curtis 159) in ganzer Figur, in der rechten Hand ein Brief, die andere auf die rothsammtene Tischdecke gestützt. Auffassung und Ausdruck dieses Greisenkopfs mit strengem aber altersmattem Blick sind dem Meister verwandt; die breiten aber sehr mageren Striche im Licht und die schweren braunen Schatten passen desto schlechter.
Ein Ordensritter, die Rechte das Ordensschildchen fassend, früher Olivares genannt, und Diego Velazquez bezeichnet, wurde von Lord Mahon 1845 dem Grafen Lecchi in Bergamo abgekauft und befindet
1) G. P. Bellori, Le Vite de' pittori. Roma 1672 p. 282.
II. 6
Zweifelhafte und falsch benannte Bildnisse.
S. Benito hatte D. Manuel in Rom von Franz du Quesnoy ent- werfen lassen1). Aber die Revolution von 1640 trennte ihn für immer von Vaterland, Nation und Haus der Vorfahren. Diess Schicksal verdüsterte seinen Lebensabend, er sehnte sich nach Ruhe, und hatte schon 1646 den König um seine Zurückbe- rufung gebeten.
Zweifelhafte und falsch benannte Bildnisse.
Wirklich streitige Bildnisse des Velazquez giebt es für Kenner heute nur noch wenige. Die zweifelhaften Fälle betreffen meist Wieder- holungen, wo ein schwer aufzuhellendes Mehr oder Weniger von An- theil des Meisters die Frage verwickelt macht. Ihm ganz fremde Sachen sind, meist im Ausland, oft bona fide auf seinen Namen getauft worden zu einer Zeit, wo die Schätzung seiner Werke sich verbreitete, aber nur Wenige Gelegenheit gehabt hatten, sich eine deutliche Vor- stellung von seiner Malweise zu bilden. Eigentliche Fälschungen sind mir kaum in zwei Fällen begegnet.
Man kann drei Klassen unterscheiden: gute Stücke in seiner Art, die wol seiner würdig wären, wo aber entscheidende Merkmale fehlen und widerstreitendes die Attribution entmuthigt;
Originale der Madrider Schule seiner und der nächst folgenden Zeit;
Endlich Bildnisse fremdländischer Schulen, wo sich die Benennung, falls sie nicht ganz willkürlich ist, auf jene Uebereinstimmung gründete, welche Gemeinsamkeit des Zeitgeschmacks in zahlreichen Punkten mit sich führt. Die im folgenden angeführten Stücke sind alle sehenswerth und mir aus eigener Anschauung bekannt; ich führe sie an nur um andern faux frais zu ersparen. Wiederholungen, fremde Darstellungen der von ihm gemalten Persönlichkeiten sind bei Gelegenheit der betreffenden Originale zur Sprache gekommen.
I. Im Palast des Herzogs von Villahermosa zu Madrid ist das Bildniss des D. Christóbal del Corral (Curtis 159) in ganzer Figur, in der rechten Hand ein Brief, die andere auf die rothsammtene Tischdecke gestützt. Auffassung und Ausdruck dieses Greisenkopfs mit strengem aber altersmattem Blick sind dem Meister verwandt; die breiten aber sehr mageren Striche im Licht und die schweren braunen Schatten passen desto schlechter.
Ein Ordensritter, die Rechte das Ordensschildchen fassend, früher Olivares genannt, und Diego Velazquez bezeichnet, wurde von Lord Mahon 1845 dem Grafen Lecchi in Bergamo abgekauft und befindet
1) G. P. Bellori, Le Vite de’ pittori. Roma 1672 p. 282.
II. 6
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Zweifelhafte und falsch benannte Bildnisse.
S. Benito hatte D. Manuel in Rom von Franz du Quesnoy ent-
werfen lassen 1). Aber die Revolution von 1640 trennte ihn für
immer von Vaterland, Nation und Haus der Vorfahren. Diess
Schicksal verdüsterte seinen Lebensabend, er sehnte sich nach
Ruhe, und hatte schon 1646 den König um seine Zurückbe-
rufung gebeten.
Zweifelhafte und falsch benannte Bildnisse.
Wirklich streitige Bildnisse des Velazquez giebt es für Kenner
heute nur noch wenige. Die zweifelhaften Fälle betreffen meist Wieder-
holungen, wo ein schwer aufzuhellendes Mehr oder Weniger von An-
theil des Meisters die Frage verwickelt macht. Ihm ganz fremde
Sachen sind, meist im Ausland, oft bona fide auf seinen Namen getauft
worden zu einer Zeit, wo die Schätzung seiner Werke sich verbreitete,
aber nur Wenige Gelegenheit gehabt hatten, sich eine deutliche Vor-
stellung von seiner Malweise zu bilden. Eigentliche Fälschungen sind
mir kaum in zwei Fällen begegnet.
Man kann drei Klassen unterscheiden: gute Stücke in seiner Art,
die wol seiner würdig wären, wo aber entscheidende Merkmale fehlen
und widerstreitendes die Attribution entmuthigt;
Originale der Madrider Schule seiner und der nächst folgenden Zeit;
Endlich Bildnisse fremdländischer Schulen, wo sich die Benennung,
falls sie nicht ganz willkürlich ist, auf jene Uebereinstimmung gründete,
welche Gemeinsamkeit des Zeitgeschmacks in zahlreichen Punkten mit
sich führt. Die im folgenden angeführten Stücke sind alle sehenswerth
und mir aus eigener Anschauung bekannt; ich führe sie an nur um andern
faux frais zu ersparen. Wiederholungen, fremde Darstellungen der von
ihm gemalten Persönlichkeiten sind bei Gelegenheit der betreffenden
Originale zur Sprache gekommen.
I. Im Palast des Herzogs von Villahermosa zu Madrid ist das
Bildniss des D. Christóbal del Corral (Curtis 159) in ganzer Figur, in
der rechten Hand ein Brief, die andere auf die rothsammtene Tischdecke
gestützt. Auffassung und Ausdruck dieses Greisenkopfs mit strengem
aber altersmattem Blick sind dem Meister verwandt; die breiten aber
sehr mageren Striche im Licht und die schweren braunen Schatten passen
desto schlechter.
Ein Ordensritter, die Rechte das Ordensschildchen fassend, früher
Olivares genannt, und Diego Velazquez bezeichnet, wurde von Lord
Mahon 1845 dem Grafen Lecchi in Bergamo abgekauft und befindet
1) G. P. Bellori, Le Vite de’ pittori. Roma 1672 p. 282.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/101>, abgerufen am 03.03.2025.
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