Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





sey in den Augen eines vernünftigen Gei-
stes, welcher selbige einsiehet, weit net-
ter und artiger, und stimme mit dem
übrigen Zusammenhange der Welt besser
zusammen, als eine jede andere Folge,
da die Sünden ohne Gnugthuung ver-
geben werden; so ist dieses eine hinläng-
liche und den Vollkommenheiten GOttes
gemässe Ursache, warum er ohne die
Gnugthuung JEsu die Sünden nicht ver-
geben wollen. Denn ist GOtt das voll-
kommenste Wesen, ist sein Wille heilig,
so vergnüget er sich mehr an dem, was
einen Vorzug an Schönheiten hat, als
an dem, welches mit wenigern Annehm-
lichkeiten versehen ist. Solte es nun
aber GOtt wol unanständig seyn und sei-
nen Vollkommenheiten wiedersprechen,
wenn er auf diejenige Art Gnade erzeigt,
welche er für die schönste und artigste er-
kennt und ihm daher das mehreste Ver-
gnügen giebet? Solten seine heiligsten
Vollkommenheiten ihn auch wol verbin-
den demjenigen abzusagen, was ihm am
gefälligsten ist, und einen Theil seiner
unendlichen Seeligkeit, deren er genies-
set, ausmachet? Niemand wird dieses zu
bejahen sich unterstehen.

§. 33.

Wir können eben daraus, was wirZweyte
mögliche
Absicht.

anjetzt angenommen, noch eine andere

mögli-
A a 5





ſey in den Augen eines vernuͤnftigen Gei-
ſtes, welcher ſelbige einſiehet, weit net-
ter und artiger, und ſtimme mit dem
uͤbrigen Zuſammenhange der Welt beſſer
zuſammen, als eine jede andere Folge,
da die Suͤnden ohne Gnugthuung ver-
geben werden; ſo iſt dieſes eine hinlaͤng-
liche und den Vollkommenheiten GOttes
gemaͤſſe Urſache, warum er ohne die
Gnugthuung JEſu die Suͤnden nicht ver-
geben wollen. Denn iſt GOtt das voll-
kommenſte Weſen, iſt ſein Wille heilig,
ſo vergnuͤget er ſich mehr an dem, was
einen Vorzug an Schoͤnheiten hat, als
an dem, welches mit wenigern Annehm-
lichkeiten verſehen iſt. Solte es nun
aber GOtt wol unanſtaͤndig ſeyn und ſei-
nen Vollkommenheiten wiederſprechen,
wenn er auf diejenige Art Gnade erzeigt,
welche er fuͤr die ſchoͤnſte und artigſte er-
kennt und ihm daher das mehreſte Ver-
gnuͤgen giebet? Solten ſeine heiligſten
Vollkommenheiten ihn auch wol verbin-
den demjenigen abzuſagen, was ihm am
gefaͤlligſten iſt, und einen Theil ſeiner
unendlichen Seeligkeit, deren er genieſ-
ſet, ausmachet? Niemand wird dieſes zu
bejahen ſich unterſtehen.

§. 33.

Wir koͤnnen eben daraus, was wirZweyte
moͤgliche
Abſicht.

anjetzt angenommen, noch eine andere

moͤgli-
A a 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0409" n="377[373]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ey in den Augen eines vernu&#x0364;nftigen Gei-<lb/>
&#x017F;tes, welcher &#x017F;elbige ein&#x017F;iehet, weit net-<lb/>
ter und artiger, und &#x017F;timme mit dem<lb/>
u&#x0364;brigen Zu&#x017F;ammenhange der Welt be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zu&#x017F;ammen, als eine jede andere Folge,<lb/>
da die Su&#x0364;nden ohne Gnugthuung ver-<lb/>
geben werden; &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;es eine hinla&#x0364;ng-<lb/>
liche und den Vollkommenheiten GOttes<lb/>
gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Ur&#x017F;ache, warum er ohne die<lb/>
Gnugthuung JE&#x017F;u die Su&#x0364;nden nicht ver-<lb/>
geben wollen. Denn i&#x017F;t GOtt das voll-<lb/>
kommen&#x017F;te We&#x017F;en, i&#x017F;t &#x017F;ein Wille heilig,<lb/>
&#x017F;o vergnu&#x0364;get er &#x017F;ich mehr an dem, was<lb/>
einen Vorzug an Scho&#x0364;nheiten hat, als<lb/>
an dem, welches mit wenigern Annehm-<lb/>
lichkeiten ver&#x017F;ehen i&#x017F;t. Solte es nun<lb/>
aber GOtt wol unan&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;eyn und &#x017F;ei-<lb/>
nen Vollkommenheiten wieder&#x017F;prechen,<lb/>
wenn er auf diejenige Art Gnade erzeigt,<lb/>
welche er fu&#x0364;r die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te und artig&#x017F;te er-<lb/>
kennt und ihm daher das mehre&#x017F;te Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen giebet? Solten &#x017F;eine heilig&#x017F;ten<lb/>
Vollkommenheiten ihn auch wol verbin-<lb/>
den demjenigen abzu&#x017F;agen, was ihm am<lb/>
gefa&#x0364;llig&#x017F;ten i&#x017F;t, und einen Theil &#x017F;einer<lb/>
unendlichen Seeligkeit, deren er genie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et, ausmachet? Niemand wird die&#x017F;es zu<lb/>
bejahen &#x017F;ich unter&#x017F;tehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 33.</head><lb/>
            <p>Wir ko&#x0364;nnen eben daraus, was wir<note place="right">Zweyte<lb/>
mo&#x0364;gliche<lb/>
Ab&#x017F;icht.</note><lb/>
anjetzt angenommen, noch eine andere<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 5</fw><fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;gli-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377[373]/0409] ſey in den Augen eines vernuͤnftigen Gei- ſtes, welcher ſelbige einſiehet, weit net- ter und artiger, und ſtimme mit dem uͤbrigen Zuſammenhange der Welt beſſer zuſammen, als eine jede andere Folge, da die Suͤnden ohne Gnugthuung ver- geben werden; ſo iſt dieſes eine hinlaͤng- liche und den Vollkommenheiten GOttes gemaͤſſe Urſache, warum er ohne die Gnugthuung JEſu die Suͤnden nicht ver- geben wollen. Denn iſt GOtt das voll- kommenſte Weſen, iſt ſein Wille heilig, ſo vergnuͤget er ſich mehr an dem, was einen Vorzug an Schoͤnheiten hat, als an dem, welches mit wenigern Annehm- lichkeiten verſehen iſt. Solte es nun aber GOtt wol unanſtaͤndig ſeyn und ſei- nen Vollkommenheiten wiederſprechen, wenn er auf diejenige Art Gnade erzeigt, welche er fuͤr die ſchoͤnſte und artigſte er- kennt und ihm daher das mehreſte Ver- gnuͤgen giebet? Solten ſeine heiligſten Vollkommenheiten ihn auch wol verbin- den demjenigen abzuſagen, was ihm am gefaͤlligſten iſt, und einen Theil ſeiner unendlichen Seeligkeit, deren er genieſ- ſet, ausmachet? Niemand wird dieſes zu bejahen ſich unterſtehen. §. 33. Wir koͤnnen eben daraus, was wir anjetzt angenommen, noch eine andere moͤgli- Zweyte moͤgliche Abſicht. A a 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/409
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 377[373]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/409>, abgerufen am 21.12.2024.