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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Parkansichten.
nannte man das glücklichste Philipp IV und am Schluss dessel-
ben wurde ein Stück, Las victorias del anno 1638 aufgeführt. Ein
Jahr also, ehe über diesem Belsazargelage plötzlich die Flam-
menschrift aufleuchtete, die im Abfall von Portugal, in der
Empörung Kataloniens den Zerfall des Reichs Philipp II an-
kündigte 1).

Parkansichten.

Von manchen Punkten der Gärten von Buen Retiro, sowie
der ältern Parks giebt es noch Ansichten aus jenen Tagen. Ei-
nige solche Stücke in der frühern Galerie Salamanca hatten we-
nigstens den Werth von Veduten. Wenn der Gartenstil etwas
abgezirkelt war, so herrschte doch unter dem Publikum nicht
steife Langweile. Zwischen Fontänen, Lauben und Rundtempel-
chen, hohen Taxusmauern mit Nischen bewegen sich neben
den Gästen Rehe ohne Scheu. Auf Rasenteppichen sitzen Da-
men, Blumen pflückend und Sträusse bindend, auf der Guitarre
klimpernd und den schwülstigen Galanterien der vor ihnen ge-
stikulirenden Cavaliere lauschend. Andere, malerisch freie An-
sichten werden von den Inventaren Velazquez zugeschrieben. Sie
sind meist sehr skizzenhaft, auch nachgedunkelt, aber man sieht,
was dem Maler vorgeschwebt hat: sie erwecken Erinnerungen
an alle Zauber südlicher Gärten. Von den grossen klaren
hellen Landschaften in den Reiterbildern fallen sie merklich
ab durch den stumpfen braunen Ton, besonders im Baumschlag;
auch die klecksige, ungenügende Andeutung der Figuren fällt
auf nach den feingezeichneten der Jagden. Sie haben Aehn-
lichkeit mit den Landschaften Mazo's, vor denen sie aber die
einfach-schöne Erfindung auszeichnet.

In zwei stark beschädigten Skizzen vermuthet man den Park
von Buen Retiro (Nr. 1111 und 1112). Hinter einer Balustrade,
in deren Mitte ein Pfau sitzt, breitet sich der grosse Weiher

1) Noch im Sommer schilderte ein Gedicht, wie Philipp der Grosse, der
hispanische Löwe, ohne seine Höhle zu verlassen, durch sein blosses Schnauben und
Schütteln der Mähne Europa erbeben und um Gnade flehen lässt:
[Spaltenumbruch] Desde su cueba espannola
el Leon con su nariz,
marchita flores de lis (Frankreich),
mata moscas con la cola (Urban VIII)
y con una hebra sola
[Spaltenumbruch] de las muchas de su clin
ata a Savoya en Turin,
y sin hacer otra arma
miserere canta Parma
y Olanda Ilora su fin.

Parkansichten.
nannte man das glücklichste Philipp IV und am Schluss dessel-
ben wurde ein Stück, Las victorias del año 1638 aufgeführt. Ein
Jahr also, ehe über diesem Belsazargelage plötzlich die Flam-
menschrift aufleuchtete, die im Abfall von Portugal, in der
Empörung Kataloniens den Zerfall des Reichs Philipp II an-
kündigte 1).

Parkansichten.

Von manchen Punkten der Gärten von Buen Retiro, sowie
der ältern Parks giebt es noch Ansichten aus jenen Tagen. Ei-
nige solche Stücke in der frühern Galerie Salamanca hatten we-
nigstens den Werth von Veduten. Wenn der Gartenstil etwas
abgezirkelt war, so herrschte doch unter dem Publikum nicht
steife Langweile. Zwischen Fontänen, Lauben und Rundtempel-
chen, hohen Taxusmauern mit Nischen bewegen sich neben
den Gästen Rehe ohne Scheu. Auf Rasenteppichen sitzen Da-
men, Blumen pflückend und Sträusse bindend, auf der Guitarre
klimpernd und den schwülstigen Galanterien der vor ihnen ge-
stikulirenden Cavaliere lauschend. Andere, malerisch freie An-
sichten werden von den Inventaren Velazquez zugeschrieben. Sie
sind meist sehr skizzenhaft, auch nachgedunkelt, aber man sieht,
was dem Maler vorgeschwebt hat: sie erwecken Erinnerungen
an alle Zauber südlicher Gärten. Von den grossen klaren
hellen Landschaften in den Reiterbildern fallen sie merklich
ab durch den stumpfen braunen Ton, besonders im Baumschlag;
auch die klecksige, ungenügende Andeutung der Figuren fällt
auf nach den feingezeichneten der Jagden. Sie haben Aehn-
lichkeit mit den Landschaften Mazo’s, vor denen sie aber die
einfach-schöne Erfindung auszeichnet.

In zwei stark beschädigten Skizzen vermuthet man den Park
von Buen Retiro (Nr. 1111 und 1112). Hinter einer Balustrade,
in deren Mitte ein Pfau sitzt, breitet sich der grosse Weiher

1) Noch im Sommer schilderte ein Gedicht, wie Philipp der Grosse, der
hispanische Löwe, ohne seine Höhle zu verlassen, durch sein blosses Schnauben und
Schütteln der Mähne Europa erbeben und um Gnade flehen lässt:
[Spaltenumbruch] Desde su cueba española
el Leon con su nariz,
marchita flores de lis (Frankreich),
mata moscas con la cola (Urban VIII)
y con una hebra sola
[Spaltenumbruch] de las muchas de su clin
ata á Savoya en Turin,
y sin hacer otra arma
miserere canta Parma
y Olanda Ilora su fin.
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[351/0377] Parkansichten. nannte man das glücklichste Philipp IV und am Schluss dessel- ben wurde ein Stück, Las victorias del año 1638 aufgeführt. Ein Jahr also, ehe über diesem Belsazargelage plötzlich die Flam- menschrift aufleuchtete, die im Abfall von Portugal, in der Empörung Kataloniens den Zerfall des Reichs Philipp II an- kündigte 1). Parkansichten. Von manchen Punkten der Gärten von Buen Retiro, sowie der ältern Parks giebt es noch Ansichten aus jenen Tagen. Ei- nige solche Stücke in der frühern Galerie Salamanca hatten we- nigstens den Werth von Veduten. Wenn der Gartenstil etwas abgezirkelt war, so herrschte doch unter dem Publikum nicht steife Langweile. Zwischen Fontänen, Lauben und Rundtempel- chen, hohen Taxusmauern mit Nischen bewegen sich neben den Gästen Rehe ohne Scheu. Auf Rasenteppichen sitzen Da- men, Blumen pflückend und Sträusse bindend, auf der Guitarre klimpernd und den schwülstigen Galanterien der vor ihnen ge- stikulirenden Cavaliere lauschend. Andere, malerisch freie An- sichten werden von den Inventaren Velazquez zugeschrieben. Sie sind meist sehr skizzenhaft, auch nachgedunkelt, aber man sieht, was dem Maler vorgeschwebt hat: sie erwecken Erinnerungen an alle Zauber südlicher Gärten. Von den grossen klaren hellen Landschaften in den Reiterbildern fallen sie merklich ab durch den stumpfen braunen Ton, besonders im Baumschlag; auch die klecksige, ungenügende Andeutung der Figuren fällt auf nach den feingezeichneten der Jagden. Sie haben Aehn- lichkeit mit den Landschaften Mazo’s, vor denen sie aber die einfach-schöne Erfindung auszeichnet. In zwei stark beschädigten Skizzen vermuthet man den Park von Buen Retiro (Nr. 1111 und 1112). Hinter einer Balustrade, in deren Mitte ein Pfau sitzt, breitet sich der grosse Weiher 1) Noch im Sommer schilderte ein Gedicht, wie Philipp der Grosse, der hispanische Löwe, ohne seine Höhle zu verlassen, durch sein blosses Schnauben und Schütteln der Mähne Europa erbeben und um Gnade flehen lässt: Desde su cueba española el Leon con su nariz, marchita flores de lis (Frankreich), mata moscas con la cola (Urban VIII) y con una hebra sola de las muchas de su clin ata á Savoya en Turin, y sin hacer otra arma miserere canta Parma y Olanda Ilora su fin.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/377>, abgerufen am 22.12.2024.