viere sollten zusammen thun, und in ei- nem Wagen aufgezogen kommen; was würde man selbigen wohl antworten, und was für eine Straffe würde man ihnen setzen? Warum müssen denn aber so thö- richte Auslegungen der göttlichen Gesetze, Vernunfft und Weisheit heissen?
§. 9.
Man wundert sich nicht unbillig überFortse- tzung des vorigen. einen gewissen berühmten Gelehrten, wel- cher in seinem Recht der Vernunfft bey diesem und dergleichen Sprüchen den Un- terschied der Frauen vom ersten und zwey- ten Rang aus dem alten Testament anbrin- gen und behaupten will, daß im neuen Bun- de nur verbothen, mehr als eine Frau vom ersten Rang zu haben: Es wäre aber nicht untersagt, neben derselben mehrere Kebsweiber zu halten. Das Wort, so Paulus am letzt angezogenen Orte braucht, heisset überhaupt eine Frauens-Person. Was hat nun dieser gelehrte Mann für Gründe, daß dieses Wort hier in einem en- gen Verstande von einer Frau vom ersten Range müsse genommen werden? Er brin- get keine bey, es ist auch nicht glaublich, daß er solches könne. Erstlich findet man nir-
gend
L 5
viere ſollten zuſammen thun, und in ei- nem Wagen aufgezogen kommen; was wuͤrde man ſelbigen wohl antworten, und was fuͤr eine Straffe wuͤrde man ihnen ſetzen? Warum muͤſſen denn aber ſo thoͤ- richte Auslegungen der goͤttlichen Geſetze, Vernunfft und Weisheit heiſſen?
§. 9.
Man wundert ſich nicht unbillig uͤberFortſe- tzung des vorigen. einen gewiſſen beruͤhmten Gelehrten, wel- cher in ſeinem Recht der Vernunfft bey dieſem und dergleichen Spruͤchen den Un- terſchied der Frauen vom erſten und zwey- ten Rang aus dem alten Teſtament anbrin- gen und behaupten will, daß im neuen Bun- de nur verbothen, mehr als eine Frau vom erſten Rang zu haben: Es waͤre aber nicht unterſagt, neben derſelben mehrere Kebsweiber zu halten. Das Wort, ſo Paulus am letzt angezogenen Orte braucht, heiſſet uͤberhaupt eine Frauens-Perſon. Was hat nun dieſer gelehrte Mann fuͤr Gruͤnde, daß dieſes Wort hier in einem en- gen Verſtande von einer Frau vom erſten Range muͤſſe genommen werden? Er brin- get keine bey, es iſt auch nicht glaublich, daß er ſolches koͤnne. Erſtlich findet man nir-
gend
L 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0187"n="169"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><hirendition="#fr">viere ſollten zuſammen thun, und in ei-<lb/>
nem Wagen aufgezogen kommen;</hi><lb/>
was wuͤrde man ſelbigen wohl antworten,<lb/>
und was fuͤr eine Straffe wuͤrde man ihnen<lb/>ſetzen? Warum muͤſſen denn aber ſo thoͤ-<lb/>
richte Auslegungen der goͤttlichen Geſetze,<lb/>
Vernunfft und Weisheit heiſſen?</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 9.</head><lb/><p>Man wundert ſich nicht unbillig uͤber<noteplace="right">Fortſe-<lb/>
tzung des<lb/>
vorigen.</note><lb/>
einen gewiſſen beruͤhmten Gelehrten, wel-<lb/>
cher in ſeinem <hirendition="#fr">Recht der Vernunfft</hi> bey<lb/>
dieſem und dergleichen Spruͤchen den Un-<lb/>
terſchied der Frauen vom erſten und zwey-<lb/>
ten Rang aus dem alten Teſtament anbrin-<lb/>
gen und behaupten will, daß im neuen Bun-<lb/>
de nur verbothen, mehr als <hirendition="#fr">eine Frau vom<lb/>
erſten Rang</hi> zu haben: Es waͤre aber<lb/>
nicht unterſagt, neben derſelben mehrere<lb/>
Kebsweiber zu halten. Das Wort, ſo<lb/>
Paulus am letzt angezogenen Orte braucht,<lb/>
heiſſet uͤberhaupt eine Frauens-Perſon.<lb/>
Was hat nun dieſer gelehrte Mann fuͤr<lb/>
Gruͤnde, daß dieſes Wort hier in einem en-<lb/>
gen Verſtande von einer Frau vom erſten<lb/>
Range muͤſſe genommen werden? Er brin-<lb/>
get keine bey, es iſt auch nicht glaublich, daß<lb/>
er ſolches koͤnne. Erſtlich findet man nir-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">gend</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[169/0187]
viere ſollten zuſammen thun, und in ei-
nem Wagen aufgezogen kommen;
was wuͤrde man ſelbigen wohl antworten,
und was fuͤr eine Straffe wuͤrde man ihnen
ſetzen? Warum muͤſſen denn aber ſo thoͤ-
richte Auslegungen der goͤttlichen Geſetze,
Vernunfft und Weisheit heiſſen?
§. 9.
Man wundert ſich nicht unbillig uͤber
einen gewiſſen beruͤhmten Gelehrten, wel-
cher in ſeinem Recht der Vernunfft bey
dieſem und dergleichen Spruͤchen den Un-
terſchied der Frauen vom erſten und zwey-
ten Rang aus dem alten Teſtament anbrin-
gen und behaupten will, daß im neuen Bun-
de nur verbothen, mehr als eine Frau vom
erſten Rang zu haben: Es waͤre aber
nicht unterſagt, neben derſelben mehrere
Kebsweiber zu halten. Das Wort, ſo
Paulus am letzt angezogenen Orte braucht,
heiſſet uͤberhaupt eine Frauens-Perſon.
Was hat nun dieſer gelehrte Mann fuͤr
Gruͤnde, daß dieſes Wort hier in einem en-
gen Verſtande von einer Frau vom erſten
Range muͤſſe genommen werden? Er brin-
get keine bey, es iſt auch nicht glaublich, daß
er ſolches koͤnne. Erſtlich findet man nir-
gend
Fortſe-
tzung des
vorigen.
L 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/187>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.