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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
der Vergessenheit geweiht. Die Zeit der Zurbaran und Murillo,
die in ihnen wahlverwandte Züge hätte entdecken können, hat
meiner Ansicht nach daran nichts geändert. Ein halbes Jahr-
hundert nach dem Hingang dieses Fernandez wurde alles was
das Mittelalter bis auf Michelangelo in Bildhauerei und Malerei
hervorgebracht, für abscheulich (abominable) erklärt; "was hässlich
ist, ohne Kunst und Schwung (brio) nennt man flandrisch"
(Pacheco I, 51. 315). Der diess schrieb, hat zwar Vasari's und
van Mander's Bericht über die van Eyck's, ihre Erfindung
und ihr Hauptwerk übersetzt und sogar einen Hymnus (silva)
des Enrique Vaca de Alfaro auf Jan's Bildniss eingerückt (II, 62);
aber (ein im Heroenkultus nicht seltener Widerspruch) die damals
noch zahlreich in seiner Nähe befindlichen Werke dieser Schule
keiner Beachtung werth gehalten. Er nennt den Begründer der
Schule von Sevilla nur, wo er ein kräftiges Beispiel nöthig hat für
die ihm anstössigen Unbefangenheiten in heiligen Gemälden, wie
den Engel Gabriel im Chormantel mit den Figuren der Apostel
und des Auferstandenen1). Der Name des Fernandez kommt in
seinem an Personalien so reichen Werke nicht vor. Und Pablo
de Cespedes, der eine warme archäologische Pietät für alt-
christliche Kunst bezeugt, meint, sein und seines Gleichen Haupt-
verdienst habe im Vergolden und Bemalen der Holzschnitzereien
bestanden. Die alte Zeit war ihm nur "die Asche, aus welcher
der Phönix unsrer Zeit sich erheben sollte"2).

Die Manieristen.

Die Renaissance hielt ihren Einzug in Sevilla im ersten
Jahrzehnt des sechszehnten Jahrhunderts. Damals arbeitete
der Florentiner Michael das Denkmal des Erzbischofs Mendoza
(1509), und der Pisaner Niculoso Francisco lieferte Terracotten
im Robbiastil; im Jahre 1519 bestellte Don Fadrique de Rivera
in Genua die Denkmäler seiner Eltern, die reichsten Beispiele
des italienischen Grabmalstils, die Spanien besitzt. Aber im
dritten Jahrzehnt sieht man bereits den plateresken Stil von
dem Spanier Diego de Rianno und seinen Genossen mit voller
Meisterschaft und in eigenartigem Gepräge gehandhabt. Es ist
die Entstehungszeit jener statuenreichen Prachtbauten und Pracht-

1) Arte de la pintura. II, 159. Einen so kostümirten Gabriel sah ich in einer
Verkündigung in der Galerie des Sor. Sebastian Fina y Calvo zu Sevilla.
2) Cean Bermudez, Diccionario V. 295.

Erstes Buch.
der Vergessenheit geweiht. Die Zeit der Zurbaran und Murillo,
die in ihnen wahlverwandte Züge hätte entdecken können, hat
meiner Ansicht nach daran nichts geändert. Ein halbes Jahr-
hundert nach dem Hingang dieses Fernandez wurde alles was
das Mittelalter bis auf Michelangelo in Bildhauerei und Malerei
hervorgebracht, für abscheulich (abominable) erklärt; „was hässlich
ist, ohne Kunst und Schwung (brio) nennt man flandrisch“
(Pacheco I, 51. 315). Der diess schrieb, hat zwar Vasari’s und
van Mander’s Bericht über die van Eyck’s, ihre Erfindung
und ihr Hauptwerk übersetzt und sogar einen Hymnus (silva)
des Enrique Vaca de Alfaro auf Jan’s Bildniss eingerückt (II, 62);
aber (ein im Heroenkultus nicht seltener Widerspruch) die damals
noch zahlreich in seiner Nähe befindlichen Werke dieser Schule
keiner Beachtung werth gehalten. Er nennt den Begründer der
Schule von Sevilla nur, wo er ein kräftiges Beispiel nöthig hat für
die ihm anstössigen Unbefangenheiten in heiligen Gemälden, wie
den Engel Gabriel im Chormantel mit den Figuren der Apostel
und des Auferstandenen1). Der Name des Fernandez kommt in
seinem an Personalien so reichen Werke nicht vor. Und Pablo
de Céspedes, der eine warme archäologische Pietät für alt-
christliche Kunst bezeugt, meint, sein und seines Gleichen Haupt-
verdienst habe im Vergolden und Bemalen der Holzschnitzereien
bestanden. Die alte Zeit war ihm nur „die Asche, aus welcher
der Phönix unsrer Zeit sich erheben sollte“2).

Die Manieristen.

Die Renaissance hielt ihren Einzug in Sevilla im ersten
Jahrzehnt des sechszehnten Jahrhunderts. Damals arbeitete
der Florentiner Michael das Denkmal des Erzbischofs Mendoza
(1509), und der Pisaner Niculoso Francisco lieferte Terracotten
im Robbiastil; im Jahre 1519 bestellte Don Fadrique de Rivera
in Genua die Denkmäler seiner Eltern, die reichsten Beispiele
des italienischen Grabmalstils, die Spanien besitzt. Aber im
dritten Jahrzehnt sieht man bereits den plateresken Stil von
dem Spanier Diego de Riaño und seinen Genossen mit voller
Meisterschaft und in eigenartigem Gepräge gehandhabt. Es ist
die Entstehungszeit jener statuenreichen Prachtbauten und Pracht-

1) Arte de la pintura. II, 159. Einen so kostümirten Gabriel sah ich in einer
Verkündigung in der Galerie des Sor. Sebastian Fina y Calvo zu Sevilla.
2) Cean Bermudez, Diccionario V. 295.
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[42/0062] Erstes Buch. der Vergessenheit geweiht. Die Zeit der Zurbaran und Murillo, die in ihnen wahlverwandte Züge hätte entdecken können, hat meiner Ansicht nach daran nichts geändert. Ein halbes Jahr- hundert nach dem Hingang dieses Fernandez wurde alles was das Mittelalter bis auf Michelangelo in Bildhauerei und Malerei hervorgebracht, für abscheulich (abominable) erklärt; „was hässlich ist, ohne Kunst und Schwung (brio) nennt man flandrisch“ (Pacheco I, 51. 315). Der diess schrieb, hat zwar Vasari’s und van Mander’s Bericht über die van Eyck’s, ihre Erfindung und ihr Hauptwerk übersetzt und sogar einen Hymnus (silva) des Enrique Vaca de Alfaro auf Jan’s Bildniss eingerückt (II, 62); aber (ein im Heroenkultus nicht seltener Widerspruch) die damals noch zahlreich in seiner Nähe befindlichen Werke dieser Schule keiner Beachtung werth gehalten. Er nennt den Begründer der Schule von Sevilla nur, wo er ein kräftiges Beispiel nöthig hat für die ihm anstössigen Unbefangenheiten in heiligen Gemälden, wie den Engel Gabriel im Chormantel mit den Figuren der Apostel und des Auferstandenen 1). Der Name des Fernandez kommt in seinem an Personalien so reichen Werke nicht vor. Und Pablo de Céspedes, der eine warme archäologische Pietät für alt- christliche Kunst bezeugt, meint, sein und seines Gleichen Haupt- verdienst habe im Vergolden und Bemalen der Holzschnitzereien bestanden. Die alte Zeit war ihm nur „die Asche, aus welcher der Phönix unsrer Zeit sich erheben sollte“ 2). Die Manieristen. Die Renaissance hielt ihren Einzug in Sevilla im ersten Jahrzehnt des sechszehnten Jahrhunderts. Damals arbeitete der Florentiner Michael das Denkmal des Erzbischofs Mendoza (1509), und der Pisaner Niculoso Francisco lieferte Terracotten im Robbiastil; im Jahre 1519 bestellte Don Fadrique de Rivera in Genua die Denkmäler seiner Eltern, die reichsten Beispiele des italienischen Grabmalstils, die Spanien besitzt. Aber im dritten Jahrzehnt sieht man bereits den plateresken Stil von dem Spanier Diego de Riaño und seinen Genossen mit voller Meisterschaft und in eigenartigem Gepräge gehandhabt. Es ist die Entstehungszeit jener statuenreichen Prachtbauten und Pracht- 1) Arte de la pintura. II, 159. Einen so kostümirten Gabriel sah ich in einer Verkündigung in der Galerie des Sor. Sebastian Fina y Calvo zu Sevilla. 2) Cean Bermudez, Diccionario V. 295.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/62>, abgerufen am 21.11.2024.