Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. schließlichen Beziehung zu den processualischenHandlungen stand. 2. Der Grund der Form. Worin bestand diese Beziehung? Wir haben die Antwort schon halb gegeben, wenn wir das 874) Dieselbe wiederholt sich bis zu einem gewissen Grade auch im eng-
lischen Proceß, der demnach Legisactionen im römischen Sinn kennt (s. Note 893). Nach de Lolme Verfassung von England (Uebers. Altona 1819 S. 122) würde sogar früherhin in England ein ähnliches Depot für die Klagformeln bestanden haben, wie einst in Rom bei dem Pontificalcolle- gium: "Diese kostbaren Writs endlich, die Briefs [Auszüge, brevia], wie sie auch vorzugsweise genannt werden, die in Form und Richtung genau bestimm- ten Klagen, das Elixir und die Quintessenz des Rechts sind der besondern Sorge eigends dazu angestellter Beamten übergeben worden, deren Aemter von den besondern Gefäßen den Namen erhalten, die sie zur Aufbewahrung des ihnen anvertrauten Pfandes gebrauchen. Das eine heißt nämlich das Ha- naper (Janaperium Korb), das andere das Schmal (Petty)-Bag Amt (parva baga = kleiner Sack, Beutel). Hier werden die Writs aufbewahrt, welche des Königs, dort die, welche der Unterthanen Interessen betreffen." Heutzu- tage geändert: Gneist Das heut. engl. Verf. und Verwaltungsrecht B. 1 S. 522, der auch im Uebrigen etwas abweicht. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. ſchließlichen Beziehung zu den proceſſualiſchenHandlungen ſtand. 2. Der Grund der Form. Worin beſtand dieſe Beziehung? Wir haben die Antwort ſchon halb gegeben, wenn wir das 874) Dieſelbe wiederholt ſich bis zu einem gewiſſen Grade auch im eng-
liſchen Proceß, der demnach Legisactionen im römiſchen Sinn kennt (ſ. Note 893). Nach de Lolme Verfaſſung von England (Ueberſ. Altona 1819 S. 122) würde ſogar früherhin in England ein ähnliches Depot für die Klagformeln beſtanden haben, wie einſt in Rom bei dem Pontificalcolle- gium: „Dieſe koſtbaren Writs endlich, die Briefs [Auszüge, brevia], wie ſie auch vorzugsweiſe genannt werden, die in Form und Richtung genau beſtimm- ten Klagen, das Elixir und die Quinteſſenz des Rechts ſind der beſondern Sorge eigends dazu angeſtellter Beamten übergeben worden, deren Aemter von den beſondern Gefäßen den Namen erhalten, die ſie zur Aufbewahrung des ihnen anvertrauten Pfandes gebrauchen. Das eine heißt nämlich das Ha- naper (Janaperium Korb), das andere das Schmal (Petty)-Bag Amt (parva baga = kleiner Sack, Beutel). Hier werden die Writs aufbewahrt, welche des Königs, dort die, welche der Unterthanen Intereſſen betreffen.“ Heutzu- tage geändert: Gneiſt Das heut. engl. Verf. und Verwaltungsrecht B. 1 S. 522, der auch im Uebrigen etwas abweicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <p><pb facs="#f0357" n="651"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 47.</fw><lb/><hi rendition="#g">ſchließlichen Beziehung zu den proceſſualiſchen<lb/> Handlungen ſtand</hi>.</p> </div> </div><lb/> <div n="9"> <head>2. <hi rendition="#g">Der Grund der Form</hi>.</head><lb/> <p>Worin beſtand dieſe Beziehung?</p><lb/> <p>Wir haben die Antwort ſchon halb gegeben, wenn wir das<lb/> eigenthümliche Weſen der Form der Legisactionen ſelbſt richtig<lb/> definiren. Es iſt mit dem <hi rendition="#g">einen</hi> Wort: <hi rendition="#g">Citirmethode</hi> ge-<lb/> ſchehen. Jede Legis Actio citirte das Geſetz, welches ſie zur An-<lb/> wendung zu bringen beabſichtigte, aber nicht in der abſtracten<lb/> Form einer bloßen Verweiſung auf den Paragraphen oder Ar-<lb/> tikel des Geſetzbuchs oder auch der breiteren Form einer Anfüh-<lb/> rung der betreffenden Worte, ſondern in einer mehr innerlichen,<lb/> concreteren Weiſe.<note place="foot" n="874)">Dieſelbe wiederholt ſich bis zu einem gewiſſen Grade auch im eng-<lb/> liſchen Proceß, der demnach Legisactionen im römiſchen Sinn kennt (ſ.<lb/> Note 893). Nach de Lolme Verfaſſung von England (Ueberſ. Altona<lb/> 1819 S. 122) würde ſogar früherhin in England ein ähnliches Depot für<lb/> die Klagformeln beſtanden haben, wie einſt in Rom bei dem Pontificalcolle-<lb/> gium: „Dieſe koſtbaren Writs endlich, die Briefs [Auszüge, <hi rendition="#aq">brevia</hi>], wie ſie<lb/> auch vorzugsweiſe genannt werden, die in Form und Richtung genau beſtimm-<lb/> ten Klagen, das Elixir und die Quinteſſenz des Rechts ſind der beſondern<lb/> Sorge eigends dazu angeſtellter Beamten übergeben worden, deren Aemter<lb/> von den beſondern Gefäßen den Namen erhalten, die ſie zur Aufbewahrung<lb/> des ihnen anvertrauten Pfandes gebrauchen. Das eine heißt nämlich das Ha-<lb/> naper (<hi rendition="#aq">Janaperium</hi> Korb), das andere das Schmal (Petty)-Bag Amt (<hi rendition="#aq">parva<lb/> baga</hi> = kleiner Sack, Beutel). Hier werden die Writs aufbewahrt, welche<lb/> des Königs, dort die, welche der Unterthanen Intereſſen betreffen.“ Heutzu-<lb/> tage geändert: Gneiſt Das heut. engl. Verf. und Verwaltungsrecht B. 1<lb/> S. 522, der auch im Uebrigen etwas abweicht.</note> <hi rendition="#g">Die Formel ſelbſt war das Citat</hi>,<lb/> ſie verwies auf das Geſetz, ohne es zu nennen, ſie verwies dar-<lb/> auf durch <hi rendition="#g">ſich ſelbſt</hi>, durch ihre Faſſung und Subſtanz, ſie<lb/> war, ſo zu ſagen, die proceſſualiſche Incarnation des Geſetzes,<lb/> das Geſetz ſelbſt, welches concrete Geſtalt und Leben ange-<lb/> nommen hatte und gegen den Uebertreter ins Feld rückte (ge-<lb/> wiſſermaßen eine <hi rendition="#aq">actio legis</hi> im ſubjectivgenitiviſchen Sinne).</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [651/0357]
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
ſchließlichen Beziehung zu den proceſſualiſchen
Handlungen ſtand.
2. Der Grund der Form.
Worin beſtand dieſe Beziehung?
Wir haben die Antwort ſchon halb gegeben, wenn wir das
eigenthümliche Weſen der Form der Legisactionen ſelbſt richtig
definiren. Es iſt mit dem einen Wort: Citirmethode ge-
ſchehen. Jede Legis Actio citirte das Geſetz, welches ſie zur An-
wendung zu bringen beabſichtigte, aber nicht in der abſtracten
Form einer bloßen Verweiſung auf den Paragraphen oder Ar-
tikel des Geſetzbuchs oder auch der breiteren Form einer Anfüh-
rung der betreffenden Worte, ſondern in einer mehr innerlichen,
concreteren Weiſe. 874) Die Formel ſelbſt war das Citat,
ſie verwies auf das Geſetz, ohne es zu nennen, ſie verwies dar-
auf durch ſich ſelbſt, durch ihre Faſſung und Subſtanz, ſie
war, ſo zu ſagen, die proceſſualiſche Incarnation des Geſetzes,
das Geſetz ſelbſt, welches concrete Geſtalt und Leben ange-
nommen hatte und gegen den Uebertreter ins Feld rückte (ge-
wiſſermaßen eine actio legis im ſubjectivgenitiviſchen Sinne).
874) Dieſelbe wiederholt ſich bis zu einem gewiſſen Grade auch im eng-
liſchen Proceß, der demnach Legisactionen im römiſchen Sinn kennt (ſ.
Note 893). Nach de Lolme Verfaſſung von England (Ueberſ. Altona
1819 S. 122) würde ſogar früherhin in England ein ähnliches Depot für
die Klagformeln beſtanden haben, wie einſt in Rom bei dem Pontificalcolle-
gium: „Dieſe koſtbaren Writs endlich, die Briefs [Auszüge, brevia], wie ſie
auch vorzugsweiſe genannt werden, die in Form und Richtung genau beſtimm-
ten Klagen, das Elixir und die Quinteſſenz des Rechts ſind der beſondern
Sorge eigends dazu angeſtellter Beamten übergeben worden, deren Aemter
von den beſondern Gefäßen den Namen erhalten, die ſie zur Aufbewahrung
des ihnen anvertrauten Pfandes gebrauchen. Das eine heißt nämlich das Ha-
naper (Janaperium Korb), das andere das Schmal (Petty)-Bag Amt (parva
baga = kleiner Sack, Beutel). Hier werden die Writs aufbewahrt, welche
des Königs, dort die, welche der Unterthanen Intereſſen betreffen.“ Heutzu-
tage geändert: Gneiſt Das heut. engl. Verf. und Verwaltungsrecht B. 1
S. 522, der auch im Uebrigen etwas abweicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |