Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Königin Maria.
Neapel.
Die Königin Maria.

Im Anfang des Winters 1630, als die Zeit der Abreise
heranrückte, erhielt Velazquez von Madrid den Auftrag, dem
König ein Bildniss seiner Schwester Maria mitzubringen, nun-
mehr Gemalin Ferdinands, Königs von Ungarn. Die Ver-
mählung war schon am 5. April 1629 durch Vollmacht in Madrid
vollzogen worden; aber die Vorbereitungen zur Reise hatten
das ganze Jahr in Anspruch genommen. Wegen der Pest in
Oberitalien wurde der Umweg über Neapel genommen, wo ihr
Aufenthalt vier Monate betrug. Am 13. August hatte der Ein-
zug stattgefunden, der Aufbruch erfolgte am 18. December. Der
Wunsch ein gutes Bildniss seiner Lieblingsschwester zu besitzen,
muss Philipp IV also erst spät gekommen sein, denn eine so
lange Dauer ihres Aufenthalts in Italien war nicht vorauszusehn.

Maria Anna de Austria, geboren 1606 zu Valladolid, war die
jüngere Schwester der Infantin Anna, der ältesten von den Ge-
schwistern, die im Jahre 1615 mit Louis XIII vermählt und seit-
dem ihrer Familie fremd geworden war. Beide Schwestern werden
von den Zeitgenossen als anziehend geschildert, Blondinen von
sehr weisser Haut; doch übertraf Anna an Schönheit weit Maria 1),
bei welcher der damalige habsburgische Typus, in jener kaum
erkennbar, stark ausgeprägt war. Marie hatte dagegen ein
lebhafteres Temperament, schärferen Verstand und Eigenwillen.

Ihre Erscheinung schildert ein Brief aus diesem Jahre (13.
April), den der toscanische Gesandte Michelangelo Baglioni an
Ferdinand II von Medici richtete, welcher ihn der Königin nach
Barcelona entgegengeschickt hatte. "Sie empfing mich stehend,

1) Ella e di conveniente bellezza, ma non arriva alla Sorella, che e in Fran-
cia. Depesche des Venezianers Padovano aus Neapel v. 6. August.
Die Königin Maria.
Neapel.
Die Königin Maria.

Im Anfang des Winters 1630, als die Zeit der Abreise
heranrückte, erhielt Velazquez von Madrid den Auftrag, dem
König ein Bildniss seiner Schwester Maria mitzubringen, nun-
mehr Gemalin Ferdinands, Königs von Ungarn. Die Ver-
mählung war schon am 5. April 1629 durch Vollmacht in Madrid
vollzogen worden; aber die Vorbereitungen zur Reise hatten
das ganze Jahr in Anspruch genommen. Wegen der Pest in
Oberitalien wurde der Umweg über Neapel genommen, wo ihr
Aufenthalt vier Monate betrug. Am 13. August hatte der Ein-
zug stattgefunden, der Aufbruch erfolgte am 18. December. Der
Wunsch ein gutes Bildniss seiner Lieblingsschwester zu besitzen,
muss Philipp IV also erst spät gekommen sein, denn eine so
lange Dauer ihres Aufenthalts in Italien war nicht vorauszusehn.

Maria Anna de Austria, geboren 1606 zu Valladolid, war die
jüngere Schwester der Infantin Anna, der ältesten von den Ge-
schwistern, die im Jahre 1615 mit Louis XIII vermählt und seit-
dem ihrer Familie fremd geworden war. Beide Schwestern werden
von den Zeitgenossen als anziehend geschildert, Blondinen von
sehr weisser Haut; doch übertraf Anna an Schönheit weit Maria 1),
bei welcher der damalige habsburgische Typus, in jener kaum
erkennbar, stark ausgeprägt war. Marie hatte dagegen ein
lebhafteres Temperament, schärferen Verstand und Eigenwillen.

Ihre Erscheinung schildert ein Brief aus diesem Jahre (13.
April), den der toscanische Gesandte Michelangelo Baglioni an
Ferdinand II von Medici richtete, welcher ihn der Königin nach
Barcelona entgegengeschickt hatte. „Sie empfing mich stehend,

1) Ella è di conveniente bellezza, ma non arriva alla Sorella, che è in Fran-
cia. Depesche des Venezianers Padovano aus Neapel v. 6. August.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0337" n="311"/>
        <fw place="top" type="header">Die Königin Maria.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Neapel.<lb/>
Die Königin Maria.</hi> </head><lb/>
          <p>Im Anfang des Winters 1630, als die Zeit der Abreise<lb/>
heranrückte, erhielt Velazquez von Madrid den Auftrag, dem<lb/>
König ein Bildniss seiner Schwester Maria mitzubringen, nun-<lb/>
mehr Gemalin Ferdinands, Königs von Ungarn. Die Ver-<lb/>
mählung war schon am 5. April 1629 durch Vollmacht in Madrid<lb/>
vollzogen worden; aber die Vorbereitungen zur Reise hatten<lb/>
das ganze Jahr in Anspruch genommen. Wegen der Pest in<lb/>
Oberitalien wurde der Umweg über Neapel genommen, wo ihr<lb/>
Aufenthalt vier Monate betrug. Am 13. August hatte der Ein-<lb/>
zug stattgefunden, der Aufbruch erfolgte am 18. December. Der<lb/>
Wunsch ein gutes Bildniss seiner Lieblingsschwester zu besitzen,<lb/>
muss Philipp IV also erst spät gekommen sein, denn eine so<lb/>
lange Dauer ihres Aufenthalts in Italien war nicht vorauszusehn.</p><lb/>
          <p>Maria Anna de Austria, geboren 1606 zu Valladolid, war die<lb/>
jüngere Schwester der Infantin Anna, der ältesten von den Ge-<lb/>
schwistern, die im Jahre 1615 mit Louis XIII vermählt und seit-<lb/>
dem ihrer Familie fremd geworden war. Beide Schwestern werden<lb/>
von den Zeitgenossen als anziehend geschildert, Blondinen von<lb/>
sehr weisser Haut; doch übertraf Anna an Schönheit weit Maria <note place="foot" n="1)">Ella è di conveniente bellezza, ma non arriva alla Sorella, che è in Fran-<lb/>
cia. Depesche des Venezianers Padovano aus Neapel v. 6. August.</note>,<lb/>
bei welcher der damalige habsburgische Typus, in jener kaum<lb/>
erkennbar, stark ausgeprägt war. Marie hatte dagegen ein<lb/>
lebhafteres Temperament, schärferen Verstand und Eigenwillen.</p><lb/>
          <p>Ihre Erscheinung schildert ein Brief aus diesem Jahre (13.<lb/>
April), den der toscanische Gesandte Michelangelo Baglioni an<lb/>
Ferdinand II von Medici richtete, welcher ihn der Königin nach<lb/>
Barcelona entgegengeschickt hatte. &#x201E;Sie empfing mich stehend,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0337] Die Königin Maria. Neapel. Die Königin Maria. Im Anfang des Winters 1630, als die Zeit der Abreise heranrückte, erhielt Velazquez von Madrid den Auftrag, dem König ein Bildniss seiner Schwester Maria mitzubringen, nun- mehr Gemalin Ferdinands, Königs von Ungarn. Die Ver- mählung war schon am 5. April 1629 durch Vollmacht in Madrid vollzogen worden; aber die Vorbereitungen zur Reise hatten das ganze Jahr in Anspruch genommen. Wegen der Pest in Oberitalien wurde der Umweg über Neapel genommen, wo ihr Aufenthalt vier Monate betrug. Am 13. August hatte der Ein- zug stattgefunden, der Aufbruch erfolgte am 18. December. Der Wunsch ein gutes Bildniss seiner Lieblingsschwester zu besitzen, muss Philipp IV also erst spät gekommen sein, denn eine so lange Dauer ihres Aufenthalts in Italien war nicht vorauszusehn. Maria Anna de Austria, geboren 1606 zu Valladolid, war die jüngere Schwester der Infantin Anna, der ältesten von den Ge- schwistern, die im Jahre 1615 mit Louis XIII vermählt und seit- dem ihrer Familie fremd geworden war. Beide Schwestern werden von den Zeitgenossen als anziehend geschildert, Blondinen von sehr weisser Haut; doch übertraf Anna an Schönheit weit Maria 1), bei welcher der damalige habsburgische Typus, in jener kaum erkennbar, stark ausgeprägt war. Marie hatte dagegen ein lebhafteres Temperament, schärferen Verstand und Eigenwillen. Ihre Erscheinung schildert ein Brief aus diesem Jahre (13. April), den der toscanische Gesandte Michelangelo Baglioni an Ferdinand II von Medici richtete, welcher ihn der Königin nach Barcelona entgegengeschickt hatte. „Sie empfing mich stehend, 1) Ella è di conveniente bellezza, ma non arriva alla Sorella, che è in Fran- cia. Depesche des Venezianers Padovano aus Neapel v. 6. August.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/337
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/337>, abgerufen am 22.12.2024.