Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.§. 9. Nichtzum be- sten der leblosen Geschöpf- fe. Wenn nun ausgemacht ist, daß Absicht Dieses ist also eins, wornach, sich GOtt in Aus-
theilung der Vollkommenheiten richtet. Das andere ist seine Weißheit, welche bestehet in ei- ner Wissenschafft das beste zu erwehlen und durch geschickte und gute Mittel ins Werck zu richten. Diese Weißheit lässet nicht zu, daß er einer Crea- tur allemahl zu denen Vollkommenheiten verhelf- fe, deren sie sonst wol fähig wäre. z. E. ein ehr- liches Ankommen ist etwas gutes vor einen Men- schen: Hunger, Durst, Blösse und Verachtung sind etwas böses vor denselben. Wenn indessen GOtt einem Faulen, der wegen seines Müßig- ganges muß Noth leiden, durch seine blosse All- macht zu einem guten Auskommen verhelffen wolte, so wäre selbiges wider seine Weisheit. Denn dieses Mittel wäre nicht gut und reimte sich mit andern Dingen nicht: Ja sie machte die- se sonst gute Sache zu etwas bösem. Denn der Faule würde auf diese Weise in seiner Faulheit gestärcket, und fände nichts, das ihn könte antrei- ben, und einiger massen nöthigen zum besten der Welt zu arbeiten und etwas gutes zu verrich- ten. Diese Folge aber eines solchen Wunder- wercks wäre nichts gutes, sondern etwas böses. Und dergleichen Fälle sind unendlich viel in der Welt, da GOtt wegen seiner Weißheit der Crea- tur gewisse Vollkommenheiten nicht darff ange- deihen lassen, deren sonsten bey andern Mitteln die Creatur fähig wäre. §. 9. Nichtzum be- ſten der lebloſen Geſchoͤpf- fe. Wenn nun ausgemacht iſt, daß Abſicht Dieſes iſt alſo eins, wornach, ſich GOtt in Aus-
theilung der Vollkommenheiten richtet. Das andere iſt ſeine Weißheit, welche beſtehet in ei- ner Wiſſenſchafft das beſte zu erwehlen und durch geſchickte und gute Mittel ins Werck zu richten. Dieſe Weißheit laͤſſet nicht zu, daß er einer Crea- tur allemahl zu denen Vollkommenheiten verhelf- fe, deren ſie ſonſt wol faͤhig waͤre. z. E. ein ehr- liches Ankommen iſt etwas gutes vor einen Men- ſchen: Hunger, Durſt, Bloͤſſe und Verachtung ſind etwas boͤſes vor denſelben. Wenn indeſſen GOtt einem Faulen, der wegen ſeines Muͤßig- ganges muß Noth leiden, durch ſeine bloſſe All- macht zu einem guten Auskommen verhelffen wolte, ſo waͤre ſelbiges wider ſeine Weisheit. Denn dieſes Mittel waͤre nicht gut und reimte ſich mit andern Dingen nicht: Ja ſie machte die- ſe ſonſt gute Sache zu etwas boͤſem. Denn der Faule wuͤrde auf dieſe Weiſe in ſeiner Faulheit geſtaͤrcket, und faͤnde nichts, das ihn koͤnte antrei- ben, und einiger maſſen noͤthigen zum beſten der Welt zu arbeiten und etwas gutes zu verrich- ten. Dieſe Folge aber eines ſolchen Wunder- wercks waͤre nichts gutes, ſondern etwas boͤſes. Und dergleichen Faͤlle ſind unendlich viel in der Welt, da GOtt wegen ſeiner Weißheit der Crea- tur gewiſſe Vollkommenheiten nicht darff ange- deihen laſſen, deren ſonſten bey andern Mitteln die Creatur faͤhig waͤre. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb n="24" facs="#f0060"/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> <note place="foot" n="(*)" xml:id="a12" prev="#a11">Dieſes iſt alſo eins, wornach, ſich GOtt in Aus-<lb/> theilung der Vollkommenheiten richtet. Das<lb/> andere iſt ſeine Weißheit, welche beſtehet in ei-<lb/> ner Wiſſenſchafft das beſte zu erwehlen und durch<lb/> geſchickte und gute Mittel ins Werck zu richten.<lb/> Dieſe Weißheit laͤſſet nicht zu, daß er einer Crea-<lb/> tur allemahl zu denen Vollkommenheiten verhelf-<lb/> fe, deren ſie ſonſt wol faͤhig waͤre. z. E. ein ehr-<lb/> liches Ankommen iſt etwas gutes vor einen Men-<lb/> ſchen: Hunger, Durſt, Bloͤſſe und Verachtung<lb/> ſind etwas boͤſes vor denſelben. Wenn indeſſen<lb/> GOtt einem Faulen, der wegen ſeines Muͤßig-<lb/> ganges muß Noth leiden, durch ſeine bloſſe All-<lb/> macht zu einem guten Auskommen verhelffen<lb/> wolte, ſo waͤre ſelbiges wider ſeine Weisheit.<lb/> Denn dieſes Mittel waͤre nicht gut und reimte<lb/> ſich mit andern Dingen nicht: Ja ſie machte die-<lb/> ſe ſonſt gute Sache zu etwas boͤſem. Denn der<lb/> Faule wuͤrde auf dieſe Weiſe in ſeiner Faulheit<lb/> geſtaͤrcket, und faͤnde nichts, das ihn koͤnte antrei-<lb/> ben, und einiger maſſen noͤthigen zum beſten<lb/> der Welt zu arbeiten und etwas gutes zu verrich-<lb/> ten. Dieſe Folge aber eines ſolchen Wunder-<lb/> wercks waͤre nichts gutes, ſondern etwas boͤſes.<lb/> Und dergleichen Faͤlle ſind unendlich viel in der<lb/> Welt, da GOtt wegen ſeiner Weißheit der Crea-<lb/> tur gewiſſe Vollkommenheiten nicht darff ange-<lb/> deihen laſſen, deren ſonſten bey andern Mitteln<lb/> die Creatur faͤhig waͤre.</note> </p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 9.</head><lb/> <note place="left">Nicht<lb/> zum be-<lb/> ſten der<lb/> lebloſen<lb/> Geſchoͤpf-<lb/> fe.</note> <p>Wenn nun ausgemacht iſt, daß<lb/> GOTT die Welt nicht ſich zum beſten,<lb/> ſondern dem Geſchoͤpffe zu gute erſchaf-<lb/> fen und eingerichtet; ſo muͤſſen wir wei-<lb/> ter unterſuchen, auf welche Geſchoͤpffe er<lb/> vor andern ſeine gnaͤdigſte und weiſeſte<lb/> <fw type="catch" place="bottom">Abſicht</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0060]
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§. 9.
Wenn nun ausgemacht iſt, daß
GOTT die Welt nicht ſich zum beſten,
ſondern dem Geſchoͤpffe zu gute erſchaf-
fen und eingerichtet; ſo muͤſſen wir wei-
ter unterſuchen, auf welche Geſchoͤpffe er
vor andern ſeine gnaͤdigſte und weiſeſte
Abſicht
(*) Dieſes iſt alſo eins, wornach, ſich GOtt in Aus-
theilung der Vollkommenheiten richtet. Das
andere iſt ſeine Weißheit, welche beſtehet in ei-
ner Wiſſenſchafft das beſte zu erwehlen und durch
geſchickte und gute Mittel ins Werck zu richten.
Dieſe Weißheit laͤſſet nicht zu, daß er einer Crea-
tur allemahl zu denen Vollkommenheiten verhelf-
fe, deren ſie ſonſt wol faͤhig waͤre. z. E. ein ehr-
liches Ankommen iſt etwas gutes vor einen Men-
ſchen: Hunger, Durſt, Bloͤſſe und Verachtung
ſind etwas boͤſes vor denſelben. Wenn indeſſen
GOtt einem Faulen, der wegen ſeines Muͤßig-
ganges muß Noth leiden, durch ſeine bloſſe All-
macht zu einem guten Auskommen verhelffen
wolte, ſo waͤre ſelbiges wider ſeine Weisheit.
Denn dieſes Mittel waͤre nicht gut und reimte
ſich mit andern Dingen nicht: Ja ſie machte die-
ſe ſonſt gute Sache zu etwas boͤſem. Denn der
Faule wuͤrde auf dieſe Weiſe in ſeiner Faulheit
geſtaͤrcket, und faͤnde nichts, das ihn koͤnte antrei-
ben, und einiger maſſen noͤthigen zum beſten
der Welt zu arbeiten und etwas gutes zu verrich-
ten. Dieſe Folge aber eines ſolchen Wunder-
wercks waͤre nichts gutes, ſondern etwas boͤſes.
Und dergleichen Faͤlle ſind unendlich viel in der
Welt, da GOtt wegen ſeiner Weißheit der Crea-
tur gewiſſe Vollkommenheiten nicht darff ange-
deihen laſſen, deren ſonſten bey andern Mitteln
die Creatur faͤhig waͤre.
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Zitationshilfe: | Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/60>, abgerufen am 03.03.2025. |