bedient hat. Sein Schwiegervater Pacheco hat freilich kein Wort davon; aber Velazquez mag von einer Sache, die ein so schmach- volles Ende genommen, nicht gerne gesprochen haben.
Selbstbildniss.
Von einem Selbstporträt, welches Velazquez nach dem Be- richt seines Schwiegervaters in Rom gemalt hat, schien ausser eben dieser Nachricht keine Spur vorhanden zu sein.
Pacheco erwähnt es zweimal in dem Leben seines Schwie- gersohns (I, 8): "Neben den anderen Studien machte er in Rom ein herrliches Selbstbildniss, welches ich besitze, mit Bewunderung der Kenner und zur Ehre der Kunst". Und dann im dritten Buch (Cap. 8): "Ich übergehe mehr als hundertfünfzig meiner Bildnisse in Farben, um auf das meines Schwiegersohns hinzu- weisen, gearbeitet in Rom und gemalt in der Manier des grossen Tizian, und (wenn es gestattet ist so zu sprechen) nicht geringer als dessen Köpfe."
Das Gemälde ist früh verschollen, und auch von einer Kopie ist nie etwas gehört worden. Alle sonstigen Bildnisse zeigen ihn in vorgerücktem Alter. Hier wäre nun der Platz, der Frage nahe zu treten, ob das von Otto Mündler als Velazquez er- kannte Bildniss der Kapitolsgalerie nicht doch dieses verloren geglaubte Porträt sei. Müssige Zweifel haben ja so wenig Werth wie müssige Behauptungen. Schon der Entdecker nannte es "ein Werk seiner jungen Jahre". Obwol es (nach J. Burckhardt) "modellirt ist wie mit einem Hauch": so lassen doch die breiten, dunklen Schatten an der verkürzten Seite des Gesichts nur an diese Zeit denken. Ein so einfaches Brustbild, in weitem Talar oder Hausrock, an dem nur der Kopf ausgeführt ist, würde Pa- checo wol nicht famoso genannt haben; aber es kann die Ori- ginalaufnahme sein, nach der jenes Geschenk gearbeitet wurde.
Da Stil und Zeit passen, die Wahrscheinlichkeit für seine Entstehung in Rom spricht, so hängt die Entscheidung von der Aehnlichkeit ab. Das einzige unzweifelhafte Selbstbildniss ist das in den Meninas. Hier sieht der Maler freilich etwas anders aus. Aber es liegen fast dreissig Jahre dazwischen; und in den unveränderlichen Theilen ist nichts zu entdecken was die Selbig- keit ausschlösse. Die Formen sind nur stärker ausgearbeitet, die feinen Züge des jungen Mannes, vielleicht des Reconvalescenten
Selbstbildniss.
bedient hat. Sein Schwiegervater Pacheco hat freilich kein Wort davon; aber Velazquez mag von einer Sache, die ein so schmach- volles Ende genommen, nicht gerne gesprochen haben.
Selbstbildniss.
Von einem Selbstporträt, welches Velazquez nach dem Be- richt seines Schwiegervaters in Rom gemalt hat, schien ausser eben dieser Nachricht keine Spur vorhanden zu sein.
Pacheco erwähnt es zweimal in dem Leben seines Schwie- gersohns (I, 8): „Neben den anderen Studien machte er in Rom ein herrliches Selbstbildniss, welches ich besitze, mit Bewunderung der Kenner und zur Ehre der Kunst“. Und dann im dritten Buch (Cap. 8): „Ich übergehe mehr als hundertfünfzig meiner Bildnisse in Farben, um auf das meines Schwiegersohns hinzu- weisen, gearbeitet in Rom und gemalt in der Manier des grossen Tizian, und (wenn es gestattet ist so zu sprechen) nicht geringer als dessen Köpfe.“
Das Gemälde ist früh verschollen, und auch von einer Kopie ist nie etwas gehört worden. Alle sonstigen Bildnisse zeigen ihn in vorgerücktem Alter. Hier wäre nun der Platz, der Frage nahe zu treten, ob das von Otto Mündler als Velazquez er- kannte Bildniss der Kapitolsgalerie nicht doch dieses verloren geglaubte Porträt sei. Müssige Zweifel haben ja so wenig Werth wie müssige Behauptungen. Schon der Entdecker nannte es „ein Werk seiner jungen Jahre“. Obwol es (nach J. Burckhardt) „modellirt ist wie mit einem Hauch“: so lassen doch die breiten, dunklen Schatten an der verkürzten Seite des Gesichts nur an diese Zeit denken. Ein so einfaches Brustbild, in weitem Talar oder Hausrock, an dem nur der Kopf ausgeführt ist, würde Pa- checo wol nicht famoso genannt haben; aber es kann die Ori- ginalaufnahme sein, nach der jenes Geschenk gearbeitet wurde.
Da Stil und Zeit passen, die Wahrscheinlichkeit für seine Entstehung in Rom spricht, so hängt die Entscheidung von der Aehnlichkeit ab. Das einzige unzweifelhafte Selbstbildniss ist das in den Meninas. Hier sieht der Maler freilich etwas anders aus. Aber es liegen fast dreissig Jahre dazwischen; und in den unveränderlichen Theilen ist nichts zu entdecken was die Selbig- keit ausschlösse. Die Formen sind nur stärker ausgearbeitet, die feinen Züge des jungen Mannes, vielleicht des Reconvalescenten
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Selbstbildniss.
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davon; aber Velazquez mag von einer Sache, die ein so schmach-
volles Ende genommen, nicht gerne gesprochen haben.
Selbstbildniss.
Von einem Selbstporträt, welches Velazquez nach dem Be-
richt seines Schwiegervaters in Rom gemalt hat, schien ausser
eben dieser Nachricht keine Spur vorhanden zu sein.
Pacheco erwähnt es zweimal in dem Leben seines Schwie-
gersohns (I, 8): „Neben den anderen Studien machte er in Rom
ein herrliches Selbstbildniss, welches ich besitze, mit Bewunderung
der Kenner und zur Ehre der Kunst“. Und dann im dritten
Buch (Cap. 8): „Ich übergehe mehr als hundertfünfzig meiner
Bildnisse in Farben, um auf das meines Schwiegersohns hinzu-
weisen, gearbeitet in Rom und gemalt in der Manier des grossen
Tizian, und (wenn es gestattet ist so zu sprechen) nicht geringer
als dessen Köpfe.“
Das Gemälde ist früh verschollen, und auch von einer Kopie
ist nie etwas gehört worden. Alle sonstigen Bildnisse zeigen
ihn in vorgerücktem Alter. Hier wäre nun der Platz, der Frage
nahe zu treten, ob das von Otto Mündler als Velazquez er-
kannte Bildniss der Kapitolsgalerie nicht doch dieses verloren
geglaubte Porträt sei. Müssige Zweifel haben ja so wenig Werth
wie müssige Behauptungen. Schon der Entdecker nannte es
„ein Werk seiner jungen Jahre“. Obwol es (nach J. Burckhardt)
„modellirt ist wie mit einem Hauch“: so lassen doch die breiten,
dunklen Schatten an der verkürzten Seite des Gesichts nur an
diese Zeit denken. Ein so einfaches Brustbild, in weitem Talar
oder Hausrock, an dem nur der Kopf ausgeführt ist, würde Pa-
checo wol nicht famoso genannt haben; aber es kann die Ori-
ginalaufnahme sein, nach der jenes Geschenk gearbeitet wurde.
Da Stil und Zeit passen, die Wahrscheinlichkeit für seine
Entstehung in Rom spricht, so hängt die Entscheidung von der
Aehnlichkeit ab. Das einzige unzweifelhafte Selbstbildniss ist
das in den Meninas. Hier sieht der Maler freilich etwas anders
aus. Aber es liegen fast dreissig Jahre dazwischen; und in den
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keit ausschlösse. Die Formen sind nur stärker ausgearbeitet, die
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/321>, abgerufen am 22.12.2024.
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