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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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II.
Sylli an Clerdon.

Ich war heute lange vor Tag aus dem
Bette. Ein sonderbar schönes Licht, das im-
mer heller mich umgab, trieb mich aus mei-
nem Cabinette in das Zimmer gegen Morgen,
welches die weite Aussicht nach dem kleinen
Gebirge hat. Ich fuhr zusammen über dem
Anblick, und blieb unbeweglich am Eingange
des Gemachs. Was mich fesselte, war die
große Stille bey allem Glanze, bey allem Wer-
den am weiten Himmel: unüberschauliche,
unaufhörliche Verwandlungen; und doch kein
sichtbarer Wechsel, keine Bewegung. Aber
jetzt trat die Sonne näher, und fuhr auf ein-
mahl hinter den Hügeln herauf, daß ich da-
von mit in die Höhe fuhr. -- Clerdon, es wa-
ren selige Augenblicke! Und siehe, wie dieser
Sonnenaufgang, so war der ganze heutige
Tag; Frühlings Anbeginn, Anbruch des Jah-

II.
Sylli an Clerdon.

Ich war heute lange vor Tag aus dem
Bette. Ein ſonderbar ſchoͤnes Licht, das im-
mer heller mich umgab, trieb mich aus mei-
nem Cabinette in das Zimmer gegen Morgen,
welches die weite Ausſicht nach dem kleinen
Gebirge hat. Ich fuhr zuſammen uͤber dem
Anblick, und blieb unbeweglich am Eingange
des Gemachs. Was mich feſſelte, war die
große Stille bey allem Glanze, bey allem Wer-
den am weiten Himmel: unuͤberſchauliche,
unaufhoͤrliche Verwandlungen; und doch kein
ſichtbarer Wechſel, keine Bewegung. Aber
jetzt trat die Sonne naͤher, und fuhr auf ein-
mahl hinter den Huͤgeln herauf, daß ich da-
von mit in die Hoͤhe fuhr. — Clerdon, es wa-
ren ſelige Augenblicke! Und ſiehe, wie dieſer
Sonnenaufgang, ſo war der ganze heutige
Tag; Fruͤhlings Anbeginn, Anbruch des Jah-

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[6/0044] II. Sylli an Clerdon. Den 7ten Maͤrz. Ich war heute lange vor Tag aus dem Bette. Ein ſonderbar ſchoͤnes Licht, das im- mer heller mich umgab, trieb mich aus mei- nem Cabinette in das Zimmer gegen Morgen, welches die weite Ausſicht nach dem kleinen Gebirge hat. Ich fuhr zuſammen uͤber dem Anblick, und blieb unbeweglich am Eingange des Gemachs. Was mich feſſelte, war die große Stille bey allem Glanze, bey allem Wer- den am weiten Himmel: unuͤberſchauliche, unaufhoͤrliche Verwandlungen; und doch kein ſichtbarer Wechſel, keine Bewegung. Aber jetzt trat die Sonne naͤher, und fuhr auf ein- mahl hinter den Huͤgeln herauf, daß ich da- von mit in die Hoͤhe fuhr. — Clerdon, es wa- ren ſelige Augenblicke! Und ſiehe, wie dieſer Sonnenaufgang, ſo war der ganze heutige Tag; Fruͤhlings Anbeginn, Anbruch des Jah-

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/44>, abgerufen am 21.11.2024.