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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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liebreich, wenn er solche barbarische Grau-
samkeiten ungeahndet lassen wollte?

§. 21.
Bewegliche
Bittschrift
unehelicher
Kinder an
ihre Eltern,
an die O-
bern und an
Gott.

Da mir so gar oft der traurige Anblick
so verlassener und in ihrem Elende umkom-
mender Kinder in die Augen fällt, und ich
noch vor kurzen ein sehr schönes, wolgestal-
tetes und gesundes Kind, dessen Hunger
man aus Noth mit kaltem Meelbrey, der
zu einem Buchbinderkleister geworden war,
zu stillen suchte, in dem heftigsten Leibweh
mit dem kläglichsten Geschrey sterben sahe,
so hat mich die Wehmuth auf das Vorha-
ben gebracht, diesen Verlassenen zum Be-
sten, und in ihrem Namen folgende Bitt-
schrift an ihre Väter, an die Obern, und
an Gott aufzusetzen.

O Väter, die ihr uns gezeuget, uns
aber hasset und uns den Tod wünschet, ihr
die ihr wollüstige Blicke nach unseren be-
thörten und unglücklichen Müttern gethan,
ach! thut doch einen einzigen Blick auf uns
Armselige. Ach lasset einmal unser
ängstliches Schreyen in eure Ohren drin-
gen, vielleicht bricht es euer Herz. Se-
het, hier liegen wir, eure Kinder, ohne Decke
in unserm Harn und Koth und erstarren
für Kälte. Unsere Milch ist mit herben
Gram vergällt, welcher aus dem Herzen
einer von euch betrogenen Mutter quillt.
Und hätten wir derselben nur genug. Aber

die

liebreich, wenn er ſolche barbariſche Grau-
ſamkeiten ungeahndet laſſen wollte?

§. 21.
Bewegliche
Bittſchrift
unehelicher
Kinder an
ihre Eltern,
an die O-
bern und an
Gott.

Da mir ſo gar oft der traurige Anblick
ſo verlaſſener und in ihrem Elende umkom-
mender Kinder in die Augen faͤllt, und ich
noch vor kurzen ein ſehr ſchoͤnes, wolgeſtal-
tetes und geſundes Kind, deſſen Hunger
man aus Noth mit kaltem Meelbrey, der
zu einem Buchbinderkleiſter geworden war,
zu ſtillen ſuchte, in dem heftigſten Leibweh
mit dem klaͤglichſten Geſchrey ſterben ſahe,
ſo hat mich die Wehmuth auf das Vorha-
ben gebracht, dieſen Verlaſſenen zum Be-
ſten, und in ihrem Namen folgende Bitt-
ſchrift an ihre Vaͤter, an die Obern, und
an Gott aufzuſetzen.

O Vaͤter, die ihr uns gezeuget, uns
aber haſſet und uns den Tod wuͤnſchet, ihr
die ihr wolluͤſtige Blicke nach unſeren be-
thoͤrten und ungluͤcklichen Muͤttern gethan,
ach! thut doch einen einzigen Blick auf uns
Armſelige. Ach laſſet einmal unſer
aͤngſtliches Schreyen in eure Ohren drin-
gen, vielleicht bricht es euer Herz. Se-
het, hier liegen wir, eure Kinder, ohne Decke
in unſerm Harn und Koth und erſtarren
fuͤr Kaͤlte. Unſere Milch iſt mit herben
Gram vergaͤllt, welcher aus dem Herzen
einer von euch betrogenen Mutter quillt.
Und haͤtten wir derſelben nur genug. Aber

die
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[316/0336] liebreich, wenn er ſolche barbariſche Grau- ſamkeiten ungeahndet laſſen wollte? §. 21. Da mir ſo gar oft der traurige Anblick ſo verlaſſener und in ihrem Elende umkom- mender Kinder in die Augen faͤllt, und ich noch vor kurzen ein ſehr ſchoͤnes, wolgeſtal- tetes und geſundes Kind, deſſen Hunger man aus Noth mit kaltem Meelbrey, der zu einem Buchbinderkleiſter geworden war, zu ſtillen ſuchte, in dem heftigſten Leibweh mit dem klaͤglichſten Geſchrey ſterben ſahe, ſo hat mich die Wehmuth auf das Vorha- ben gebracht, dieſen Verlaſſenen zum Be- ſten, und in ihrem Namen folgende Bitt- ſchrift an ihre Vaͤter, an die Obern, und an Gott aufzuſetzen. O Vaͤter, die ihr uns gezeuget, uns aber haſſet und uns den Tod wuͤnſchet, ihr die ihr wolluͤſtige Blicke nach unſeren be- thoͤrten und ungluͤcklichen Muͤttern gethan, ach! thut doch einen einzigen Blick auf uns Armſelige. Ach laſſet einmal unſer aͤngſtliches Schreyen in eure Ohren drin- gen, vielleicht bricht es euer Herz. Se- het, hier liegen wir, eure Kinder, ohne Decke in unſerm Harn und Koth und erſtarren fuͤr Kaͤlte. Unſere Milch iſt mit herben Gram vergaͤllt, welcher aus dem Herzen einer von euch betrogenen Mutter quillt. Und haͤtten wir derſelben nur genug. Aber die

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/336>, abgerufen am 30.12.2024.