Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Die Schleichwege des Lebens. §. 57. es, um letzterem zu entgehen, zu hoch an, so fängt er sich in derAlienationsgebühr, kurz es ist eine Doppelschraube, eine juristische Zwickmühle!337) 2. Die Schleichwege des Lebens. Die Verwendung der Rechtsverhältnisse im Leben -- Mißbrauch LVII. Meinem Plane gemäß sollte jetzt die Betrachtung der Dieselbe Kunst, die in den Händen der Jurisprudenz dazu 337) Ein würdiges Seitenstück dazu aus älterer Zeit ist die fructus licitatio
beim interdictum uti possidetis, erinnernd an den Salomonischen Richter- spruch, nämlich ein Probirstein, eine Sonde zur Entdeckung des wahren Be- rechtigten. Der provisorische Besitz während des Processes wird zwischen beiden Partheien versteigert, der wirkliche Besitzer hat es also in seiner Hand den Preis so hoch zu treiben, daß der Nichtberechtigte von Sinnen sein müßte ihn zu überbieten oder wenn er es dennoch thut, ihm den größten Gefallen damit erweist. Wie unvollkommen erscheint dagegen unser heutiges Sum- mariissimum! Die Schleichwege des Lebens. §. 57. es, um letzterem zu entgehen, zu hoch an, ſo fängt er ſich in derAlienationsgebühr, kurz es iſt eine Doppelſchraube, eine juriſtiſche Zwickmühle!337) 2. Die Schleichwege des Lebens. Die Verwendung der Rechtsverhältniſſe im Leben — Mißbrauch LVII. Meinem Plane gemäß ſollte jetzt die Betrachtung der Dieſelbe Kunſt, die in den Händen der Jurisprudenz dazu 337) Ein würdiges Seitenſtück dazu aus älterer Zeit iſt die fructus licitatio
beim interdictum uti possidetis, erinnernd an den Salomoniſchen Richter- ſpruch, nämlich ein Probirſtein, eine Sonde zur Entdeckung des wahren Be- rechtigten. Der proviſoriſche Beſitz während des Proceſſes wird zwiſchen beiden Partheien verſteigert, der wirkliche Beſitzer hat es alſo in ſeiner Hand den Preis ſo hoch zu treiben, daß der Nichtberechtigte von Sinnen ſein müßte ihn zu überbieten oder wenn er es dennoch thut, ihm den größten Gefallen damit erweiſt. Wie unvollkommen erſcheint dagegen unſer heutiges Sum- mariiſſimum! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0263" n="247"/><fw place="top" type="header">Die Schleichwege des Lebens. §. 57.</fw><lb/> es, um letzterem zu entgehen, zu hoch an, ſo fängt er ſich in der<lb/> Alienationsgebühr, kurz es iſt eine Doppelſchraube, eine juriſtiſche<lb/> Zwickmühle!<note place="foot" n="337)">Ein würdiges Seitenſtück dazu aus älterer Zeit iſt die <hi rendition="#aq">fructus licitatio</hi><lb/> beim <hi rendition="#aq">interdictum uti possidetis,</hi> erinnernd an den Salomoniſchen Richter-<lb/> ſpruch, nämlich ein Probirſtein, eine Sonde zur Entdeckung des wahren Be-<lb/> rechtigten. Der proviſoriſche Beſitz während des Proceſſes wird zwiſchen<lb/> beiden Partheien verſteigert, der wirkliche Beſitzer hat es alſo in ſeiner Hand<lb/> den Preis ſo hoch zu treiben, daß der Nichtberechtigte von Sinnen ſein müßte<lb/> ihn zu überbieten oder wenn er es dennoch thut, ihm den größten Gefallen<lb/> damit erweiſt. Wie unvollkommen erſcheint dagegen unſer heutiges Sum-<lb/> mariiſſimum!</note></p> </div> </div><lb/> <div n="7"> <head> <hi rendition="#b">2. Die Schleichwege des Lebens.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Die Verwendung der Rechtsverhältniſſe im Leben — Mißbrauch<lb/> der Familienverhältniſſe — Mittel zur Vereitelung der erbrecht-<lb/> lichen Beſchränkungen.</hi> </hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#aq">LVII</hi>. Meinem Plane gemäß ſollte jetzt die Betrachtung der<lb/><hi rendition="#g">künſtlichen</hi> Mittel folgen (S. 233), ich ſchiebe hier jedoch<lb/> eine Ausführung ein, die, obſchon ſie nicht unmittelbar die<lb/> Jurisprudenz betrifft, dennoch mittelbar für unſere Zwecke von<lb/> Intereſſe iſt.</p><lb/> <p>Dieſelbe Kunſt, die in den Händen der Jurisprudenz dazu<lb/> diente, das Recht zu fördern und zu vervollkommnen, erwies ſich<lb/> auch geſchäftig, daſſelbe zu umgehen und zu untergraben. Den<lb/> Umwegen, die erſtere einſchlug, um <hi rendition="#g">erlaubte</hi> Zwecke zu er-<lb/> reichen, correſpondiren die Schleichwege, deren das Leben ſich be-<lb/> diente, um <hi rendition="#g">unerlaubte</hi> Zwecke zu verfolgen. Mochten letztere<lb/> von Juriſten oder Nichtjuriſten aufgefunden worden ſein, jeden-<lb/> falls bilden ſie kein Stück der römiſchen <hi rendition="#g">Jurisprudenz</hi>, denn<lb/> die Wiſſenſchaft lehrt die Wege des Rechts, nicht die des Un-<lb/> rechts. Sie würden daher ganz außerhalb der Gränzen unſerer<lb/> Aufgabe fallen, wenn nicht ein doppelter Grund uns nöthigte,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0263]
Die Schleichwege des Lebens. §. 57.
es, um letzterem zu entgehen, zu hoch an, ſo fängt er ſich in der
Alienationsgebühr, kurz es iſt eine Doppelſchraube, eine juriſtiſche
Zwickmühle! 337)
2. Die Schleichwege des Lebens.
Die Verwendung der Rechtsverhältniſſe im Leben — Mißbrauch
der Familienverhältniſſe — Mittel zur Vereitelung der erbrecht-
lichen Beſchränkungen.
LVII. Meinem Plane gemäß ſollte jetzt die Betrachtung der
künſtlichen Mittel folgen (S. 233), ich ſchiebe hier jedoch
eine Ausführung ein, die, obſchon ſie nicht unmittelbar die
Jurisprudenz betrifft, dennoch mittelbar für unſere Zwecke von
Intereſſe iſt.
Dieſelbe Kunſt, die in den Händen der Jurisprudenz dazu
diente, das Recht zu fördern und zu vervollkommnen, erwies ſich
auch geſchäftig, daſſelbe zu umgehen und zu untergraben. Den
Umwegen, die erſtere einſchlug, um erlaubte Zwecke zu er-
reichen, correſpondiren die Schleichwege, deren das Leben ſich be-
diente, um unerlaubte Zwecke zu verfolgen. Mochten letztere
von Juriſten oder Nichtjuriſten aufgefunden worden ſein, jeden-
falls bilden ſie kein Stück der römiſchen Jurisprudenz, denn
die Wiſſenſchaft lehrt die Wege des Rechts, nicht die des Un-
rechts. Sie würden daher ganz außerhalb der Gränzen unſerer
Aufgabe fallen, wenn nicht ein doppelter Grund uns nöthigte,
337) Ein würdiges Seitenſtück dazu aus älterer Zeit iſt die fructus licitatio
beim interdictum uti possidetis, erinnernd an den Salomoniſchen Richter-
ſpruch, nämlich ein Probirſtein, eine Sonde zur Entdeckung des wahren Be-
rechtigten. Der proviſoriſche Beſitz während des Proceſſes wird zwiſchen
beiden Partheien verſteigert, der wirkliche Beſitzer hat es alſo in ſeiner Hand
den Preis ſo hoch zu treiben, daß der Nichtberechtigte von Sinnen ſein müßte
ihn zu überbieten oder wenn er es dennoch thut, ihm den größten Gefallen
damit erweiſt. Wie unvollkommen erſcheint dagegen unſer heutiges Sum-
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