vor seinem Sturz (Januar 1643) entstanden sein. Das ammeisten verwandte Philipp IV wird zwar ins folgende Jahrzehnt gesetzt, aber diese Datirung beruht auf der irrigen Voraussetzung, dass die Nachricht von einem auf der Reise von 1644 nach dem Kriegsschauplatz gemalten Bildniss sich auf diess Reiterbild be- ziehe; es dürfte nicht später als 1638 fallen, als die Statue Tacca's im Werk war.
Hiernach scheint mir, dass die Entstehung von Breda 1647 viel zu tief angesetzt wird. Wer eine so complicirte Maschine aus einem Guss herstellen will, wird zu einer resoluteren, feuri- geren, pastoseren Behandlung greifen müssen, als gewöhnlich. Man hat bemerkt1), dass der Maler nur mit Lokalfarben gear- beitet hat, zugleich satt, saftig, und zart, durchsichtig; es lassen sich kaum zwei Gesichter von demselben Teint finden.
Die spanische Jagd.
Zu derselben Zeit als Olivares nach seinem Kopf dem Kö- nige eine Villa baute und einrichtete, hatte dieser nach eignem Geschmack ein Schlösschen sich ersonnen, das von der Schö- pfung des valido sehr verschieden war. Es war von bescheidener Grösse, kostete wenig, lag abgelegen im Gehölz, war nur für vertrauteste Umgebung, und sollte mit guten neuen Bildern einiger wenigen, aber der ersten Maler, ebenfalls nach eignen Gedanken angefüllt werden.
Im meilenweiten Wildpark des Pardo lag ein ehrwürdiges Jagdschloss, das Carl V neugebaut hatte. Der grosse Brand von 1608 hatte bloss seine Kunstschätze theilweise zerstört. Ein Viereck mit Eckthürmen, eine kleine Burg; aber die mit Winter- grün bedeckten Mauern, der breite Graben voll Blumenbeete gaben ihm ein seiner Bestimmung entsprechendes Angesicht. Hier war einst die unvergleichliche Bildnissgalerie der Zeitge- nossen Philipp II. Im Innern sind nur einige Freskomalereien des Becerra und Genossen von der alten Gestalt vor 1608 noch übrig geblieben,
Eine halbe Meile östlich davon hatte der Kaiser einen Thurm gebaut, zum Absteigen und Essen auf den Fahrten nach den Forsten von Balsain hoch in der Sierra. Diese Torre de la parada
1) Jose Musso y Valiente im Text der Coleccion litografica zu dem Bilde.
Viertes Buch.
vor seinem Sturz (Januar 1643) entstanden sein. Das ammeisten verwandte Philipp IV wird zwar ins folgende Jahrzehnt gesetzt, aber diese Datirung beruht auf der irrigen Voraussetzung, dass die Nachricht von einem auf der Reise von 1644 nach dem Kriegsschauplatz gemalten Bildniss sich auf diess Reiterbild be- ziehe; es dürfte nicht später als 1638 fallen, als die Statue Tacca’s im Werk war.
Hiernach scheint mir, dass die Entstehung von Breda 1647 viel zu tief angesetzt wird. Wer eine so complicirte Maschine aus einem Guss herstellen will, wird zu einer resoluteren, feuri- geren, pastoseren Behandlung greifen müssen, als gewöhnlich. Man hat bemerkt1), dass der Maler nur mit Lokalfarben gear- beitet hat, zugleich satt, saftig, und zart, durchsichtig; es lassen sich kaum zwei Gesichter von demselben Teint finden.
Die spanische Jagd.
Zu derselben Zeit als Olivares nach seinem Kopf dem Kö- nige eine Villa baute und einrichtete, hatte dieser nach eignem Geschmack ein Schlösschen sich ersonnen, das von der Schö- pfung des valido sehr verschieden war. Es war von bescheidener Grösse, kostete wenig, lag abgelegen im Gehölz, war nur für vertrauteste Umgebung, und sollte mit guten neuen Bildern einiger wenigen, aber der ersten Maler, ebenfalls nach eignen Gedanken angefüllt werden.
Im meilenweiten Wildpark des Pardo lag ein ehrwürdiges Jagdschloss, das Carl V neugebaut hatte. Der grosse Brand von 1608 hatte bloss seine Kunstschätze theilweise zerstört. Ein Viereck mit Eckthürmen, eine kleine Burg; aber die mit Winter- grün bedeckten Mauern, der breite Graben voll Blumenbeete gaben ihm ein seiner Bestimmung entsprechendes Angesicht. Hier war einst die unvergleichliche Bildnissgalerie der Zeitge- nossen Philipp II. Im Innern sind nur einige Freskomalereien des Becerra und Genossen von der alten Gestalt vor 1608 noch übrig geblieben,
Eine halbe Meile östlich davon hatte der Kaiser einen Thurm gebaut, zum Absteigen und Essen auf den Fahrten nach den Forsten von Balsain hoch in der Sierra. Diese Torre de la parada
1) José Musso y Valiente im Text der Coleccion litográfica zu dem Bilde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbn="370"facs="#f0398"/><fwtype="header"place="top">Viertes Buch.</fw><lb/>
vor seinem Sturz (Januar 1643) entstanden sein. Das ammeisten<lb/>
verwandte Philipp IV wird zwar ins folgende Jahrzehnt gesetzt,<lb/>
aber diese Datirung beruht auf der irrigen Voraussetzung, dass<lb/>
die Nachricht von einem auf der Reise von 1644 nach dem<lb/>
Kriegsschauplatz gemalten Bildniss sich auf diess Reiterbild be-<lb/>
ziehe; es dürfte nicht später als 1638 fallen, als die Statue<lb/>
Tacca’s im Werk war.</p><lb/><p>Hiernach scheint mir, dass die Entstehung von Breda 1647<lb/>
viel zu tief angesetzt wird. Wer eine so complicirte Maschine<lb/>
aus einem Guss herstellen will, wird zu einer resoluteren, feuri-<lb/>
geren, pastoseren Behandlung greifen müssen, als gewöhnlich.<lb/>
Man hat bemerkt<noteplace="foot"n="1)">José Musso y Valiente im Text der Coleccion litográfica zu dem Bilde.</note>, dass der Maler nur mit Lokalfarben gear-<lb/>
beitet hat, zugleich satt, saftig, und zart, durchsichtig; es lassen<lb/>
sich kaum zwei Gesichter von demselben Teint finden.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Die spanische Jagd.</hi></head><lb/><p>Zu derselben Zeit als Olivares nach seinem Kopf dem Kö-<lb/>
nige eine Villa baute und einrichtete, hatte dieser nach eignem<lb/>
Geschmack ein Schlösschen sich ersonnen, das von der Schö-<lb/>
pfung des <hirendition="#i">valido</hi> sehr verschieden war. Es war von bescheidener<lb/>
Grösse, kostete wenig, lag abgelegen im Gehölz, war nur für<lb/>
vertrauteste Umgebung, und sollte mit guten neuen Bildern<lb/>
einiger wenigen, aber der ersten Maler, ebenfalls nach eignen<lb/>
Gedanken angefüllt werden.</p><lb/><p>Im meilenweiten Wildpark des Pardo lag ein ehrwürdiges<lb/>
Jagdschloss, das Carl V neugebaut hatte. Der grosse Brand von<lb/>
1608 hatte bloss seine Kunstschätze theilweise zerstört. Ein<lb/>
Viereck mit Eckthürmen, eine kleine Burg; aber die mit Winter-<lb/>
grün bedeckten Mauern, der breite Graben voll Blumenbeete<lb/>
gaben ihm ein seiner Bestimmung entsprechendes Angesicht.<lb/>
Hier war einst die unvergleichliche Bildnissgalerie der Zeitge-<lb/>
nossen Philipp II. Im Innern sind nur einige Freskomalereien<lb/>
des Becerra und Genossen von der alten Gestalt vor 1608 noch<lb/>
übrig geblieben,</p><lb/><p>Eine halbe Meile östlich davon hatte der Kaiser einen Thurm<lb/>
gebaut, zum Absteigen und Essen auf den Fahrten nach den<lb/>
Forsten von Balsain hoch in der Sierra. Diese <hirendition="#i">Torre de la parada</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[370/0398]
Viertes Buch.
vor seinem Sturz (Januar 1643) entstanden sein. Das ammeisten
verwandte Philipp IV wird zwar ins folgende Jahrzehnt gesetzt,
aber diese Datirung beruht auf der irrigen Voraussetzung, dass
die Nachricht von einem auf der Reise von 1644 nach dem
Kriegsschauplatz gemalten Bildniss sich auf diess Reiterbild be-
ziehe; es dürfte nicht später als 1638 fallen, als die Statue
Tacca’s im Werk war.
Hiernach scheint mir, dass die Entstehung von Breda 1647
viel zu tief angesetzt wird. Wer eine so complicirte Maschine
aus einem Guss herstellen will, wird zu einer resoluteren, feuri-
geren, pastoseren Behandlung greifen müssen, als gewöhnlich.
Man hat bemerkt 1), dass der Maler nur mit Lokalfarben gear-
beitet hat, zugleich satt, saftig, und zart, durchsichtig; es lassen
sich kaum zwei Gesichter von demselben Teint finden.
Die spanische Jagd.
Zu derselben Zeit als Olivares nach seinem Kopf dem Kö-
nige eine Villa baute und einrichtete, hatte dieser nach eignem
Geschmack ein Schlösschen sich ersonnen, das von der Schö-
pfung des valido sehr verschieden war. Es war von bescheidener
Grösse, kostete wenig, lag abgelegen im Gehölz, war nur für
vertrauteste Umgebung, und sollte mit guten neuen Bildern
einiger wenigen, aber der ersten Maler, ebenfalls nach eignen
Gedanken angefüllt werden.
Im meilenweiten Wildpark des Pardo lag ein ehrwürdiges
Jagdschloss, das Carl V neugebaut hatte. Der grosse Brand von
1608 hatte bloss seine Kunstschätze theilweise zerstört. Ein
Viereck mit Eckthürmen, eine kleine Burg; aber die mit Winter-
grün bedeckten Mauern, der breite Graben voll Blumenbeete
gaben ihm ein seiner Bestimmung entsprechendes Angesicht.
Hier war einst die unvergleichliche Bildnissgalerie der Zeitge-
nossen Philipp II. Im Innern sind nur einige Freskomalereien
des Becerra und Genossen von der alten Gestalt vor 1608 noch
übrig geblieben,
Eine halbe Meile östlich davon hatte der Kaiser einen Thurm
gebaut, zum Absteigen und Essen auf den Fahrten nach den
Forsten von Balsain hoch in der Sierra. Diese Torre de la parada
1) José Musso y Valiente im Text der Coleccion litográfica zu dem Bilde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/398>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.