Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

B. Das Rechtsgeschäft. Analysirbarkeit desselben. §. 53.
zertrennlich ist, und der in unserm heutigen Proceß nicht minder
wiederkehrt, als im spätern Formularproceß (B. 2 S. 663, 664).
Gleichwohl genügte er, um die Beschreitung des Rechtswegs
ohne einen erfahrenen Führer zu einem höchst mißlichen Unter-
nehmen, m. a. W. den Juristen unentbehrlich zu machen. 169)
Daß seine Hülfe gern gewährt ward, schloß nicht aus, daß nicht
der Laie den Druck dieser Nothwendigkeit empfand, und wenn
sich die Sage bilden konnte, die Juristen hätten in alter Zeit aus
dem Recht ein Geheimniß gemacht, so wird dies jedem, der mir
bisher gefolgt ist, vollkommen begreiflich erscheinen -- die alten
Proceßformeln und ihr Gebrauch waren für den Laien ein eben
solches Geheimniß, wie Logarithmentafeln für einen Bauern.

Wer den hohen Einfluß zu würdigen weiß, den knappe,
strenge Formen auf die innere Entwicklung des Rechts ausüben,
für den wird es weder einer Ausführung, noch Rechtfertigung
bedürfen, wenn ich schließlich mein Urtheil über die historische
Bedeutung des altrömischen Processes für die Gesammtent-
wickelung des römischen Rechts
in den Satz zusammen-
fasse: was für den Geist der Körper, das war für die
Analytik der Begriffe die des Processes -- ohne
den altrömischen Proceß gäbe es muthmaßlich kein
heutiges römisches Recht
.


B. Das Rechtsgeschäft.

Correspondenzverhältniß in der Structur des Processes und Rechts-
geschäfts -- Der Grundsatz der Einfachheit des Rechtsverhältnisses
-- Der Gedanke der Concentration des Rechtsgeschäfts: Simul-
taneität des Akts, des Thatbestandes und der Wirkungen (Bedin-
gung und dies).

LIII. Das Rechtsgeschäft ist die Form, in welcher der sub-
jective Wille innerhalb der ihm vom Recht angewiesenen Schran-
ken seine rechtschöpferische Thätigkeit entfaltet. Nur insoweit er

169) Darüber habe ich mich §. 42 ausgesprochen.

B. Das Rechtsgeſchäft. Analyſirbarkeit deſſelben. §. 53.
zertrennlich iſt, und der in unſerm heutigen Proceß nicht minder
wiederkehrt, als im ſpätern Formularproceß (B. 2 S. 663, 664).
Gleichwohl genügte er, um die Beſchreitung des Rechtswegs
ohne einen erfahrenen Führer zu einem höchſt mißlichen Unter-
nehmen, m. a. W. den Juriſten unentbehrlich zu machen. 169)
Daß ſeine Hülfe gern gewährt ward, ſchloß nicht aus, daß nicht
der Laie den Druck dieſer Nothwendigkeit empfand, und wenn
ſich die Sage bilden konnte, die Juriſten hätten in alter Zeit aus
dem Recht ein Geheimniß gemacht, ſo wird dies jedem, der mir
bisher gefolgt iſt, vollkommen begreiflich erſcheinen — die alten
Proceßformeln und ihr Gebrauch waren für den Laien ein eben
ſolches Geheimniß, wie Logarithmentafeln für einen Bauern.

Wer den hohen Einfluß zu würdigen weiß, den knappe,
ſtrenge Formen auf die innere Entwicklung des Rechts ausüben,
für den wird es weder einer Ausführung, noch Rechtfertigung
bedürfen, wenn ich ſchließlich mein Urtheil über die hiſtoriſche
Bedeutung des altrömiſchen Proceſſes für die Geſammtent-
wickelung des römiſchen Rechts
in den Satz zuſammen-
faſſe: was für den Geiſt der Körper, das war für die
Analytik der Begriffe die des Proceſſes — ohne
den altrömiſchen Proceß gäbe es muthmaßlich kein
heutiges römiſches Recht
.


B. Das Rechtsgeſchäft.

Correſpondenzverhältniß in der Structur des Proceſſes und Rechts-
geſchäfts — Der Grundſatz der Einfachheit des Rechtsverhältniſſes
— Der Gedanke der Concentration des Rechtsgeſchäfts: Simul-
taneität des Akts, des Thatbeſtandes und der Wirkungen (Bedin-
gung und dies).

LIII. Das Rechtsgeſchäft iſt die Form, in welcher der ſub-
jective Wille innerhalb der ihm vom Recht angewieſenen Schran-
ken ſeine rechtſchöpferiſche Thätigkeit entfaltet. Nur inſoweit er

169) Darüber habe ich mich §. 42 ausgeſprochen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0141" n="125"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">B.</hi> Das Rechtsge&#x017F;chäft. Analy&#x017F;irbarkeit de&#x017F;&#x017F;elben. §. 53.</fw><lb/>
zertrennlich i&#x017F;t, und der in un&#x017F;erm heutigen Proceß nicht minder<lb/>
wiederkehrt, als im &#x017F;pätern Formularproceß (B. 2 S. 663, 664).<lb/>
Gleichwohl genügte er, um die Be&#x017F;chreitung des Rechtswegs<lb/>
ohne einen erfahrenen Führer zu einem höch&#x017F;t mißlichen Unter-<lb/>
nehmen, m. a. W. den <hi rendition="#g">Juri&#x017F;ten</hi> unentbehrlich zu machen. <note place="foot" n="169)">Darüber habe ich mich §. 42 ausge&#x017F;prochen.</note><lb/>
Daß &#x017F;eine Hülfe gern gewährt ward, &#x017F;chloß nicht aus, daß nicht<lb/>
der Laie den Druck die&#x017F;er Nothwendigkeit empfand, und wenn<lb/>
&#x017F;ich die Sage bilden konnte, die Juri&#x017F;ten hätten in alter Zeit aus<lb/>
dem Recht ein Geheimniß gemacht, &#x017F;o wird dies jedem, der mir<lb/>
bisher gefolgt i&#x017F;t, vollkommen begreiflich er&#x017F;cheinen &#x2014; die alten<lb/>
Proceßformeln und ihr Gebrauch waren für den Laien ein eben<lb/>
&#x017F;olches Geheimniß, wie Logarithmentafeln für einen Bauern.</p><lb/>
                        <p>Wer den hohen Einfluß zu würdigen weiß, den knappe,<lb/>
&#x017F;trenge Formen auf die innere Entwicklung des Rechts ausüben,<lb/>
für den wird es weder einer Ausführung, noch Rechtfertigung<lb/>
bedürfen, wenn ich &#x017F;chließlich mein Urtheil über die hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
Bedeutung des altrömi&#x017F;chen Proce&#x017F;&#x017F;es für die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;ammtent-<lb/>
wickelung des römi&#x017F;chen Rechts</hi> in den Satz zu&#x017F;ammen-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;e: <hi rendition="#g">was für den Gei&#x017F;t der Körper, das war für die<lb/>
Analytik der Begriffe die des Proce&#x017F;&#x017F;es &#x2014; ohne<lb/>
den altrömi&#x017F;chen Proceß gäbe es muthmaßlich kein<lb/>
heutiges römi&#x017F;ches Recht</hi>.</p>
                      </div>
                    </div>
                  </div><lb/>
                  <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
                  <div n="7">
                    <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">B.</hi> Das Rechtsge&#x017F;chäft.</hi> </head><lb/>
                    <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Corre&#x017F;pondenzverhältniß in der Structur des Proce&#x017F;&#x017F;es und Rechts-<lb/>
ge&#x017F;chäfts &#x2014; Der Grund&#x017F;atz der Einfachheit des Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;es<lb/>
&#x2014; Der Gedanke der Concentration des Rechtsge&#x017F;chäfts: Simul-<lb/>
taneität des Akts, des Thatbe&#x017F;tandes und der Wirkungen (Bedin-<lb/>
gung und <hi rendition="#aq">dies</hi>).</hi> </hi> </p><lb/>
                    <p><hi rendition="#aq">LIII.</hi> Das Rechtsge&#x017F;chäft i&#x017F;t die Form, in welcher der &#x017F;ub-<lb/>
jective Wille innerhalb der ihm vom Recht angewie&#x017F;enen Schran-<lb/>
ken &#x017F;eine recht&#x017F;chöpferi&#x017F;che Thätigkeit entfaltet. Nur in&#x017F;oweit er<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0141] B. Das Rechtsgeſchäft. Analyſirbarkeit deſſelben. §. 53. zertrennlich iſt, und der in unſerm heutigen Proceß nicht minder wiederkehrt, als im ſpätern Formularproceß (B. 2 S. 663, 664). Gleichwohl genügte er, um die Beſchreitung des Rechtswegs ohne einen erfahrenen Führer zu einem höchſt mißlichen Unter- nehmen, m. a. W. den Juriſten unentbehrlich zu machen. 169) Daß ſeine Hülfe gern gewährt ward, ſchloß nicht aus, daß nicht der Laie den Druck dieſer Nothwendigkeit empfand, und wenn ſich die Sage bilden konnte, die Juriſten hätten in alter Zeit aus dem Recht ein Geheimniß gemacht, ſo wird dies jedem, der mir bisher gefolgt iſt, vollkommen begreiflich erſcheinen — die alten Proceßformeln und ihr Gebrauch waren für den Laien ein eben ſolches Geheimniß, wie Logarithmentafeln für einen Bauern. Wer den hohen Einfluß zu würdigen weiß, den knappe, ſtrenge Formen auf die innere Entwicklung des Rechts ausüben, für den wird es weder einer Ausführung, noch Rechtfertigung bedürfen, wenn ich ſchließlich mein Urtheil über die hiſtoriſche Bedeutung des altrömiſchen Proceſſes für die Geſammtent- wickelung des römiſchen Rechts in den Satz zuſammen- faſſe: was für den Geiſt der Körper, das war für die Analytik der Begriffe die des Proceſſes — ohne den altrömiſchen Proceß gäbe es muthmaßlich kein heutiges römiſches Recht. B. Das Rechtsgeſchäft. Correſpondenzverhältniß in der Structur des Proceſſes und Rechts- geſchäfts — Der Grundſatz der Einfachheit des Rechtsverhältniſſes — Der Gedanke der Concentration des Rechtsgeſchäfts: Simul- taneität des Akts, des Thatbeſtandes und der Wirkungen (Bedin- gung und dies). LIII. Das Rechtsgeſchäft iſt die Form, in welcher der ſub- jective Wille innerhalb der ihm vom Recht angewieſenen Schran- ken ſeine rechtſchöpferiſche Thätigkeit entfaltet. Nur inſoweit er 169) Darüber habe ich mich §. 42 ausgeſprochen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/141
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/141>, abgerufen am 30.12.2024.