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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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256. An Matzdorff in Berlin.
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Ich arbeite wie ein preussischer Unterthan -- nämlich stark. Ich
sehne mich in einer solchen Säezeit nach Ferien und wenn ich sie habe:
brents mir wieder in der Brust und ich mus mich auf meine Eier sezen5
und brüten. -- Die Freundschaft hat nur eine heiligere Binde um wie
Amor. -- Meine Körpermast en chauve souris; ich kan keine Aus-
schweifungen begehen als kleine.

257. An Hebe (?).
[Kopie]10

Ach das weibliche Geschlecht hat gegen den langen Schmerz seines
Lebens den schmerzstillenden Schlaftrunk der Dichtkunst so von-
nöthen! Indes wenigstens durch die mänliche Jugend ein beständiger
frischer Morgenwind zieht: so ermattet schon die weibliche unter
schwülem Sirocko und Harmattanwind. Garofalo malte ein schlafen-15
des Kind, über d[as] ein Engel eine Dornenkrone hält. So würd' ich
das weibliche Geschlecht malen -- und wenn es erwacht, drücke der
Engel die Dornenkrone herab. Der Lebenstag gehe sanft, heiter,
blau und warm und mit nicht mehr Gewölke als zu einem Abendroth
gehört über Ihr Haupt hinüber.20

258. An Christian Otto.

Hier schick' ich dir Wenig vom Buch und ich werde noch einige
Wochen brauchen, bis ich das erreichen und schicken kan, womit die
Hauptsache und das Mittelstük vom Titel gerechtfertigt und eine25
kleine Perspektive auf den Ausgang geöfnet ist. Kurz ich habe noch
5, 6 Bogen zu der Sache, womit ich das Buch anzuheben gedachte.

259. An Renate Otto.[162]

Gute Renata! Wenn Sie dieses Buch und dieses Blat morgen in30
die Hände nehmen: so werden Sie schon alles errathen, was meine
Seele der Ihrigen zu sagen hat. Aber stat meiner sag' Ihnen Ihr
Christoph, wenn er Sie unter der Morgenröthe Ihres aufgehenden

11*
256. An Matzdorff in Berlin.
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Ich arbeite wie ein preuſſiſcher Unterthan — nämlich ſtark. Ich
ſehne mich in einer ſolchen Säezeit nach Ferien und wenn ich ſie habe:
brents mir wieder in der Bruſt und ich mus mich auf meine Eier ſezen5
und brüten. — Die Freundſchaft hat nur eine heiligere Binde um wie
Amor. — Meine Körpermaſt en chauve souris; ich kan keine Aus-
ſchweifungen begehen als kleine.

257. An Hebe (?).
[Kopie]10

Ach das weibliche Geſchlecht hat gegen den langen Schmerz ſeines
Lebens den ſchmerzſtillenden Schlaftrunk der Dichtkunſt ſo von-
nöthen! Indes wenigſtens durch die mänliche Jugend ein beſtändiger
friſcher Morgenwind zieht: ſo ermattet ſchon die weibliche unter
ſchwülem Sirocko und Harmattanwind. Garofalo malte ein ſchlafen-15
des Kind, über d[as] ein Engel eine Dornenkrone hält. So würd’ ich
das weibliche Geſchlecht malen — und wenn es erwacht, drücke der
Engel die Dornenkrone herab. Der Lebenstag gehe ſanft, heiter,
blau und warm und mit nicht mehr Gewölke als zu einem Abendroth
gehört über Ihr Haupt hinüber.20

258. An Chriſtian Otto.

Hier ſchick’ ich dir Wenig vom Buch und ich werde noch einige
Wochen brauchen, bis ich das erreichen und ſchicken kan, womit die
Hauptſache und das Mittelſtük vom Titel gerechtfertigt und eine25
kleine Perſpektive auf den Ausgang geöfnet iſt. Kurz ich habe noch
5, 6 Bogen zu der Sache, womit ich das Buch anzuheben gedachte.

259. An Renate Otto.[162]

Gute Renata! Wenn Sie dieſes Buch und dieſes Blat morgen in30
die Hände nehmen: ſo werden Sie ſchon alles errathen, was meine
Seele der Ihrigen zu ſagen hat. Aber ſtat meiner ſag’ Ihnen Ihr
Chriſtoph, wenn er Sie unter der Morgenröthe Ihres aufgehenden

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[163/0174] 256. An Matzdorff in Berlin. [Hof, 3. März 1796] Ich arbeite wie ein preuſſiſcher Unterthan — nämlich ſtark. Ich ſehne mich in einer ſolchen Säezeit nach Ferien und wenn ich ſie habe: brents mir wieder in der Bruſt und ich mus mich auf meine Eier ſezen 5 und brüten. — Die Freundſchaft hat nur eine heiligere Binde um wie Amor. — Meine Körpermaſt en chauve souris; ich kan keine Aus- ſchweifungen begehen als kleine. 257. An Hebe (?). [Hof, 4. März 1796] 10 Ach das weibliche Geſchlecht hat gegen den langen Schmerz ſeines Lebens den ſchmerzſtillenden Schlaftrunk der Dichtkunſt ſo von- nöthen! Indes wenigſtens durch die mänliche Jugend ein beſtändiger friſcher Morgenwind zieht: ſo ermattet ſchon die weibliche unter ſchwülem Sirocko und Harmattanwind. Garofalo malte ein ſchlafen- 15 des Kind, über d[as] ein Engel eine Dornenkrone hält. So würd’ ich das weibliche Geſchlecht malen — und wenn es erwacht, drücke der Engel die Dornenkrone herab. Der Lebenstag gehe ſanft, heiter, blau und warm und mit nicht mehr Gewölke als zu einem Abendroth gehört über Ihr Haupt hinüber. 20 258. An Chriſtian Otto. [Hof, 5. März 1796] Hier ſchick’ ich dir Wenig vom Buch und ich werde noch einige Wochen brauchen, bis ich das erreichen und ſchicken kan, womit die Hauptſache und das Mittelſtük vom Titel gerechtfertigt und eine 25 kleine Perſpektive auf den Ausgang geöfnet iſt. Kurz ich habe noch 5, 6 Bogen zu der Sache, womit ich das Buch anzuheben gedachte. 259. An Renate Otto. Hof d. 8 März 1796. Gute Renata! Wenn Sie dieſes Buch und dieſes Blat morgen in 30 die Hände nehmen: ſo werden Sie ſchon alles errathen, was meine Seele der Ihrigen zu ſagen hat. Aber ſtat meiner ſag’ Ihnen Ihr Chriſtoph, wenn er Sie unter der Morgenröthe Ihres aufgehenden 11*

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/174>, abgerufen am 26.04.2024.